Er wollte damals wohl ausdrücken, dass der Weg zum Ergebnis nicht so wichtig ist. Das ist in der Wissenschaft natürlich anders, denn jede Untersuchung muss präzise dokumentiert und nachvollziehbar sein. Was zwischen Einleitung und Schlussteil passiert, bleibt der Kern Ihres Projekts. Trotzdem ist es schlecht, wenn Sie Berge an Material zusammentragen und am Ende unklar ist, was Ihr Ergebnis ist und was das alles bedeutet. Genau darum geht es im Schlussteil: Was ist Ihr Ergebnis? Was bedeutet das alles?
Viele Namen, viele Funktionen
So ein Schlussteil hat unterschiedliche Namen. Manchmal heißt er „Zusammenfassung“ oder „Resümee“, „Fazit“ oder „Konklusion“. Und dann gibt es noch „Schlussbemerkung“ oder „Ausblick“. Damit sind allerdings sehr unterschiedliche Dinge gemeint, was Studenten dann auch verwirrt.
Eine „Zusammenfassung“ fasst die Ergebnisse zusammen, ein „Ausblick“ hingegen lässt die Ergebnisse hinter sich und blickt darüber hinaus. Ein „Fazit“ oder eine „Konklusion“ zieht Schlüsse aus den Ergebnissen. Hier werden also nicht nur Ergebnisse festgehalten, sondern sie werden bewertet. Wertung ist mehr als Analyse: Hier kommt es stärker auf die Deutung (Kommentierung, Interpretation – was bedeutet das alles?) an. Und die eigene Position oder Meinung kommt zum Ausdruck.
Bei einer reinen Schlussbemerkung und einem Ausblick ist davon auszugehen, dass davor schon die Ergebnisse präsentiert und bewertet wurden.
Ein Schlussteil kann also unterschiedliche Funktionen beinhalten. Wenn ich hier von Schlussteil schreibe, dann meine ich den gesamten Schlussteil. Er umfasst drei Dinge:
- Die Zusammenfassung der Ergebnisse
- Die Wertung der Ergebnisse, Schlussfolgerungen
- Ausblick: „Weiterspinnen“ und offene Fragen
Ein Schlussteil soll also mehr bieten als eine überblicksartige Zusammenfassung der Ergebnisse. Er geht darüber hinaus. Ein "runder" Schluss hat noch ein paar Pointen mehr zu bieten.
Zugleich aber ist er eng verbunden mit der Einleitung und dem "roten Faden" Ihrer Arbeit. Der Schlussteil bezieht sich explizit auf das, was Sie in Ihrer Einleitung als Leitfrage und Ziel der Untersuchung angekündigt haben, und er bindet den "roten Faden" fest.
Die Ergebnisse
Jede Untersuchung braucht ein Ergebnis. Was haben Sie herausgefunden?
„Das habe ich doch schon im Hauptteil gesagt, wieso soll ich das wiederholen“, könnten Sie jetzt kontern. Ja, gut. Aber fassen Sie das zusammen, knapp und möglichst präzise. Geben Sie einen Überblick – was ist der Kern Ihrer Erkenntnisse?
Gehen Sie die Untersuchungsschritte noch einmal durch. Welche Kernaussagen hat jedes Ihrer Kapitel? Ziehen Sie zu jedem Kapitel ein Fazit. Legen Sie als Maßstab Ihre Einleitung an: Diese hat idealerweise definiert, was die Leitfrage und das Ziel jedes Untersuchungsschritts war. Im Schluss stellen Sie fest, ob Sie das Ziel (oder die Etappenziele) erreicht haben. Was hat jedes Kapitel zur Beantwortung Ihrer Fragestellung beigetragen? Und dann, insgesamt, losgelöst von den einzelnen Kapiteln/Untersuchungsschritten: Was ist die übergreifende Antwort auf Ihre übergreifende Frage?
Machen Sie kein neues Fass auf. Sie beziehen sich ausschließlich auf das, was Sie bereits im Hauptteil herausgefunden haben. Alle Erkenntnisse, Erläuterungen, Belege und Diskussionen gehören in den Hauptteil.
- Fangen Sie nicht an, etwas Neues zu untersuchen,
- Führen Sie keine neuen Fakten ein,
- präsentieren Sie keine neuen Quellen,
- diskutieren Sie keine Dinge, die nicht im Hauptteil stehen.
- Nur im absoluten Ausnahmefall sollten Sie Zitate anbringen – es sei denn, das Zitat fand sich schon im Hauptteil und ist so prägnant und treffend, dass Sie es hier unbedingt noch einmal ins Scheinwerferlicht stellen möchten.
In einer Einleitung werden oft Hypothesen aufgestellt, also Annahmen oder Vermutungen. Diese überprüft der Hauptteil. Es kann nun sein, dass Ihre Untersuchungsergebnisse die Annahme widerlegt. Dann ist es völlig in Ordnung (und wichtig), dies genauso zu schreiben. Auch das ist Wissenschaft: Hypothesen aufstellen, testen und verwerfen, wenn sie falsch waren. "Ich bin doch nicht blöd und widerlege mich selbst", könnten Sie sagen. Falsch gedacht: Ihr Gutachter wird das sogar als besonders wissenschaftlich hochwertig ansehen, wenn Sie so vorgehen.
Bewerten der Ergebnisse
Ergebnisse erklären sich nicht immer von selbst. Sie bedürfen einer Deutung, einer Kommentierung, einer Interpretation. Was bedeutet das alles? Was davon ist wichtig, was ist weniger wichtig? Nachdem Sie sich intensiv mit Ihrem Thema auseinander gesetzt haben, sollten Sie das einschätzen können. Anders gesagt: Was haben Sie gelernt?
Sie sollten sich auch mit der Frage befassen, wo die Grenzen Ihrer Ergebnisse sind. Wissenschaftler sprechen gern vom „Gültigkeitsbereich“. Für was und inwiefern sind Ihre Ergebnisse gültig, für was eher nicht? Welche Ergebnisse betreffen nur einen eng umfassten Gültigkeitsbereich? Wie weit darf man von Ihrem konkreten Ergebnis aus verallgemeinern? Hier sollten Sie zeigen, dass Sie differenzieren können und keine Pauschalwahrheiten verbreiten.
Im Verlauf Ihrer Arbeit haben Sie sich mit den Ergebnissen und Thesen anderer Wissenschaftler befasst. Vielleicht stehen Ihre Ergebnisse im Gegensatz dazu. Dann ist hier der Platz, um das pointiert darzulegen. Oder umgekehrt, Sie konnten die Ergebnisse anderer bestätigen. Zeigen Sie, wo Ihre Arbeit im Vergleich zu anderen wissenschaftlichen Arbeiten steht. Als Student sind Sie ja kein Einzelkämpfer, sondern gewissermaßen Mitglied der akademischen Community, Sie nehmen teil am wissenschaftlichen Diskurs über ein Thema. So sieht das auch Ihr Gutachter, also will er wissen, wo Sie sich positionieren. Auf wessen Seite stehen Sie? Oder zumindest: An wessen Ergebnisse finden Sie Anschluss?
Positionieren heißt auch, eine persönliche Stellungnahme abzugeben. Ihr eigenes Urteil, Ihre eigene Meinung ist nicht tabu – im Gegenteil. Im Schlussteil zeigen Sie Ihre Fähigkeit, urteilen zu können, und einen eigenen Standpunkt einzunehmen. Sie dürfen sortieren, gewichten, zuspitzen. Wichtig dabei ist, dass Sie argumentieren, warum Sie etwas so-und-so sehen. Begründen Sie also mit Bezug auf Ihre Untersuchungsergebnisse, wieso Sie zu welchen Schlüssen kommen.
Der Ausblick
Ein Ausblick lässt die Ergebnisse und ihre Bewertung hinter sich. Er blickt auf das, was darin nicht eindeutig enthalten ist.
Hier dürfen Sie Aussagen darüber machen, wie sich Ihr Thema wohl weiterentwickeln wird und was die Zukunft bringt. Bei aktuellen Themen sollten Sie eine (begründete) Einschätzung liefern, was demnächst wichtig werden könnte, welche Entscheidungen anstehen, was in den nächsten Jahren passiert usw. Sie könnten auch explizit praktische Konsequenzen aufzeigen. Beispiel: Sie haben ein wirtschaftspolitisches Problem untersucht und zeigen auf, was der Gesetzgeber tun könnte, um eine schwierige Situation für mittelständische Unternehmen zu erleichtern.
Der Ausblick kann aber auch die wissenschaftliche Forschung einbeziehen. Zunächst einmal selbstkritisch: Was ist in Ihrer Untersuchung offen geblieben? Welches Puzzle ist noch nicht zusammengesetzt, welches Rätsel ungelöst? Was wissen wir jetzt immer noch nicht? Was konnten Sie nur am Rande aufgreifen oder was haben Sie ganz ignoriert, wäre aber auch interessant? Was würden Sie genauer erforschen, wenn Sie dazu Zeit und Gelegenheit hätten?
Wenn Wissenschaftler einen Ausblick schreiben, geben sie ihren Kollegen so Hinweise für die (gemeinsame) Forschungsagenda: Dies und das wäre noch zu untersuchen, das sollte man sich näher ansehen, hier sind einige Unstimmigkeiten aufgetaucht, die ich mir nicht erklären kann. Dabei kann es auch um Methoden und Arbeitsweisen gehen: Mit der Methode X kommen wir so nicht weiter, wir bräuchten einen Ansatz Y. Die Methode Z hat offensichtlich Probleme, wir könnten das Problem aber so-und-so in den Griff bekommen.
Das klingt vielleicht etwas negativ, weil es um Defizite geht. „Wieso sollte ich am Schluss schreiben, was ich alles nicht weiß?“, mögen Sie fragen. Weil auch das die Qualität wissenschaftlicher Arbeit ausmacht: zu zeigen, dass nicht alles abschließend gesagt ist und gesagt sein kann, und dass wissenschaftliche Neugier – als Suche nach der Wahrheit – unendlich ist. Es gibt immer Aspekte und Quellen, die man sich noch genauer ansehen kann. Präzise zu sagen, wo die Welt noch unklar ist, ist wichtig.
Ein Student, der das zum Schluss seiner Arbeit tut, entblößt sich nicht, sondern zeigt die Fähigkeit zur Reflexion und zum Weiterdenken (und das ist gut!).
Allerdings: Das ist keine Einladung zum Philosophieren (oder Faseln). Im Ausblick schreiben Sie nicht, was sie sonst schon immer noch sagen wollten. Werden Sie also nicht zu persönlich, halten Sie kritische Distanz zum Thema und denken Sie daran, dass Sie eine wissenschaftliche Arbeit schreiben wollten, keine Parteitagsrede oder ein Gerichtsplädoyer. Gefragt sind weder Ihr allgemeiner Weltschmerz noch aufrüttelnde Appelle an die Weltöffentlichkeit.