28. Januar 2011

"Sie haben uns völlig falsch aufs Studium vorbereitet!"

Charlotte Haunhorst hat den Bachelor hinter sich und wirft ihrem früheren Schul-Lehrer vor: "Sie haben uns völlig falsch aufs Studium vorbereitet!" Lehrer Christian Bode antwortet: "Es tut mir leid! Ich konnte es nicht besser, aber ich habe eine Entschuldigung: Man hat mich völlig falsch auf das Lehrerleben vorbereitet!" Fazit: "Das Hochschulsystem war auch früher schon absurd". So die lesenswerte offene Korrespondenz bei Jetzt.de, dem Jugendmagazin der Süddeutschen Zeitung.

Ich poste das auf Facebook, und nach ein paar Minuten tackert einer meiner Studenten an meine Pinnwand: "Ich befürchte, den Brief könnten wir alle schreiben..." 

Umso dramatischer wird es, stellt man das nun noch in die Kulisse der häufigen Klagen über Erschöpfung, Prüfungs- und Leistungsdruck an den Hochschulen (jüngste Spiegel-Artikel: "Ausgebrannte Studenten: Lost in Perfection", "Warum Studieren ein Knochenjob ist"; "Studenten im Optimierungswahn: Karriere, Karriere, Knick").

Charlotte Haunhorst hat gelernt, dass Selberdenken und Tiefschürfen an der Uni nicht gefragt ist. Dass Auswendiglernen von Vorlesungsskripten bessere Noten produziert, als sich zum motivierten Selbststudium anstiften zu lassen. Dass Lernbulimie der Weg zum Überleben ist. Sie lernt, dass Studenten, die ihr Studium ohne Lektüre irgendeines Buches absolvieren, nicht blöd sind, sondern schlau und erfolgreich. Dass man seine Individualität abgeben und konform sein muss. Dass das Selbstvertrauen erschüttert wird, wenn man sich eigene Ziele setzt. Und dass leidenschaftliche Lehrer ein Versprechen abgeben, dass die Welt nicht halten wird. Irgendwann ist der Wille gebrochen, dem System zu trotzen. Ratschlag an den Lehrer: "Nehmen Sie Abstand von Ihrem Bildungsideal. Lehren Sie nur das Vorgeschriebene und schwören Sie die Kinder möglichst früh darauf ein, nichts mehr zu hinterfragen. Das ist sowieso eher lästig und obendrauf noch anstrengend."


Realismus vs. Romantik: Der Konflikt um Bildungsideale, Nützlichkeit und Leistungsstandards ist in der Tat ein alter. Auch Hollywood hat ihn oft in Szene gesetzt, vom "Club der Toten Dichter" (Robin Williams) über "Club der Cäsaren" (Kevin Kline) bis zu "Mona Lisas Lächeln" (Julia Roberts) – DVD-Klappentext: "In einer Welt, die ihnen vorschrieb, wie man lebt, lehrte sie sie, wie man denkt". 

Bei aller augenfeuchten Sentimentalität und Sympathie für den leidenschaftlichen Lehrer, der zum eigenen Denken anregt, inspiriert und motiviert, steht am Ende immer die Frage: Wer später an der Hochschule, im Beruf, im Leben vorankommen will – wird der nicht besser vorbereitet, wenn er rechtzeitig beigebracht bekommt, wie man sich an die Spielregeln hält und sich die Belohnung für Leistung abholen kann, die an den Standards und Maßstäben der maßgeblichen Leute gemessen wird? Das ist auch der Kontext der aktuellen Debatte um die Erziehungsmethoden der "Tigermutter" Amy Chua. Die sagt schließlich auch, ihr asiatischer Leistungs-Drill macht die Kinder nicht nur erfolgreicher, sondern glücklicher.
  • In einer Schlüsselszene im "Club der Toten Dichter" sagt Lehrerkollege McAllister  zum charismatischen Englischlehrer Keating: „Ich finde es sehr riskant, diese Jungs zu ermutigen, Künstler zu werden, John, denn wenn sie feststellen, daß sie keine Rembrandts, Shakespeares oder Mozarts sind, werden sie Sie verachten.“ Er sei kein Zyniker, betont McAllister, nur Realist, und zitiert den englischen Dichter Lord Tennyson: "Zeig’ mir ein Herz, das frei ist von törichten Träumen, und ich zeig’ Dir einen zufriedenen Menschen.“

Mit beiden Beinen fest auf der Erde. Das macht den Realisten aus. Realitätssinn und Rationalität sind wichtig und notwendig, ja. Erst recht im Studium. Das bedeutet aber nicht totale Anpassung, sondern intelligente Balance.

Man kann wissenschaftliche Ausbildung nicht betreiben, ohne Standards, Spielregeln und gesicherte Methoden zu vermitteln und abzuprüfen. Das kann Neugier und Inspiration dämpfen, sogar abstumpfen, keine Frage. Auf der anderen Seite besteht Wissenschaft auch darin, hinter die Annahmen zu schauen, altes Wissen zu hinterfragen und neues Terrain zu erkunden. Wer sich das austreiben lässt, versteht den ganzen Sinn der Ausbildung falsch.  Mag ein, dass die Hochschule diese Botschaft nicht immer so vermittelt, wie sie es sollte. Aber wer die Botschaft hören will, der kann sie im Studium auch hören.

Weil er selbst so ermattet und enttäuscht klingt, ist Lehrer Bodes Antwortbrief nicht halb so bemerkenswert wie Charlotte Haunhorsts Klageschrift. "Du schaffst es schon!", schreibt er mit tröstenden Worten; sie soll sich nicht verbittern lassen, sondern ihren eigenen Weg gehen. "Den von dir so vermissten Transfer hast du schon selbst geleistet. Du hast erkannt, dass Lehranstalten und universitärer Massenbetrieb einem niemals das vermitteln können, was in einem selbst als Talent und Passion angelegt ist und wofür man sich zu engagieren bereit ist."

Wahr; und auch nicht wahr. Ideen und Inspiration, Aha-Momente und neue Perspektiven lassen sich an Hochschulen immer noch besser sammeln als an vielen anderen Orten. Vielleicht liegt es daran, dass hier weniger Realisten zu finden sind als anderswo.

26. Januar 2011

Immer Trabbel mit Statistik

Suchen Sie nach Zahlen – egal, welches Thema Ihre Beleg- oder Abschlussarbeit oder Ihr Referat hat. 

Zahlen sind immer irgendwie beeindruckend. Sie lassen Darstellung und Interpretation handfester wirken als blanke Texte, stützen verlässlich das Argument. Daten sind das Fenster in die Wirklichkeit. Sie sind der ultimative Beleg in einer wissenschaftlichen Arbeit, und was wäre eine PowerPoint-Präse ohne Charts mit Tabellen, Kurven, Balken und Torten? Wer eine Parade von Zahlen aufmarschieren lässt, wirkt nie wie ein Dummschwätzer.

Ganz im Ernst: Zahlen sind in allen Wissenschaften gefragt. Mit Zahlen umgehen und "Daten sprechen lassen" zu können, gilt zu Recht als ein wichtiger Ausweis wissenschaftlichen Könnens, geht es doch um die Fähigkeit, Daten zu sammeln und auszuwerten. Es ist also ratsam, dieses Können auch bei einer Thesis zu zeigen – selbst wenn sie nicht als quantitative Untersuchung ausgelegt ist.

Das gilt insbesondere für die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Statistik jeder Art spielt hier eine zentrale Rolle. Leider sind die Grundlagen-Lehrveranstaltungen im Studium oft vorrangig theoretisch ausgelegt: Man lernt die Grundbegriffe, ein paar Werte und Formeln, vielleicht etwas über Statistiksoftware. Viel weniger aber darüber, wo man geeignete Zahlen findet (siehe dazu den Beitrag: "Statistik für den Gelegenheitsnutzer") und wie man sie in eine eigene Arbeit einbaut – und noch weniger darüber, wie man sie kritisch bewertet und wie man sich davor schützt, auf "getürkte" Zahlen hereinzufallen.


"Mit Zahlen lügen" ist der Titel einer Sendung des WDR-Wissenschaftsmagazins Quarks & Co von 2006. Dazu gibt es online ein gut gemachtes Begleitheft (PDF) und eine lohnenswerte Website, die z.B. erklärt, mit welchen Tricks Infografiker arbeiten ("Die schlechtesten Grafiken der Welt"). Die Sendung ist auf YouTube anzusehen (Teil 1, Teil 2, Teil 3 und Teil 4). 

Es ist nicht schwer, sich schnell ein paar Statistiken herbeizugoogeln. Auf den Internetseiten von Presse und Sendern, Verbänden und Instituten, Ämtern und Unternehen, in Blogs und Foren findet sich vieles, was man flugs kopieren kann. Der Haken dabei ist:
  • Das sind meist schon aufbereitete Daten, das heißt, sie stammen aus einer anderen Quelle
  • In der Regel wird die Ursprungsquelle angegeben, aber nicht genau; und es wird auch nicht erklärt, wie die Daten zustande gekommen sind.
  • Wer die Zahlen benutzt, verfolgt damit einen Zweck. Er nimmt sich aller Wahrscheinlichkeiten nur die Zahlen, die zum Zweck passen – und präsentiert sie so, dass sie ihm noch besser dienen. "Halbe Wahrheiten" sind oft das Ergebnis.
  • Besonders problemanfällig sind Befragungen, vor allem aktuelle "Meinungsumfragen". Im Gegensatz zu den meisten "richtigen" Statistiken messen diese keine handfesten Tatsachen, zudem nur durch Stichproben; und Frageformulierungen und Fragekontext sind bei "Umfragen" weit leichter zu manipulieren als z.B. bei den oft ziemlich detailliert und verbindlich geregelten Messungen der öffentlichen Statistik.
Die meisten Studenten ignorieren das leider. Sie gehen nicht zur Ursprungsquelle (z.B. einer amtlichen Statistik) zurück, sondern verlassen sich blind darauf, dass die Vorauswahl stimmt. Sie übernehmen häufig auch die Darstellung, z.B. Grafiken. Das aber kann eine Falle sein.

Besonders problematisch ist es, wenn die Statistikdarstellung aus den Medien stammt. Da verlässt man sich z.B. darauf, dass eine seriöse Tageszeitung schon geprüft hat, ob die Statistik Hand und Fuß hat. Journalisten sind aber notorisch schlecht darin, Statistiken zu beurteilen. Sie sind darin kaum oder gar nicht ausgebildet, sie haben im Alltag keine Zeit und übernehmen vieles von dem, was ihnen irgendwelche PR-Leute liefern. Was halbwegs interessant und plausibel ist, wird gedruckt und gesendet. Eine Woche später möglicherweise eine Statistik, die das Gegenteil besagt. Dazu zucken die Journalisten mit den Schultern. Anders gesagt: Die Medien sind voll mit manipulierten Statistiken.

Weil Statistiken so schön Aussagen belegen, wird in allen Lebenslagen, vor allem aber in Wirtschaft und Politik, "verschleiert, übertrieben und manipuliert", wie die Berliner Zeitung jüngst in dem Beitrag "Die Tücken der Zahlen" festgestellt hat:

"Statistiken sind eine heikle Sache. Einerseits erscheinen Zahlen klar, objektiv und eindeutig. Sie sind Botschafter aus dem Reich der reinen Logik, der Mathematik. Andererseits kann man mit Zahlen verschleiern, übertreiben, manipulieren. Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast, sagt der Volksmund. Gleichzeitig 'glauben viele Menschen an Zahlen, als wären sie eine Religion', sagt der Statistiker Gerd Bosbach. (...) Zahlen sind also gefährlich - aber nicht nutzlos. 'Wer vernünftige Entscheidungen treffen will, kommt um Statistiken nicht herum', so Bosbach. Statistiken zu ignorieren ist daher auch keine Option."

"Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden", heißt ein Buch, das Gerd Bosbach, einst am Statistischen Bundesamt (Destatis) und nun Professor der FH Koblenz, publiziert hat.

Das Buch knüpft nahtlos an einen anderen Bestseller an, der schon Generationen von Studenten begleitet hat: "So lügt man mit Statistik" von Walter Krämer (TU Dortmund) sowie "Statistik verstehen: Eine Gebrauchsanweisung" vom selben Autor.

Die Bücher knöpfen sich die Manipulationen von Grafiken vor, mit denen eine ohnehin fragwürdige Statistik-Aussage noch stärker verzerren lässt. Aber sie zeigen auch auf, wie die Auswahl und Zusammenstellung von Zahlen selbst zu überprüfen ist.

Die Berliner Zeitung greift einige Beispiele aus dem Bosbach-Buch auf: 
Vor zwei Jahren legte die Bundesregierung eine milliardenschwere Abwrackprämie auf. Ziel: Stützung der heimischen Autoindustrie. Im Sommer 2009 hieß es jedoch, Nutznießer der Prämie seien vor allem ausländische Konzerne, allen voran Hyundai. Der koreanische Autobauer hatte seine Verkäufe in Deutschland um 146 Prozent erhöht, bei VW lag das Plus nur bei 26 Prozent. Tatsächlich war es umgekehrt: In absoluten Zahlen lag VW mit 330000 zusätzlich verkauften Autos auf Platz eins der Prämien-Profiteure. Hyundai verbuchte zwar die größte prozentuale Steigerung, verkaufte aber letztlich nur knapp 50000 Autos mehr.
Oder ein Beispiel aus der Sozialpolitik:
So schreckte das Arbeitsministerium die Bevölkerung mit der Meldung auf, zwischen 1991 und 2008 seien die Sozialausgaben von rund 400 auf über 700 Milliarden Euro gestiegen - ein Plus von 75 Prozent! Das stimmt zwar, ist aber nicht weiter verwunderlich, denn in diesem langen Zeitraum sind auch fast alle anderen Ausgaben stark gestiegen. Aussagekräftiger als die absoluten Zahlen ist daher der Anteil der Sozialausgaben an der Wirtschaftsleistung. Und hier zeigt sich: Dieser Anteil lag 2008 bei etwa 28 Prozent und damit so hoch wie 1992. "Wenn die sozialen Probleme größer werden, wir für ihre Bewältigung aber einen stagnierenden Anteil des BIP ausgeben, müsste man eher von einem Abbau des Sozialstaates sprechen als von Wildwuchs", so Bosbach.
Oder aus der Finanzwelt:
In anderen Fällen stehen geldwerte Interessen hinter den Statistiken. Zum Beispiel die der Finanzberater. Bei ihren Berechnungen kann ihnen die Wahl des Zeitraums gute Dienste leisten, um Kunden zu Aktieninvestments zu bewegen. So können sie darauf verweisen, dass der Deutsche Aktienindex in den vergangenen zwei Jahren um 60 Prozent gestiegen ist. Das klingt beeindruckend. Weniger beeindruckend ist hingegen die Wertentwicklung über drei Jahre: minus drei Prozent.
Oder die Bevölkerungsentwicklung:
Mit der Wahl eines geeigneten Zeitraums der Betrachtung kann man auch aus der Alterung Deutschlands eine "Demografie-Bombe" machen. Derzeit kommen auf 100 erwerbsfähige Menschen 34 Menschen über 65 Jahren. Bis 2050 soll dieser Altenquotient auf 65 steigen. Wer deshalb vor einer Demografie-Bombe warnt, "verschweigt, dass sich der Altenquotient von 1950 bis heute auch verdoppelt hat - von 17 auf 34", mahnt Bosbach - ohne eine Katastrophe auszulösen."
Oder Ausländer und Kriminalität:
Anfällig für Missbrauch sind Ausländer-Statistiken. So liegt der Anteil der Ausländer an den Kriminellen stets höher als bei Inländern. Sind Ausländer also per se krimineller? Wohl kaum, so Bosbach. Dass mehr Ausländer kriminell sind als Inländer, bedeute nicht, dass der Grund dafür in ihrem Ausländer-Dasein liegt. So sind Migranten im Schnitt jünger als Deutsche - und Kriminalität ist stets ausgeprägter bei jungen Menschen. Auch ist der Anteil der Männer bei Ausländern höher - wie bei allen Kriminellen. Zudem leben Migranten häufiger in Großstädten und sind eher arm - beides Merkmale, die bei Straftätern öfter auftreten als im Durchschnitt.
Da denkt man dann auch gleich an die Kontroverse um das mit vielerlei Statistiken gewürzte Buch "Deutschland schafft sich ab" von Thilo Sarrazin. Seine Zahlenspielereien waren die ultimative Statistikdebatte im Jahr 2010 – wobei zu betonen ist, dass der Medien-Krawall vor allem durch die Schlussfolgerungen ausgelöst wurde, die sehr viel mit Grundwerten und politischer Richtung zu tun hatten.

Das alles heißt nun nicht, dass man auf Statistik verzichten sollte. Der ganz oben gegebene Rat, gezielt nach Zahlen zu suchen, gilt. Allerdings:
  • Gehen Sie mit Zahlen genauso vorsichtig und distanziert um wie mit Texten: Zahlen sind nicht per se "wahr", genauso wenig wie Behauptungen in einem Text.
  • Bei Sekundärquellen gehen Sie möglichst zur Ursprungsquelle zurück. Amtliche Statistiken und wissenschaftliche Studien sind (in der Regel) verlässlichere Quellen.
  • Lesen Sie das "Kleingedruckte" und versuchen Sie zu verstehen, wie die Daten erhoben und bearbeitet wurden.
  • Achten Sie auf die typischen "Tricks" – Auswahl der Merkmale, des Zeitraums usw. – und bei Grafiken, ob zu stark vereinfacht oder verzerrt wurde.
  • Stellen Sie die Frage, warum jemand eine Statistik präsentiert, und bringen Sie das ggf. auch in Ihrem Text unter, wenn Sie die Zahlen zitieren.
  • Suchen Sie gezielt nach anderen Interpretationen. Beispiel: Sie haben zum Arbeitsmarkt Zahlen vom WSI-Forschungsinstitut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung und checken das gegen beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft Köln, bei der Bundesagentur für Arbeit, bei Destatis oder Uni-Wissenschaftlern oder anderen Forschungsinstituten, die sich mit Arbeitsmarktpolitik beschäftigen. Hilfreich kann dabei das ThinkTankDirectory sein, ein Verzeichnis von Denkfabriken.
Siehe auch: 
Blogbeitrag: "Statistik für den Gelegenheitsnutzer"

25. Januar 2011

Die Zahl der zitierten Quellen

"Welche Anzahl an Büchern muss zitiert werden?", lautet eine Originalfrage eines Studenten.

"Ihnen wird die Antwort nicht gefallen", sagt der Computer in Per Anhalter durch die Galaxis. Die Ultimative Antwort: 42.

Auf unsinnige Fragen gibt es eben unsinnige Antworten, murmelt der Wissenschaftler... Aber Scherz beiseite, für Studenten ist das praktisch relevant. Sie wissen (oder ahnen zumindest), dass eine zu schmale Literaturgrundlage zu schlechter Bewertung führt. Aber wieviel ist nun "genug"? Oder "gut"? Oder "sehr gut"?

Die korrekte Antwort ist leider nicht viel besser als "42" – nämlich: "Das hängt davon ab." Vom Anspruch der Arbeit und dem Abschlussniveau (Bachelor, Diplom, Master), von der Literaturlage (wieviel und was ist zu einem Thema überhaupt erschienen), vom Untersuchungskonzept der Arbeit.

Richtig ist, dass Gutachter auf den Umfang des Quellen- und Literaturverzeichnisses schauen. Bei einer Bachelorarbeit mit nur fünf belegten Quellen zieht sich die Stirn des Professors zusammen. 15-20 darf man bei den meisten Themen schon erwarten, vielleicht aber auch 30, 40, 50. Je nachdem.

"Ich soll 50 Bücher durchlesen?! Ich bin doch nicht verrückt!" Das verlangt auch niemand. Auch aus Büchern nimmt man sich nur das, was man wirklich braucht: ein Kapitel, vielleicht nur eine Seite.

Zudem: Es geht es keineswegs nur um "Bücher". Ein Kandidat kann in seiner Arbeit möglicherweise gar kein Buch zitieren und trotzdem eine erstklassige Bewertung nach Hause tragen – weil seine anderen Quellen so gut und umfangreich sind.

Ein 5-Seiten-Artikel aus einer Zeitschrift kann für ein Thema viel besser sein als ein ganzes Buch, weil er genau zur Fragestellung der Thesis passt, während die verfügbaren Bücher das Thema nur am Rande erwähnen. Oder weil er brandaktuell ist, während die verfügbaren Bücher, auch und gerade "Standardwerke" (die in 17. Auflage), veraltet sind.

Wenn Sie eine Handvoll solcher perfekt passenden Aufsätze haben, ist das vielleicht alles, was Sie brauchen. Sie müssen Sie nur finden. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden Sie aber einen Mix von Quellen haben – einige sehr passgenau und ergiebig, viele begrenzt brauchbar, einige so lala bis fast irrelevant. Einige Bücher darunter und einige Nicht-Bücher.

Die Kritik an der Frage richtet sich also auf das Missverständnis, dass die ultimative Quelle ein Buch ist.

Der gefühlte Goldstandard

Sicher, (wissenschaftliche) Bücher sind für eine studentische Abschlussarbeit zunächst einmal der gefühlte Goldstandard, man wähnt sich auf der sicheren Seite:
  • Sie sind im Bibliothekskatalog und -regal bequem zu finden.
  • Profs verweisen gern und häufig auf "Standardwerke", die man kennen und benutzen soll.
  • Autoritäten zwischen Buchdeckeln sind uneingeschränkt zitierfähig und zitierwürdig. 
  • Bücher werden auch von anerkannten Fachautoren besonders viel zitiert.
  • Und wenn man nicht gerade eine hochspezielle Doktorarbeit oder Habilitationsschrift erwischt, ist die Chance groß, dass sich das Buch an ein breiteres Publikum richtet, also halbwegs verständlich ist.

Mit "Büchern" war bei der Frage vermutlich in erster Linie (wissenschaftliche) Sekundärliteratur gemeint. Ein Jurist beispielsweise arbeitet vorwiegend mit (Primär-) Quellen wie Gesetzestexten und Gerichtsurteilen plus Sekundärliteratur, also Fachtexten über die (Primär-) Quellen. Ein Betriebswirt mag als (Primär-) Quellen Zahlen, Daten, Fakten, Berichte eines Unternehmens ansehen und zieht zusätzlich Sekundärliteratur heran, z.B. über die Branche, über Unternehmensfunktionen und Tätigkeitsbereiche (etwa Marketing, Personalwesen oder Controlling).

Vor allem Bachelor-Abschlussarbeiten arbeiten fast ausschließlich mit Sekundärliteratur, weil der wissenschaftliche Anspruch etwas geringer ist (siehe dazu den Beitrag: "Bachelor- und Masterarbeiten: der kleine, große Unterschied"). Bei einer BA-Thesis ist es auch akzeptabel, dass ein größerer Teil des Literaturverzeichnis aus Lehrbüchern und anderen Einführungswerken besteht, also Sekundärliteratur in Form von nicht allzu speziellen Monographien, und sogar Tertiärliteratur (Lexika, Handbücher usw.).

Ist der wissenschaftliche Anspruch größer (Diplom- und Masterarbeit), desto wichtiger sind, allgemein gesprochen:
  •  Primäre Quellen, d.h. Informationen am Ursprungsort, noch nicht von Experten und Wissenschaftlern gesammelt, analysiert und interpretiert;
  • spezielle Sekundärliteratur, also hochgradig spezialisierte Monographien (keine Lehr- und Einführungsbücher), die für Experten und nicht für junge Studis geschrieben werden;
  • und aktuelle Sekundärliteratur, die "den Stand der Forschung" wiedergibt; also z.B. aktuelle wissenschaftliche Aufsätze in einer Fachzeitschrift oder in Sammelbänden (die oft aus Tagungen entstehen), oder Studien oder Diskussionspapiere von Instituten und Fachgesellschaften.
Bücher sind aus dieser Sicht schon deshalb problematisch, weil sie schnell veraltet sind. Ein Buch zu schreiben, dauert lange; es zu veröffentlichen und zu verkaufen, auch. Den aktuellsten Stand der Forschung findet man daher eher nicht in den Büchern, die eine Hochschulbibliothek im Regal stehen hat. Schon gar nicht in der vertrauten Lehrbuchsammlung. 

Die Nicht-Bücher sind aber auch viel schwieriger zu finden, zu verstehen und zu benutzen. Die Recherche ist anspruchsvoller. Wohlgemerkt, es geht hier nicht um schnelles Herbeigoogeln beliebiger Internetseiten, sondern um wissenschaftlich taugliche Quellen.


Wenn Bücher kaum eine Rolle spielen: Empirische Arbeiten 

In den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften dominieren zwei Arten von Abschlussarbeiten: Literaturstudien und empirische Studien. Bei der ersten Gattung dreht sich alles, wie der Name schon sagt, um die Aufarbeitung der Fachliteratur zu einem Thema (oft eher theoretisch orientiert). Da werden dann ganz sicher auch viele Bücher genutzt, und die Diskussion der Bücher steht im Mittelpunkt.

Bei der zweiten Gattung untersucht die Kandidatin dagegen selbst empirisch, d.h. sie sammelt selbst die Informationen, z.B. durch Beobachtung, Befragung, statistische Erhebung oder Dokumentenrecherche. Sekundärliteratur dient dann nur dazu, ein Konzept für die eigentliche Untersuchung zu begründen. Vielleicht vergleicht die Autorin ihre Ergebnisse noch mit denen einer anderen Studie. Bücher werden daher eine untergeordnete Rollen spielen.

Ein Beispiel. Zugegebenermaßen ein eher extremes, was die Zahl der Quellen angeht. Ich hatte gerade eine ziemlich gute Master's Thesis mit einem hohen forscherischen Eigenanteil auf dem Schreibtisch. Das Thema drehte sich um ein EU-Gesetzgebungsverfahren.
  • Die Autorin hat sich dafür in die Datenbanken gestürzt und rund 160 Quellen belegt.
  • ...davon gut 40 Dokumente aus den an der Gesetzgebung beteiligten Institutionen und über 100 Dokumente von Unternehmen und Verbänden (Positionspapiere, Stellungnahmen, Pressemitteilungen, Redeskripte und vieles mehr), außerdem Medienberichterstattung. Diese Dokumentenanalyse war der methodische Kern der Arbeit. 
  • Hinzugezogen hat sie eine Handvoll an wissenschaftlichen Texten, aber da das Thema so aktuell war, gab es zum Speziellen nicht viel. Die wissenschaftlichen Aufsätze und Bücher dienten vorrangig dazu, den Forschungsansatz zu begründen und einen Rahmen für die Analyse und Interpretation der Dokumente aufzubauen. Insgesamt waren das rund 25 Texte der Sekundärliteratur, davon vielleicht 2 Monographien, ein Dutzend Aufsätze aus Sammelbänden, der Rest Aufsätze aus Fachzeitschriften oder separat erschienene Studien. 
Das klassische "Buch", nämlich die Monographie eines Einzelautors, spielte also in dieser Thesis so gut wie keine Rolle. Auch die Bücher, die eine Sammlung von Aufsätzen darstellen, sind nur begrenzt wichtig. Die Frage von ganz oben, "Welche Anzahl an Büchern muss zitiert werden?", ist hier marginal. Der Dreh- und Angelpunkt der Untersuchung sind die primären Quellen, alles keine Bücher.

Wieviel ist genug?


Zurück zur Ausgangsfrage. Wieviel "genug" oder "gut" ist, kann Ihnen in Zahlen niemand sagen. Das entscheidet sich nach der inhaltlichen Qualität und Passgenauigkeit, mithin nach dem Erfolg Ihrer Recherche und dem Thema. Wenn Sie Glück haben, finden Sie schnell Quellen mit hoher Güte. 10 großartige, aussagekräftige Quellen sind besser als 50, die nur am Rande mit Ihrem Thema etwas zu tun haben. Aber das kann man vorher nicht wissen.

Schließlich kommt es darauf an, was Sie daraus machen. Manchmal haben Studenten Angst, dass Sie nicht genug Material zu einem Thema finden. Andere davor, dass sie zuviel finden. Es macht Ihre Thesis sicher nicht besser, wenn Sie Berge von Material auftürmen, die Sie nicht mehr bewältigen können. Weniger ist oft mehr.

Am Ende werden Sie nicht nach der schieren Quantität Ihrer Quellen bewertet, sondern nach Tiefgang in Darstellung und intelligenter Auswertung. Struktur und pointierte Aussagen zählen mehr als das kommentarlose Aneinanderreihen von Zitaten. Man kann also mit der Literatursuche viel Zeit verplempern, die besser in eine Auseinandersetzung mit der bereits gefundenen Literatur investiert wäre.

Eigentlich gibt es nur eine gültige Daumenregel, und sie bezieht sich nicht aufs Minimum, nicht aufs Optimum, sondern aufs Maximum. Wenn Sie bei einer hoffentlich gründlichen und systematischen Recherche und Lektüre merken, dass Sie nichts Neues mehr dazulernen oder sich das Altbekannte ständig wiederholt, dann sollten Sie mit dem Hinzufügen neuer Literatur aufhören.

Ökonomen sprechen hier vom "abnehmenden Grenznutzen" (1. Gossensches Gesetz). Sie können zwar ewig weiter nach Literatur suchen, aber mit jedem Text, den Sie jetzt noch finden, nimmt der Ertrag ab, den Sie davon noch haben. Anders gesagt, "Vollständigkeit" der Recherche kann nicht das Ziel sein. Man kann sich auch totrecherchieren. Eine Abschlussarbeit muss auch in dieser Hinsicht nicht perfekt sein; nur fertig werden muss sie.

Abschlussarbeit zu zweit?

"Besteht die Möglichkeit, eine Abschlussarbeit zu zweit zu schreiben – und wäre dies sinnvoll?", fragt mich ein Student.

Wie es geregelt wird

Der erste Teil der Frage ist noch relativ leicht - und positiv - zu beantworten. In den Prüfungsordnungen gibt es dazu fast immer eine klare Regelung. Beispielsweise heißt es in den Musterprüfungsordnungen der BA- und MA-Studiengänge an der TH Wildau: Die "Thesis kann auch in Form einer Gruppenarbeit erbracht werden, wenn der als Prüfungsleistung zu bewertende Beitrag des einzelnen Kandidaten aufgrund der Angabe von Abschnitten, Seitenzahlen oder anderen objektiven Kriterien, die eine eindeutigeAbgrenzung ermöglichen, deutlich unterscheidbar und bewertbar ist ". Außerdem: "Eine Gruppenarbeit ist auf maximal zwei Kandidaten beschränkt." Diese Regelung ist an den meisten Hochschulen ähnlich formuliert.

In jedem Fall müssen Sie also so planen, dass am Ende abgrenzbare Teile herauskommen, über denen jeweils nur ein Name steht. Und mehr als ein Duett wird daraus ohnehin nicht (anders als z.B. oft bei Seminarhausarbeiten).

Das mit der Abgrenzung klingt leichter, als es ist. Bei Teamarbeit geht es ja nicht nur um Arbeitsteilung, sondern um Zusammenarbeit. Während sich auf viele Seiten nur einer von zwei Namen schreiben lässt, sind die Grundlagen, die Recherche- und Konzepttätigkeiten bei einer Thesis oftmals wirklich Teamsache. Oder einer von zweien hat hier überproportional viel geleistet, ohne dass das im Text sichtbar wird.

Dass gemeinsam eingereichte Arbeiten auch ein gemeinsames Projekt sind, wissen Profs natürlich auch. Und wenn es nicht haarsträubende Unterschiede zwischen den Teilen einer Abschlussarbeit gibt, werden sich die Gutachter bemühen, möglichst ähnlich zu benoten.

Ob es sinnvoll ist

Die Frage nach dem Sinn hat viele Aspekte. Die positiven Seiten:
  • Sie können ein komplexeres und umfangreicheres Thema bearbeiten, wenn Sie arbeitsteilig vorgehen. Was einer allein nicht schaffen kann, können zwei durchaus stemmen.
  • Zwei Köpfe wissen mehr als einer und produzieren mehr Ideen. Es ist immer ein Sparringpartner da, um Ideen abzuklopfen, Konzepte zu entwickeln, Probleme zu diskutieren. Das kann die eigene Produktivität und Kreativität erhöhen. In der Schreibphase hat man immer einen Lektor, der Texte kritisch und sachkompetent gegenliest.
  • Teamarbeit verhindert Isolation in der Abschlussphase (damit haben viele Studenten zu kämpfen). Man motiviert, diszipliniert und stützt sich gegenseitig.
Allerdings gibt es auch Risiken:
  • In einer entscheidenden Phase des Studiums ist Ihr Erfolg an den Erfolg des Partners gekoppelt. Erfüllt Ihr Partner Ihre Erwartungen und das in ihn gesetzte Vertrauen nicht, haben Sie zusätzliche Probleme am Hals. Es kann zu Enttäuschungen, zu Streit und Zerwürfnissen kommen. Sie stehen beide unter Druck. Das kann eine freundschaftliche Beziehung auch unter Stress setzen. Wer damit nicht so gut umgehen kann, wird sich möglicherweise schnell fragen, ob die Zusammenarbeit der größte Fehler des Lebens war. Statt sich gegenseitig zu helfen, blockieren Sie sich gegenseitig. Möglicherweise haben Sie sehr unterschiedliche Vorstellungen von Konzept, Inhalt und Ziel der Arbeit. Arbeitweisen und Arbeitstempo können unterschiedlich sein. Oder der eine ist ambitionierter als der andere. Die eine geht im Thema auf, die andere findet es mühsam und sperrig. Möglicherweise ist die Arbeitsteilung nicht gut gelungen. Die eine schreibt viel, der andere wenig usw. Schließlich kann es noch externe Umstände geben: ein Unfall, ein Familien- oder Beziehungsdrama oder anderes, was den Partner aus der Bahn wirft – unverschuldet zwar, aber eben auch für Sie eine Belastung.

  • Inhaltlich kann die Arbeitsteilung dazu führen, dass die Thesis nicht "aus einem Guss" ist. Der rote Faden geht verloren, die Argumentation wird unklar, die Arbeit zerfällt in mehrere Teile, die zu wenig aufeinander abgestimmt sind. Hier ist ein erheblicher Mehraufwand für die Textredaktion einzuplanen – das sind Studenten oft nicht gewohnt.
Das will sorgsam bedacht sein. Mit dem besten Kumpel oder der Herzblatt-Freundin ein gemeinsames Projekt zu bearbeiten, kann viel Freude machen und ein herausragendes Ergebnis produzieren. Oder eben persönlich wie inhaltlich zu Problemen führen, die man allein nicht hätte. Manchmal täuscht man sich eben im Partner – aber das ist auch im Arbeitsleben so.

Vertrauen ist gut, offene Kommunikation und etwas Kontrolle, sprich Verbindlichkeit in allen Absprachen und regelmäßige Überprüfung, sind besser.

Das wissen die meisten Studenten auch. Während des Studiums sind Lerngruppen und Teamprojekte oft beliebt. Kooperatives Lernen ist wertvoll. Beim letzten großen Projekt gehen die meisten aber lieber den eigenen Weg allein.

Im Zweifel wäre mein Rat: Wenn Sie mit jemandem zusammenarbeiten wollen, stimmen Sie sich über das Thema eng ab und planen die Kooperation (und, ganz wichtig, informieren Sie Ihre Betreuer über die Zusammenarbeit), aber melden Sie getrennt Ihre Themen an. So ist jeder klar für sich selbst verantwortlich. Das ist eine eindeutige "Geschäftsgrundlage". Auf der Basis lässt sich die Zusammenarbeit besser steuern.

24. Januar 2011

Übungstests sind besser als Büffeln

"To really learn, quit studying and take a test", schreibt die New York Times über eine neue wissenschaftliche Studie. Im Vergleich zum klassischen Büffeln und Auswendiglernen, aber auch im Vergleich zu aktiven Lernmethoden wie dem "Concept Mapping", zeigte sich: Bei Übungstests bleibt mehr hängen.

Psychologen der Purdue University haben mehrere Lernmethoden verglichen. Am besten schnitten dabei Übungstests ab. Solche Tests sind also nicht nur passive Abfragemethoden, um den Wissensstand festzustellen, sondern unterstützen das Lernen.

Eine mögliche Erklärung für den Erfolg der Übungstest-Methode: Wer sich testen lässt, erkennt leichter seine Wissenslücken, setzt sich anders mit den Fragen auseinander, speichert und organisiert sein Wissen anders – es wird leichter "abrufbar".

In einem zweigeteilten Experiment lasen 200 Hochschüler einen naturwissenschaftlichen Text und mussten eine Woche später dazu Fragen beantworten. Diejenigen, die sich bereits vorher einem Übungstest unterzogen hatten, sammelten im Vergleich zu den anderen Studenten eine bis um die Hälfte bessere Punktzahl (siehe Abbildung links, Quelle). Die anderen Lernmethoden waren klassisches "Büffeln", also Lesen und Einprägen, und das von modernen Pädagogen gern genutzte Concept Mapping, bei dem Studenten sich die zu lernenden Inhalte mit selbsterstellten Diagrammen (z.B. Mind Maps) aneignen und Zusammenhänge grafisch darstellen sollen. Das Mapping wird vor allem von Lerntheoretikern empfohlen, die sagen, Studenten sollen nicht auswendiglernen, sondern ihr Wissen selbst aktiv konstruieren, indem sie es begründen und auf kreative Weise darstellen (sog. "Konstruktivismus"-Theorie).

Interessant auch, dass die Studenten in der ersten Lernrunde eine Voraussage abgeben sollten, wie gut sie bei der Prüfung abschneiden würden. Das Ergebnis der Prognose war das genaue Gegenteil der tatsächlichen Prüfungsergebnisse: Diejenigen, die einen Übungstest ablegten, schätzten ihren späteren Erfolg viel schlechter ein als diejenigen, die statt des Übungstests auf andere Weise gelernt hatten.

Eine Erklärung dafür: Wer sich einem Übungstest unterzieht, macht dabei nicht unbedingt positive Erfahrungen – es ist mühsam, man kämpft sich durch, und es fühlt sich nicht so an, als lerne man dabei etwas. Tatsächlich sorgen auch die Fragen, zu denen man nicht sofort eine Antwort weiß, real für einen Lerneffekt.

Was heißt das nun praktisch für Studierende?
  • Lehrbücher enthalten meist Übungsfragen. Nicht ignorieren, sondern bearbeiten.
  • begleitende Internetseiten (companion websites), die von den Lehrbuchverlagen angeboten werden, enthalten oft ein Übungs-Quiz zu den Kapiteln des Lehrbuchs. Mehrmals durchackern.
  • Übungsaufgaben, die der Dozent anbietet, lösen und wiederholen.
  • Mit einer Arbeitsgruppe einen eigenen Test entwerfen und sich gegenseitig abfragen.
  • Wenn alte Klausuren verfügbar sind: nicht nur ansehen, sondern die Aufgaben selbst lösen.
  • Im Internet nach Übungstests suchen.

12. Januar 2011

Formaler Aufbau einer Abschlussarbeit

Eine häufige Frage von Studenten: "Wie baut man eine Abschlussarbeit formal richtig auf?" Damit ist nicht die inhaltliche Gliederung gemeint. Vielmehr geht es um die typischen Teile einer wissenschaftlichen Arbeit. Ihre Gutachter werden bei der Bewertung als erstes prüfen, ob diese Grundelemente einer wissenschaftlichen Arbeit vorhanden sind und ob sie an der richtigen Stelle eingefügt wurden.

Die Antwort ist eigentlich ganz simpel: Der Textteil besteht aus Einleitungsteil, Hauptteil, Schlussteil. Dazu kommen vorne Deckblatt mit Titel, Abstract, Inhaltsverzeichnis, weitere Verzeichnisse (Abkürzungen, Abbildungen, Tabellen), ggf. ein Vorwort (nicht zu verwechseln mit der Einleitung) und hinten Literatur- und Quellenverzeichnis sowie Anhänge (z.B. einzelne Dokumente, Statistiken, Fragebögen und Interviewleitfäden als Erhebungsinstrumente). Die Reihenfolge ist fast immer genau so wie hier angegeben. Die meisten Hochschulen veröffentlichen dazu auch eine Anleitung und ein Formular bzw. eine Vorlage, insbesondere für das Deckblatt mit der "Titelei" (alles, was vor dem eigentlichen Textteil kommt).

Die meisten Hochschulen verlangen überdies eine "ehrenwörtliche Erklärung", dass sie die Arbeit nur auf Basis der angegebenen Quellen verfasst und an keiner anderen Hochschule als Prüfungsarbeit eingereicht haben – in einem vorgeschriebenen Wortlaut.

Informieren Sie sich also zunächst, was die Prüfungsordnung in Ihrem Studiengang formal vorschreibt. Erst dann konsultieren Sie in Ratgeberbüchern oder Internetportalen zum wissenschaftlichen Schreiben über alles andere.

Wichtig ist zu verstehen, dass jeder Teil einer wissenschaftlichen Arbeit eine bestimmte Funktion hat. Jeder Teil leistet etwas anderes. So sollte man die verschiedenen Verzeichnisse klar auseinanderhalten, Vorwort und Einleitung nicht verwechseln, die Bedeutung der Einleitung klar verstehen und vom Hauptteil abgrenzen usw.

Die formale Gliederung (nicht die inhaltliche) kann unterschiedlich erfolgen, hier gibt es von der Hochschule meist keine Vorschriften. Bei kurzen Belegarbeiten ist eine formale Gliederung oft verzichtbar, hier reichen Überschriften aus. Bei längeren Arbeiten, also praktisch allen Abschlussarbeiten, ist es dagegen sinnvoll, eine echte formale Gliederungsordnung zu haben, die die Hierarchie aller Textabschnitte deutlich macht. Sie kann numerisch (nur Ziffern, z.B. 1), 2), 3) oder I., II., III. oder 1, 1.1, 1.1.1 usw.) und alphanumerisch (Buchstaben und Ziffern, z.B. 1), a), i) oder I., A., 1.) erfolgen. Die numerische Klassifikation mit 1., 1.1, 1.1.1 usw. ist inzwischen die am häufigsten verwendete. Bei der Textverarbeitung Microsoft Word nutzen Sie dafür die Menüfunktionen „nummerierte Liste“ und „Liste mit mehreren Ebenen“.

Weitere Blogbeiträge:

11. Januar 2011

Ein Thema finden

Manche Studenten wissen schon mehrere Semester im voraus ganz genau, über welches Thema sie ihre Abschlussarbeit schreiben wollen. Für die meisten ist das eher ein schwieriges Unterfangen. Patentlösungen gibt es dafür natürlich nicht.

Mancher blättert erst einmal in alten Kursunterlagen. Ratgeberbücher zum wissenschaftlichen Arbeiten empfehlen gern Brainstorming, Mind-Mapping und diverse Kreativitätstechniken. Man kann aber auch Lektüre empfehlen, ein paar Stunden in der Bibliothek (auch in der Abteilung für Abschlussarbeiten) oder das Durchforsten von Internetportalen, auch von Anbietern von Abschlussarbeitensammlungen.

Wenn Sie schon eine Liste möglicher allgemeiner Themen haben, hier einige handfeste Tipps zur Entscheidung bzw. Erstellung einer "shortlist".

Interesse und Motivation: Das Thema sollte Sie so interessieren, dass Sie damit mehrere Monate ohne persönliche Quälerei verbringen können. Die Abschlussarbeit bringt oft schwierige Umstände mit sich, man arbeitet überwiegend allein, muss sich selbst motivieren und knifflige Probleme lösen. Dann hilft es sehr, wenn man das Thema wirklich mag und einen persönlichen Bezug dazu hat.

Zeitfaktor: Das Thema soll in der zur Verfügung stehenden Zeit sinnvoll, gründlich und solide zu bearbeiten sein. Dabei gibt es natürlich Unterschiede zwischen Bachelor- und Masterarbeiten. Das können Sie oft nicht selbst beurteilen, hier hilft nur Beratung durch den Betreuer.

Das Thema soll mit einer auch zeitlich passenden und den methodischen Fähigkeiten des Studenten entsprechenden Methode zu bearbeiten sein. So ist es ziemlich aussichtslos, eine quantitativ angelegte Befragung von 500 Personen sauber durchzuführen und auszuwerten, wenn man nur zwei Monate Zeit für eine BA-Thesis hat und noch nie eine längere Lehrveranstaltung zur empirischen Sozialforschung belegt hat. Mit Unterstützung des Betreuers kann man natürlich auch eine neue Methode anwenden, aber auch zum Kennenlernen der methodischen Finessen braucht man Zeit.

Sie sollten inhaltliche Vorkenntnisse mitbringen. Je weniger Sie über das Thema wissen, desto steiler ist die Lernkurve. Man kann sich vieles anlesen, aber die Einarbeitung kostet Zeit, und man kann sich dabei überfordern. Was ist, wenn Sie auf halbem Weg feststellen, dass Sie viel zu wenig Vorkenntnisse haben? Das frustriert möglicherweise.

Das Thema Ihrer Abschlussarbeit gibt Ihnen berufliches Profil auf dem Lebenslauf, bei einer Bewerbung macht es Sie für künftige Arbeitgeber interessant. Wenn Sie also ein klares Berufsziel vor Augen haben, sollte das Thema passen. Es sei denn, Sie entscheiden sich bewusst dafür, etwas völlig anderes zu bearbeiten – überlegen Sie sich das gut.

Studenten suchen meist nur "ein Thema". Professoren aber beharren darauf, dass Sie nicht nur ein "Thema" brauchen, sondern eine Fragestellung. Das Thema ist der weit gefasste inhaltliche Gegenstand, mit dem sich eine Studie befasst (mehr oder weniger konkret). Eine Fragestellung ist dagegen ein Problem, das besser verstanden oder gelöst werden muss: Die Frage, die Sie mit Ihrer Arbeit beantworten. Daraus ist ein Untersuchungsziel zu entwickeln: die wichtigste Absicht oder der Zweck: Was wollen Sie erreichen? Dann entstehen die Forschungsfragen (immer mehrere): Fragen, die man in der Studie beantworten will. Wobei Haupt- und Nebenfragen zu unterscheiden sind. Bei der "Operationalisierung" schließlich geht es um das Zerlegen in viele Detailfragen, die Sie Schritt für Schritt bearbeiten können.


Die größeren Schwierigkeiten macht nicht das Thema an sich, sondern dass, was darauf folgt: nämlich die Schritte vom Allgemeinen zum Spezifischen der Abschlussarbeit. Dabei werden Sie schnell merken, dass sich alles um die Eingrenzung des Themas (was bearbeite ich nicht?) dreht und das Konzept für die Untersuchung ("Forschungsdesign").

Ein Beispiel: Ein Student im Wildauer Studiengang "Verwaltung und Recht" möchte sich mit Personalveränderungen in unteren Verwaltungsbehörden Brandenburgs beschäftigen. Schönes Thema, er hat einen persönlichen Zugang dazu, es ist aber noch sehr allgemein. Was könnte die Fragestellung sein? Konkret entwickelt er: Das Problem des Führungskräftemangels als Ergebnis der Personalveränderungen in unteren Verwaltungsbehörden Brandenburgs. Sein Untersuchungsziel? Zu untersuchen, wie es zum Führungskräftemangel kommt und welche Möglichkeiten es im Personalmanagement gibt, das Problem zu begrenzen oder zu lösen. Jetzt beginnt er, einen Katalog möglicher Einzelfragen zu schreiben: u.a. wie zeigt sich der Führungskräftemangel? Wo? Wann? Unter welchen Bedingungen? Was ging ihm voraus, war er voraussehbar? Welche Folgen hat er? Wie kritisch sind die Folgen für das Funktionieren der Verwaltung? Wie wurde darauf reagiert? Welche Alternativen werden diskutiert?...

Er grenzt also erst einmal das inhaltliche Gebiet ein, dass er bearbeiten möchte. Er sucht nach einem konkreten Problem, einem Konflikt oder Dilemma – etwas, was eine Lösung benötigt. Dann versucht er das an Belegen aus der Literatur oder aus der Praxis festzumachen. Er stellt sich die Frage:  Was wissen wir noch nicht darüber? Was fehlt in der Literatur? In der Praxis? Was sollten wir noch wissen? Und er überlegt sich, was das Ergebnis seiner Untersuchung bringen soll – und wem. Er hat nämlich eine recht konkrete Zielgruppe vor Augen, für die die Abschlussarbeit ein paar Erkenntnisse produzieren könnte. In diesem Fall den Personalverantwortlichen und Leitern der Behörden, die er untersuchen möchte.

Eine Abschlussarbeit wird auch Thesis genannt. Das ist eigentlich ein ganz guter Begriff.  Eine "These" beschreibt nicht einfach das Thema oder eine Beobachtung, sondern präsentiert eine Vermutung, Behauptung, Prognose, Sichtweise, Meinung, Idee, Problemlösung, um die man streiten kann, die Argumente braucht und die verteidigt werden muss. Haben Sie eine "These"? Dann können Sie diese auch untersuchen.

So mancher hat diffuse Vorstellungen, welcher Themenbereich interessant wäre. Man muss aber die anderen Schritte auch gehen, in Gedanken durchspielen. Diskutieren Sie das im Gespräch mit dem Betreuer Ihrer Wahl!

Manche Studenten machen es sich einfach und wählen den Weg des (vermeintlich) geringsten Widerstands. Sie wählen ein "Standardthema" aus einem Lehrbuch oder aus einer Vorlesung. Die Wahl eines Themas für eine Abschlussarbeit ist aber sehr persönlich und bietet die Chance, ein Projekt für sich selbst zu wählen und sich beruflich Profil zu geben. Manchmal braucht man Mut, um ein unbekanntes Terrain zu erforschen. Wenn die Motivation stimmt, lassen sich die meisten Themen auch bearbeiten.

Literatur- und Quellenverzeichnis

"Was gehört in ein Literatur- oder Quellenverzeichnis?", fragt eine Studentin.

Fangen wir mal damit an, was nicht hineingehört. Ein solches Verzeichnis ist keine Leseliste, keine Aufzählung aller möglichen Werke, die etwas mit dem Thema zu tun haben; und auch keine Liste aller Literatur, die die Autorin gelesen oder durchgesehen oder einfach nur "gefunden" hat.

Das Verzeichnis listet ausschließlich die tatsächlich verwendeten, d.h. die in einer Arbeit (direkt oder indirekt) zitierten Quellen auf. Oder anders herum formuliert: Was nicht im Verzeichnis steht, darf man im Text der Arbeit auch nicht verwenden.


Auf Englisch wird ein solches Verzeichnis daher mit "References" überschrieben. Das sind also alle Bezugsstellen, auf die eine Autorin verweisen muss, weil sie sie irgendwo verwendet hat.

Wer keine Fußnoten mit vollständigen bibliographischen Angaben (Vollbeleg) verwendet, sondern Im-Text-Zitation mit Kurzbeleg (z.B. Müller, 2006, S. 34), muss zwingend ein solches Verzeichnis haben. Denn Kurzbelege sind nur ein Verweis aufs Literatur- und Quellenverzeichnis. Fußnoten mit Vollbelegen enthalten dagegen alle Infos über die Quelle. Gewöhnlich wird aber auch in einer Arbeit mit Fußnoten-Vollbelegen ein Verzeichnis verlangt. Die Quellen wurden zwar schon belegt, sie liegen dann zwar doppelt vor, das Verzeichnis ist aber auch eine übersichtliche Darstellung der recherchierten, verwendeten Quellen. Das erleichtert dem Leser bzw. Gutachter die Beurteilung der Gesamtquellenbasis.

Selbstverständlich ist, dass Quellenbelege in der Arbeit (egal, ob Kurz- oder Vollbeleg) und hinten im Verzeichnis identisch sein müssen. Daher unbedingt auf Jahreszahlen, Schreibweisen, Seitenangaben usw. achten.

Wer ausschließlich mit Literatur arbeitet, kann das Verzeichnis "Literaturverzeichnis" nennen. Es gibt aber auch Quellen, die keine Literatur sind. Dann ist die Bezeichnung "Literatur- und Quellenverzeichnis" besser. Oder einfach "Quellenverzeichnis", das trifft beides.

Manchmal bietet es sich an, die Quellen nach Rubriken zu ordnen, z.B. Lehrwerke, Aufsätze, Presseartikel u.a. Das ist allerdings nur selten wirklich notwendig und erleichtert auch nicht gerade das schnelle Nachschlagen von Kurzbelegen. Sinnvoll ist das Trennen vor allem dann, wenn Sie viele Originaldokumente (Primärquellen) verwendet haben, z.B. Pressemitteilungen von Unternehmen oder parlamentarische Drucksachen. Gesetzestexte und Gerichtsurteile werden normalerweise separat aufgelistet.

Eher eine Unsitte ist die Rubrik "Internetquellen". Vor einem Jahrzehnt war das vielleicht noch sinnvoll, als Studenten nur gelegentlich etwas aus dem Web zogen. Heute wird eine Vielzahl von Quellen aus dem Netz gefischt. Unter der Rubrik "Internetquellen" finden sich dann Unmengen von Quellen, die nichts miteinander gemein haben außer der Fundstelle Internet. Darunter sind dann sowohl Zeitschriftenaufsätze als auch Google-Books-Ausschnitte oder reine Internetseiten oder Datenbankabfragen oder Online-Ausgaben von Zeitungen. Das ist nicht sinnvoll, man sollte auf die Rubrik verzichten und die Internetquellen anders einordnen (oder eben gar nicht rubrizieren).

Wesentlich für ein Literatur- und Quellenverzeichnis ist, dass die bibliographischen Angaben vollständig sind. Dafür gibt es klare Regeln (Zitationsregeln), wobei diese bei unterschiedlichen Zitationssystemen leicht voneinander abweichen. In manchen wird z.B. bei Büchern der Name des Verlags nicht verlangt; bei manchen ist bei Zeitschriften nicht nötig, den genauen Jahrgang und die Heftnummer anzugeben. Seitenzahlen von Artikeln in Zeitschriften oder Aufsätzen von Sammelbänden/Herausgeberwerken sind im Verzeichnis stets vollständig zu nennen, also nicht S. 22ff., sondern S. 22-31.

Verzeichnisse werden alphabetisch angeordnet, und zwar nach Nachnamen des Autors. Das zweite Ordnungsmerkmal ist das Erscheinungsdatum. Gibt es mehrere Werke eines Autors mit identischem Erscheinungsjahr, müssen Sie Kleinbuchstaben anfügen (2010a, 2010b, 2010c usw.).

Die eigene Meinung

"An welchen Stellen einer Arbeit darf ich meine eigene Meinung einbringen?", hat mir ein Student als Frage aufgeschrieben.

Dahinter steckt die richtige Vermutung, dass Meinung "fehl am Platz" sein kann, dass sie nicht überall in einer wissenschaftlichen Arbeit erwünscht ist. 

Meinung heißt: subjektive Einstellung, Überzeugung, Ansicht, Bewertung, Beurteilung, Standpunkt, Rechtfertigung, Kritik, Position-beziehen, möglicherweise auf Basis einer Weltanschauung. Meinung ist also das, was nicht "objektives" Wissen ist (also unbestreitbare Fakten oder breit akzeptierte Theorien).

In den meisten modernen Wissenschaften gilt im Allgemeinen die Forderung, dass man beim Untersuchen einer Fragestellung bitteschön die eigene Meinung außen vor lassen soll, man soll beschreiben und erklären, aber nicht werten. Man darf das Ergebnis einer Untersuchen bewerten, aber die Untersuchung selbst soll von Meinungen nicht beeinflusst werden.

Nun ist es allerdings nicht immer ganz ganz klar, wo Fakten aufhören und Meinung beginnt. In technik- und naturwissenschaftlichen Fächern ist das einfacher, in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften schwieriger. In Wirtschaft, Politik, Recht hat man es oft mit normative Fragen zu tun: Was soll sein? Wie soll man handeln?  Hier geht es also ganz schnell um Werte und Ziele.

Daten und Fakten sprechen oft nicht für sich selbst. Notwendig ist also Analyse. Wenn ich aber etwas analysiere, gehe ich in vielen Fällen von Annahmen aus, wähle einzelne Analysepunkte aus, die Art, wie ich analysiere, ist bereits ein subjektiver Vorgang. Das gilt ganz besonders, wenn ich Texte (z.B. Dokumente, Aussagen, Gerichtsurteile) analysiere. Die kann ich ja nicht einer chemischen Analyse unterziehen, sondern muss sie interpretieren, um sie zu verstehen und nutzbar zu machen. Darüber zerbrechen sich die Wissenschaftsphilosophen seit Langem den Kopf.

Hilft aber nichts: Wer wissenschaftlich arbeiten will, muss sich zwar nicht der eigenen Meinung enthalten, aber zuallererst für andere nachvollziehbar darlegen, warum etwas allgemein (und nicht nur für einen selbst) "wahr" ist. Ausagen sollen unabhängig vom persönlichen Standpunkt akzeptabel, begründbar und überprüfbar sein, "intersubjektiv nachvollziehbar", wie es so schön heißt. Das Ergebnis soll auch für den akzeptabel sein, der eine andere Meinung hat.

Was nicht heißt, dass man Sachverhalte unkritisch oder gar oberflächlich behandelt: Analyse soll durchaus kritisch sein, soll abklopfen, auseinander nehmen, hinterfragen. Eine gute Analyse hat sehr viel mit kritischem Denken zu tun (siehe dazu diesen Blogbeitrag).

In der Analyse – die im Hauptteil einer Arbeit zu leisten ist – gibt es ein paar Spielregeln zu befolgen:
  • Distanz zum Untersuchungsgegenstand zeigen, soweit es irgend geht. Volle "objektive" Neutralität ist selten möglich, aber man kann sich bemühen (und zwar bewusst und demonstrativ).
  • Logisch argumentieren. Logik ist nachvollziehbar. 
  • Alle Argumente ausdrücklich und verständlich unterfüttern, belegen, begründen.
  • Sich auf andere Quellen berufen und vergleichen. Also zeigen, dass ein Analyseergebnis oder Schlussfolgerung logisch aus den wissenschaftlichen Arbeiten anderer ("Fachautoritäten") hervorgehen kann. Dass Ihre Analyse also durch andere gestützt wird.
  • Stets prüfen, ob man etwas auch anders sehen kann. Ein "einerseits, andererseits" zeigt dem Leser, dass man nicht nur eine einzige Sichtweise präsentiert, sondern alternative Sichtweisen nebeneinander stellt. Das schreibt man dann auch so auf. Man kann von "Ausgewogenheit" sprechen, damit ist vor allem das Zulassen anderer möglicher Interpretationen gemeint – das ist sozusagen eine Fairness-Regel. Erst prüfen, dann werten.
Das alles macht die Sache zwar nicht per se "objektiv", aber "intersubjektiv nachvollziehbar".

Das hat sogar sprachliche Konsequenzen. Aus gutem Grund ist es Gepflogenheit, dass in wissenschaftlichen Arbeiten möglichst kein "Ich" vorkommen soll. Eher spricht der Autor von sich in der dritten Person ("der Autor" statt "ich").

Also gibt es keinen Platz für die eigene Meinung? Doch. Aber:
  • Man muss sie von der Untersuchung abtrennen und kennzeichnen. Der Leser soll klar sehen können, wo die Interpretation der Sache in die Formulierung eines eigenen Standpunkts übergeht. Das muss man klar formulieren. Der Leser soll Meinung jederzeit erkennen können, sie soll sich nicht verstecken und nicht in die Untersuchung eingewoben sein.
  • Einen guten Platz hat eigene Meinung überall dort, wo ein Fazit gezogen wird (Konklusion, Schlussfolgerung). Also vor allem im Schlussteil einer Arbeit. Hier ist der Platz, um zuzuspitzen, prägnant mit Thesen aufzuwarten, seine Ergebnisse mit mehr Kontext zu gewichten, zu sortieren, Gedanken fortzuführen, den Faden weiterzuspinnen und Position zu beziehen.
Eigene Positionen muss man natürlich besonders gut begründen. Man muss auch selbstkritisch sein, das heißt zeigen, dass man die eigene Position durchaus in Frage stellt und Gegenargumente aufgreift. Als Autor müssen Sie also "mit sich selbst diskutieren".

Urteilsfähigkeit ist ein wichtiges Ausbildungsziel des Studiums. Professoren finden eigene Positionierungen von Studenten daher in der Regel gut – wenn sie erläutert und begründet werden, und wenn sie nicht völlig abwegig sind und sich nicht völlig von der Faktenlage lösen. Mit einer eigenen Position, einer eigenen Meinung zeigen Sie diese Urteilsfähigkeit. Aber, wie gesagt, im Vordergrund steht immer erst die Untersuchung – das Urteil muss warten, bis zum Fazit. Sonst wär's ja ein Vor-Urteil.

Der "rote Faden" in der Arbeit

"Wie behält man beim Schreiben einer Abschlussarbeit den sprichwörtlichen roten Faden?", fragt mich eine Studentin.

Was ist überhaupt ein "roter Faden"? Er dient der Orientierung. Autor und Leser wissen an jeder Stelle der Arbeit immer, worum es gerade und insgesamt geht. An diesem roten Faden sollten Sie die einzelnen Teile Ihrer Arbeit auffädeln.

Wikipedia weiß zum Thema: "Unter einem roten Faden versteht man ein Grundmotiv, einen Weg oder auch eine Richtlinie." Man kann daran eine durchgehende Struktur oder ein Ziel erkennen. Das Online-Lexikon verweist auf Goethes Wahlverwandtschaften – der Dichterfürst beschreibt den Kennfaden der britischen Marine: „Sämtliche Tauwerke der königlichen Flotte sind dergestalt gesponnen, dass ein roter Faden durch das Ganze durchgeht, den man nicht herauswinden kann, ohne alles aufzulösen, und woran auch die kleinsten Stücke kenntlich sind, dass sie der Krone gehören. Ebenso zieht sich durch Ottiliens Tagebuch ein Faden …“.

Wenn der rote Faden verloren geht, hat das in studentischen Arbeiten meist zwei Gründe:
  • Der Autor weiß nicht so genau, was er untersuchen will. Die Fragestellung wurde nicht präzise entwickelt. Es gibt keine Leitfragen der Untersuchung, die darunter liegenden Einzelfragen wurden nicht benannt ("Operationalisierung"). Es gibt keine Hypothese, die überprüft werden soll.
  • Der Autor hat ganz viel Material gesammelt, aber es nicht ausreichend sortiert. Er verliert sich in Diesem und Jenem, kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen. Wichtiges wird nicht vom Unwichtigen getrennt. Zitate werden massenhaft angeführt, alle möglichen Detailinformationen aus allen möglichen Quellen verwendet, ohne Rücksicht darauf, ob diese dazu beitragen, eine Antwort auf die zentralen Fragen der Arbeit zu geben.
Ein wichtiges Hilfsmittel ist die Gliederung (Outline). Sie sollte die Basisorientierung liefern. Die Gliederung ist so etwas wie Ihr Einkaufszettel. Sie müssen Ihren Bedarf feststellen, den Einkauf organisieren, Prioritäten setzen. Sie bietet dem Autor Struktur für das Schreiben. Später ist sie Wegweiser und Leitplanke für den Leser. Sie muss nicht komplex oder kompliziert sein. Es ist sinnvoll, mit dem Allgemeinen anzufangen und später zum Speziellen hinzuarbeiten. Selbst wenn Sie die Gliederung mit Ihrem Betreuer abgesprochen haben und dieser sie in der Anfangsversion abgenickt hat, so sollten Sie sie als Arbeitsdokument betrachten, das sich im Verlauf des Schreibens verändern darf.
  • Merke: Eine Gliederung ist nicht dasselbe wie eine Fragestellung und Untersuchungskonzept. Es ist sinnvoll, sich zuerst genau zu überlegen, was man da überhaupt untersuchen will (und wie), bevor man eine Gliederung anlegt. Sonst bietet die Gliederung nur eine Schein-Orientierung, die den Autor (und später den Leser) eher in die Irre führt. Das ist wie eine falsche Landkarte.
Der Blogbeitrag "Wie schreibt man eine Einleitung?" gibt Ihnen Tipps dazu, wie die Grundfragen Ihrer Untersuchung geklärt werden (und dieser Beitrag sagt einiges zu den Unterschieden von Bachelor- und Master/Diplomarbeiten).

Wie macht man in der Gliederung den roten Faden deutlich? Eine gute Möglichkeit bietet das abgebildete Schema.


Nehmen wir an, die Einleitung formuliert eine übergeordnete Fragestellung und darunter drei zentrale Fragen, die im Einzelnen untersucht werden sollen. Der Hauptteil der Arbeit soll drei Kapitel haben. Jedes Kapitel untersucht eine der drei Fragen.

Jedes Kapitel beginnt mit einer Kapiteleinleitung, die erläutert, welche Frage aus der Einleitung hier untersucht werden soll. Kapitel 1 kümmert sich also um Frage 1, Kapitel 2 um Frage 2 usw. Am Ende jedes Kapitels wird ein Zwischenfazit gezogen. Hier werden die "Ergebnisse gesichert". Das heißt, hier wird eine Teilantwort auf die in der Einleitung formulierte Fragestellung gegeben.


Haben Sie die drei Kapitel fertig, haben Sie also drei Zwischenfazits geschrieben. Damit haben Sie schon den halben Schlussteil (auch Konklusion genannt, also Schlussfolgerung) so gut wie fertig. Dieser soll nämlich die Ergebnisse der Kapitel noch einmal zusammenfassen. "Das ist dann ja doppelt gemoppelt", werden Sie jetzt vielleicht sagen.

Aber keine Scheu vor Wiederholungen: Am Schluss soll ja das Gesamtergebnis präsentiert werden. Dazu müssen Sie logischerweise die Teilergebnisse zusammenziehen. Scheuen Sie sich nicht davor, die Einzelfazits der Kapitel einfach in den Schlussteil einzukopieren! Wichtig ist nicht das Neuformulieren des bereits Geschriebenen, sondern nur eine gute Verbindung zwischen den Teilergebnissen.


Natürlich muss nun auch noch eine Gesamtantwort auf die übergeordnete Fragestellung her. Das sollte Ihnen nun aber leicht fallen. Es ist eine Art Fazit aller Fazits. Bekanntlich ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile, insofern dürfen Sie nun noch etwas mehr Kontext, ganzheitliche Interpretation und Ausblick aufbieten.

Das mag etwas sehr schematisch wirken, aber meiner Erfahrung nach fahren die meisten Studenten beim Schreiben recht gut damit. Bei jedem Kapitel müssen sie sich überlegen, was genau das einzelne Kapitel zur Fragestellung beigetragen hat. Das ist eine Art Sicherheitscheck: Bin ich da, wo ich sein wollte?

Sie setzen mit jedem Zwischenfazit einen Meilenstein, der anzeigt, wie weit sie gekommen sind. Und weil in jedem Kapitel stets die Untersuchungsziele benannt werden und klar gesagt wird, ob und inwieweit sie erreicht wurden, bleibt immer erkennbar, wo sich die Untersuchung gerade befindet.

Zugespitzt formuliert: Der rote Faden lebt von Wiederholungen. Sie markieren die Etappenziele, sie garantieren die Sichtbarkeit der Untersuchungsziele. Deshalb sind Wiederholungen nicht nur nicht vermeidbar, sondern ausdrücklich erwünscht.

Klar: Einen Roman oder Thriller würde man so nicht schreiben. Aber eine wissenschaftliche Arbeit wird vor allem danach bewertet, ob die innere Logik von Untersuchung und Argument nachvollziehbar ist und der Autor das selbstgesetzte Ziel erreicht.

Siehe auch den Blogbeitrag: "Labern vermeiden: Der MEAL-Plan"

4. Januar 2011

Seminardiskussionen: Ein Protokoll schreiben

In Übungen und Seminaren wird viel diskutiert. Wenn Sie die Aufgabe erhalten, dazu ein Protokoll zu schreiben – wie macht man's richtig?

In der Regel geht es NICHT darum, genau zu protokollieren, wer genau wann was gesagt hat. Es soll kein Verlaufsprotokoll, sondern ein Ergebnisprotokoll sein.

Der Sinn der Sache ist es, dass die wesentlichen Inhalte einer Sitzung erfasst werden, die Struktur der Diskussion und die Themen, zentralen Fragen und Lösungen. Die Teilnehmer haben so einen schnellen Überblick darüber, und für die Abwesenden ist es auch vorteilhaft.

Ähnlich wie beim Mitschreiben von Vorlesungen ist die Herausforderung für Sie als Protokollführer, das Wichtige ins Protokoll zu bringen und alles Unwichtige auszusortieren. Dazu einige Tipps:
  • Setzen Sie sich neben den Diskussionsleiter. Wenn Sie während der laufenden Diskussion Fragen haben, wenden Sie sich ausschließlich an den Diskussionsleiter. Sie sind ein Team.
  • Als Protokollant werden Sie sich kaum an der Diskussion beteiligen können. Ausgeschlossen ist das aber nicht – wenn Sie sich mit einem wichtigen Beitrag zu Wort melden wollen, tun Sie's. Sie sind nicht zum Schweigen verdammt.
  • Zum Protokoll gehören natürlich Datum, Ort, Beginn und Ende der Diskussion. Vergessen Sie nicht Ihren Namen als Protokollführer.
  • Wer ist anwesend? Geben Sie gleich zu Beginn eine Anwesenheitsliste herum. Nehmen Sie die Namen der Anwesenden ins Protokoll auf (zumindest bei kleinen Gruppen).
  • Was sind Themen bzw. Tagesordnung?
  • Geben Sie alle Themen in der Reihenfolge der Diskussion an.
  • Vermeiden Sie es, alle Details aller Diskussionen aufzuschreiben. Wichtig sind die zentralen Fragen und Argumente, nicht jedes Wort. Wörtliche Zitate sind in der Regel nicht notwendig.
  • Ein Protokoll sollte objektiv und unparteilich sein. Bleiben Sie bei den Fakten und Diskussionsbeiträgen. Ihre persönliche Meinung hat im Protokoll nichts zu suchen, außer wenn Sie in der Diskussion eigene Beiträge liefern und diese dann ins Protokoll aufnehmen.
  • Schreiben Sie das Protokoll möglichst schnell nach Ende der Diskussion, solange das Geschehen noch frisch im Gedächtnis ist.
  • Schicken Sie das Protokoll per Email an alle Teilnehmer und/oder stellen Sie es auf die Lernplattform ein.
Typische Probleme
  • Wenn es ein Ergebnisprotokoll sein soll, was ist das "Ergebnis"? In vielen Diskussionen scheint es kein klares Ergebnis zu geben.
  • Diskussionen wandern von Aspekt zu Aspekt, und der rote Faden geht verloren.
  • Zu viele Teilnehmer reden gleichzeitig durcheinander.
  • Teilnehmer beziehen sich nicht genau auf andere Diskussionsbeiträge/andere Personen.
Am besten ist es daher, wenn der Diskussionsleiter jede thematische Diskussion am Ende zusammenfasst. Erinnern Sie ihn daran. Wenn die Diskussion zu verwirrend und konfus wird, machen Sie den Diskussionsleiter darauf aufmerksam, damit er die Gesprächsrunde besser strukturiert. Wenn es allzu durcheinander geht, bitten Sie selbst die Teilnehmer darum, sich geordnet und präzise zu Wort zu melden.

Merke: Je besser der Diskussionsleiter seine Aufgabe erledigt, desto leichter wird es für Sie als Protokollführer!

Bei sehr langen Diskussionen erstellen Sie einfach eine Stichwortliste mit den Punkten, die angeschnitten wurden, ohne jeweils dazu die Details aufzulisten.

3. Januar 2011

Fachwörterbücher online

Kostenlose Online-Wörterbücher gibt's im Web reichlich, und in internationalen Studiengängen machen Studenten davon viel Gebrauch. Teilweise täglich. Und bei Lektüre in Fachkursen sowie Beleg- und Abschlussarbeiten ist die Arbeit damit essentiell. Die Qualität allerdings ist nicht immer so, wie man es von den Standardwerken aus Fachverlagen erwarten kann. Je nachdem, wer den Dienst betreibt.

Das gilt erst recht für zweisprachige Fachwörterbücher. Da muss man schon etwas suchen. Nicht schlecht immerhin der Leo-Dienst beim RecherchePortal für Journalisten für diverse Gebiete (z.B. Jura, Wirtschaft, Medien), oder das Langenscheidt Fachwörterbuch für Wirtschaft, Handel und Finanzen bei der Süddeutschen.

Über eine Hochschulbibliothek haben Studenten die Möglichkeit, auf die Online-Abos kostenpflichtiger Fachwörterbücher zuzugreifen.

An der TH Wildau beispielsweise sind die Langenscheidt Online-Wörterbücher ab dieser Woche vom gesamten Campus aus sowie per Fernzugriff via VPN zu erreichen. Neben diversen "normalen" Wörterbüchern für verschiedene Sprachen sowie diverser "Duden" enthalten:
  • Fachwörterbuch Architektur und Bauwesen Englisch
  • Fachwörterbuch Biologie Englisch
  • Fachwörterbuch Chemie und chemische Technik Englisch
  • Fachwörterbuch Elektrotechnik und Elektronik Englisch
  • Fachwörterbuch Medizin Englisch
  • Fachwörterbuch Physik Deutsch – Englisch
  • Fachwörterbuch Technik und angewandte Wissenschaften Englisch
  • Fachwörterbuch Technik Franzoesisch
  • Fachwörterbuch Technik Italienisch
  • Fachwörterbuch Wirtschaft, Handel und Finanzen Englisch
  • Fachwörterbuch Kompakt Recht Englisch