Zu Beginn einer Arbeit sollten Sie sich daher nicht allzu sehr den Kopf über die Einleitung zerbrechen. Verwenden Sie die Energie lieber auf die Gesamtstruktur Ihrer Beleg- oder Abschlussarbeit und auf den Hauptteil. Für die Einleitung reicht ein Konzept, ein Rohentwurf zunächst aus.
Was eine Einleitung nicht ist
Hin und wieder verwechseln Studenten die Einleitung mit anderen Bestandteilen einer wissenschaftlichen Arbeit. Eine Einleitung ist...
- kein Abstract (übrigens: "das" Abstract, nicht "der"). Abstracts sind knappe Inhaltsangaben, die einer Arbeit, also auch der Einleitung, vorangestellt werden.
- kein Vorwort. Ein Vorwort ist eine persönliche Stellungnahme, in der z.B. Danksagungen ihren Platz haben. In Büchern und bei Abschlussarbeiten findet man häufiger ein Vorwort, in Belegarbeiten ist das unüblich.
Die Funktion einer Einleitung ist es,
- dem Leser Orientierung über den Inhalt der Arbeit zu geben,
- die Wahl des Themas zu begründen (warum ist es relevant, wichtig, nützlich),
- das Thema inhaltlich von ähnlichen Themen abzugrenzen,
- ein Ziel für die Arbeit zu nennen (ggf. ein Oberziel und mehrere Teilziele),
- die Fragestellung differenziert zu entwickeln (und zwar so konkret, dass Sie auch "beantwortbar" ist),
- ggf. eine These oder Hypothese vorzustellen und zu begründen,
- dabei Annahmen und Vermutungen offenzulegen,
- zentrale Begriffe zu klären,
- die verwendete(n) Methode(n) offenzulegen,
- offenzulegen, welche Informationen, Daten, Quellen verwendet werden,
- Aufbau/Gliederung der Arbeit und den "Gang der Untersuchung" zu erläutern.
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, einen "interessanten" Anfang zu machen – vom persönlichen Aufhänger/Motivation über eine Anekdote oder Story und aktuelle Berichte in den Medien bis zum Herausstellen einer praktischen Problemlösung. Ein pointierter erster Absatz ist wunderbar – aber der allein erledigt die Aufgabe nicht. Die Einleitung ist nicht vorrangig eine literarische Herausforderung, die den Leser motivieren soll. In erster Linie ist die Einleitung der Beweis,
- dass Sie Ihr eigenes wissenschaftliches Projekt solide organisiert und konzipiert haben
- und dass Sie Methoden und Techniken Ihrer Fachdisziplin auf einen komplexen Sachverhalt anwenden können.
Ein häufiger Fehler ist es, dass Studenten mitten ins Thema springen. Die eigentliche Einleitung besteht dann nur aus ein oder zwei Absätzen, die bestenfalls die Aufmerksamkeit des Lesers binden und wolkig ins Thema gleiten – ohne dass die Funktionen der Einleitung erfüllt werden. Meist ist es dann so, dass die Fragestellung und die Methoden- und Quellendiskussion unzureichend sind. Es gibt viele fleißige Studenten, die Unmengen an Material zusammentragen, aber nicht aufzeigen, wie sie das tun. Wenn die Note hinterher nicht so grandios ist, sind sie enttäuscht oder verärgert.
Viele Studenten meinen, es geht "nur ums Thema". Um Zahlen, Daten, Fakten, die inhaltliche Substanz des Problems, garniert mit ein paar Bezügen zur Literatur. Nein, eine Abschlussarbeit soll vielmehr zeigen, dass Sie ein Thema wissenschaftlich bearbeiten können. Die eigentliche Leistung besteht nicht aus der Zusammenstellung von Informationen, sondern darin, Informationen auf einem wissenschaftlichen Weg zu gewinnen und zu bearbeiten. Dazu gehört vor allem eine konkrete, präzise Fragestellung, eine präzise Abgrenzung und nicht nur ein allgemeiner inhaltlicher Rahmen ("Thema"), und Bewusstsein dafür, dass Sie jeden Schritt der Untersuchung erläutern müssen. Das "Wie" ist also genauso wichtig wie das "Was". Und das zeigt sich auch und gerade in der Einleitung.
Wissenschaftlichkeit besteht gerade darin, das Vorgehen der Untersuchung explizit und nachvollziehbar zu machen. Der Autor soll zudem zeigen, dass er einen klaren Fokus hat, seine Untersuchung abgrenzen kann, sich der Stärken und Schwächen bestimmter Methoden und der Grenzen seiner Untersuchung bewusst ist, dass er über das reflektieren kann, was er da tut.
Zu kurz, zu lang? Der Umfang einer Einleitung
Wie umfangreich die Einleitung sein muss, ist daher keineswegs mit einer Standardformel (à la "höchsten fünf Prozent des Gesamtumfangs") zu beantworten.
Einleitungen sind oft zu kurz, nach meinem Anspruch jedenfalls: Wenn Sie die oben genannten Funktionen erfüllen wollen, liegt es auf der Hand, dass Sie mehrere Seiten schreiben werden.
Eine umfangreiche Arbeit, z.B. eine Master's Thesis, bedarf möglicherweise eines separaten Kapitels zu Methoden und Forschungsdesign oder eines separaten Kapitels zu Theorie oder Literatur/Forschungslage oder zum Hintergrund des Problems, das man bearbeiten möchte.
- Wenn Sie z.B. umfangreiche Experteninterviews führen, eine quantitative Befragung umsetzen, eine Analyse zahlreicher Dokumente durchführen oder vorrangig Zahlenmaterial von statistischen Ämtern oder Datensammlungen durchackern, dann wird im Regelfall ein von der Einleitung getrenntes Kapitel zu den Methoden und Datenquellen erforderlich sein.
Ist das bei Ihnen sinnvoll oder notwendig – und das sollten Sie explizit mit Ihrem Betreuer besprechen –, dann kann die Einleitung recht knapp ausfallen. Sie bietet dann nur einen knappen Überblick.
Andernfalls haben Sie eine ganze Menge in der Einleitung unterzubringen.
Es gibt auch Einleitungen, die sind zu lang. Meist passiert das, wenn ein Autor
- Ergebnisse seiner Untersuchung vorwegnimmt, die in den Hauptteil gehören,
- oder ganz viel Kontext für die Untersuchung liefert, der seiner Meinung nach zum Verständnis der Arbeit notwendig sind.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen