16. August 2013

Englische Wörter übersetzen

"Gibt es eine Regel, inwiefern man englische Worte übersetzen muss?", fragt eine Studentin, deren Thema eine Tätigkeit im Ausland ist.

Das kommt auf die Wörter an. Ist es "irgendein" Fremdwort, das kein Fachwort ist, sollten Sie es möglichst übersetzen -- selbst wenn Sie persönlich es ständig im Mund oder im Betrieb als normalen Teil der Bürosprache kennengelernt haben.

Das gelegentliche Fremdwort ist kein Stolperstein. Aber je häufiger und zugleich unpräziser Sie ihre Sätze mit englischen Begriffen bepflastern, desto schlimmer wird es. Sätze mit vielen "buzz words" sind meist dämliches Denglisch. Das kennt man von Unternehmensberatern, Modeschöpfern und sonstigen Szenesprachkundigen.

Pseudowissenschaftliche Phrasendrescherei mit vielen englischen Wörtern nervt genauso. Es ist schlechter Stil und verkleistert den Inhalt.

Die Regel lautet: Drücken Sie sich verständlich und ohne Geschwurbel in echter deutscher Sprache aus, soweit und solange es geht.

Oft sind es just die Studenten, die sich mit Ziel, Struktur und Inhalt ihrer Arbeit schwer tun, die besonders schwer an Fremdwörteritis erkranken. Ob sie damit bewusst bluffen oder sich selber einreden, dass sie besonders professionell oder  wissenschaftlich schreiben, wenn sie kompliziert schreiben -- ich weiß es nicht.

Naja. In der Betriebswirtschaftslehre etwa wird es für Studenten immer schwieriger, sich korrekt ohne englische Vokabeln auszudrücken. Ein längst eingewandertes Wort wie Management müssen Sie nicht übersetzen; bei Performance würde ich sagen, das kann man vermeiden. Performanz ist allerdings kein Geniestreich für eine Übersetzung. Customer Relationship Management, kurz CRM, kann man eigentlich Kundenbeziehungsmanagement oder gar nur Kundenpflege nennen; soweit im Betrieb damit allerdings ein bestimmtes komplexes System gemeint ist, ist CRM sinnvoller als Fachbegriff. Team building mag ins Deutsche halb übersetzt als Teambildung oder Teamentwicklung Eingang finden. Hat eine Firma den feststehenden Begriff Customer Real Time Feedback, könnten Sie dies als Sofortkundendienst bezeichnen, aber etwas schief ist es doch; Kundenrückmeldung sagt aber niemand. Feedback ist ohnehin so gut wie ein deutsches Wort.

Benchmarking ist quasi zum Fachbegriff geworden, ebenso die jüngere Wortschöpfung Crowdsourcing. Beide lassen sich auf Deutsch umschreiben, aber eher umständlich. Die Unternehmensabteilung Public Affairs ließe sich oberflächlich völlig simpel und durchaus korrekt in "öffentliche Angelegenheiten" übersetzen, trotzdem gibt es gute Gründe, den Begriff auf Englisch stehen zu lassen. Product Engineering ist z.T. anders gemeint als nur schlichte Produktentwicklung. Eine Mind-Map ist eine Gedächtnislandkarte, Mind-Mapping ist das Entwerfen derselben, aber das sagt eben kein Mensch. Wenn Marketingleute für die Kunden- und Marktprognose damit eine Prospecting Map erstellen, nennen Sie diese halt so und umschreiben, worum es geht.

Und die Verben? Das Verb "managen" ist mündlich erlaubt, aber schriftlich zu vermeiden. Denglische Verben wie "performen", "benchmarken", "mind-mappen" und "crowdsourcen" tun in den Augen und Ohren weh. Da muss eine echte Übersetzung her, keine Eindeutschung.

Das Fremdwort als Fachbegriff 

Wie die Beispiele zeigen: Experten haben Expertensprache. Das ist legitim. Nicht jeder, der komisch redet, ist ein Experte, aber Experten reden nun einmal komisch. Wenn Sie mit dem Studium Expertin werden wollen, gehört das Erlernen und Verwenden von Expertensprache dazu.

Am Fachwort kommen Sie also kaum vorbei, auch wenn Sie Ihre Sätze nicht mit Fachbegriffen vollstopfen sollten. Fachausdrücke sind wichtige Kurzformeln, sie sparen Platz, Zeit und lange Umschreibungen. Vorausgesetzt, der Leser ist fachkundig, er versteht die Kurzformel daher problemslos. Das sollten Sie beurteilen können.

In vielen Wissenschaften und auch in manchen Praxisfeldern dominieren englische Bezeichnungen. Deutsche Ersatzbegriffe sind zum Teil unpopulär (Beispiel: "Corporate Governance"). Wenn das ihrer Beobachtung nach so ist, dann benutzen Sie das Fremdwort ohne schlechtes Gewissen.

Vielleicht gibt es ein gutes deutsches Ersatzwort, aber das kennen Sie nicht. Dafür gibt es Fachwörterbücher (z.B. Englisch für Juristen, Englisch für Techniker...). Die üblichen Online-Wörterbücher spucken spezifische Übersetzungen meist (allerdings nicht immer) mit aus, aber oft ohne näher zu erläutern, wie welche Wörter von wem verwendet werden. Hier müssten Sie z.B. prüfen, ob ein Begriff in Fachforen und Fachpublikationen auf bestimmte Art verwendet wird.

Suchen Sie nach dem Kontext der Verwendung. Hier ist z.B. Linguee hilfreich, die Kombination aus Wörterbuch und Suchmaschine -- sie zeigt Textbeispiele mit vollständigen Sätzen.

In manchen Fällen gibt es trotzdem Ihrem Sprachgefühl nach kein gutes, treffendes deutsches Ersatzwort. Vielleicht möchten Sie das Originalwort benutzen, weil es sehr treffend ist, ein wichtiger Kontext und Subtext dazugehört, weil es etwas ganz Bestimmtes symbolisiert oder stilistisch "passt".

Jedes deutsche Ersatzwort wäre dann eine klapprige Krücke. Dann nehmen Sie lieber das Original.

Wenn das Wort inhaltlich einer Erklärung bedarf, weil der Leser es wahrscheinlich nicht kennt, erläutern Sie die Bedeutung halt einmal im Text oder in einer Fußnote.

Das Fremdwort als Eigenname

Handelt es sich um Eigennamen, sollten Sie diesen mindestens einmal im Original nennen, um präzise zu sein. Schreiben Sie etwa über die britische Justiz, etwa "Crown Court" und "Central Criminal Court", dann dürfen und sollten Sie ruhig nach erstmaliger Originalbezeichnung von Krongericht und Hauptstrafgericht schreiben. Wenn Sie die Fremdwörter behalten, achten Sie übrigens auf das Geschlecht. Intuitiv würde ich z.B. DER Crown Court sagen, aber es ist ja DAS Gericht. Genus-Schwankungen kommen bei derlei Wörtern häufiger vor...

Wichtigste Regel: Gehen Sie sparsam mit Fremdwörtern und Fachvokabeln um. Das ist wie mit direkten, wörtlichen Zitaten. Zu viele davon stören Ihren Text, statt ihn zu schmücken.





7. August 2013

Abbildungen: in den Text oder in den Anhang?

"Sollen Abbildungen direkt in den Text eingebunden werden oder separat im Anhang aufgefuehrt werden?", fragt eine Studentin.

First things first: Sie haben einen Grund, weshalb Sie eine Grafik, Tabelle o.ä. einfügen wollen. Eine Abbildung "illustriert" nicht nur und "lockert den Text auf". Sie schreiben ja eine wissenschaftliche Arbeit und nicht für Bunte, Gala oder den Stern. Es geht nicht darum, den Text durch "Optik" attraktiv zu machen und den Professor zum Lesen zu verlocken.

Es geht um Informationen, und Sie entscheiden über den Umgang mit dieser Information. Die vermeintliche "Optik" hat Zweck, Funktion und eine eigene Aussage. Sie vermittelt nützliche, wichtige und für Verständnis, Argumentation und Beweisführung sogar notwendige Informationen, auf die Sie sich ja auch im Text beziehen sollen: "Abbildung 8 verdeutlicht, dass..."; "Die Statistik zeigt das Wachstum von XYZ (Abb. 9)...". Manche Textabschnitte bestehen sogar überwiegend daraus, Abbildungen zu erläutern.

Es wäre also kontraproduktiv, sie irgendwo ganz hinten zu verstecken!  Praktisch gesehen, ist außerdem das Hin- und Herblättern zwischen Hauptteil und Anhang immer nervig, auch und gerade für die Gutachter Ihrer Arbeit.

In einen Anhang gehören Grafiken und Tabellen dann, wenn sie
- sehr umfangreich sind, also mehr als eine Seite umfassen (längere Originaltexte, Faksimiles, detaillierte Karten, lange Zahlenkolonnen, große Organisationspläne und Ablaufdiagramme; Transkripte von Interviews; Beobachtungs-Protokolle, Fragebögen, Interviewleitfäden u.a. Materialien der empirischen Arbeit);
- eher der Ergänzung und Vertiefung dienen, der Haupttext also auch ohne sie verständlich und nachvollziehbar ist;
- keinen besonderen Wert zur Veranschaulichung des Textes besitzen;
- eher der breiten Quellendokumentation dienen statt eigene, prägnante Aussagen zu liefern.

Wenn Sie eigene empirische Daten erheben (egal ob qualitativ oder quantitative), werden Sie oft einen größeren Anhang benötigen. Ein Sonderfall ist die Verwendung von "grauer Literatur". Sie dazu den Blogpost vom 29.6.2012, "Graue Literatur und interne Dokumente".

Abbildung im Text: Wie groß muss es sein?

Wenn Sie Abbildungen und Tabellen nun also im Text platzieren wollen, stoßen Sie möglicherweise auf das Problem, was die optimale Größe ist.

Sie ist meistens: größer als Studenten meinen! Leider ist es beliebt, Grafiken so einzubetten, dass die Textzeilen sie umfließen. Das ist dann erstens hässlich und zweitens zu winzig, um noch Details zu erkennen (oder überhaupt irgendetwas).

Also bitte: im Zweifelsfall größer ziehen. Alles sollte mühelos gut erkennbar sein. Für das richtige Maß gibt es keine Daumenregel, aber: Nutzen Sie den zur Verfügung stehenden Platz (Seitenbreite), und geben Sie der Abbildung mehr Raum, wenn sie "wenig Luft" enthält, also eine hohe Informationsdichte hat (viele Zahlen und Beschriftungen, mehrere Farben, feine Details).

Scheuen Sie sich nicht davor, auch eine halbe oder auch ganze Seite zu verwenden. Eine große Grafik/Tabelle im Querformat kann man drehen und hochkant auf eine eigene Seite stellen; bei einer Arbeit, die Sie nur elektronisch einreichen, können Sie auch eine einzelne Seite drehen. Bei einer Arbeit, die Sie physisch (also ausgedruckt) abgeben, können Sie eine Großgrafik auf A3-Papier einbinden, gefaltet zum Ausklappen. Geht alles.

Tipp: Blättern Sie doch in der Bibliothek (oder Datenbank) einmal durch wissenschaftliche Fachzeitschriften. Deren Platz ist immer knapp. Auch wenn die Forschungsaufsätze komplexe Daten aufbereiten müssen, in der Regel gibt es keinen oder nur einen kleinen Anhang -- die wichtigen Abbildungen und Tabellen müssen ordentlich und zweckmäßig im Text untergebracht werden.

Ob im Text oder im Anhang, immer an die Beschriftung/Legende, Nummerierung und die Quellenbelege denken.

Siehe dazu auch "Bildquellen und Abbildungsverzeichnis" (29.1.2012)

20. April 2013

Internetseiten -- sind das wirklich Quellen? Sind sie erlaubt?


Ein Student will "wissen, in wie fern wir nun bei unserer Belegarbeit Internetquellen benutzen dürfen. Nach meinem Wissen sind Internetseiten (Beispiel) nicht wirklich als Quellen anzusehen, oder liege ich da falsch? Die Themen sind alle sehr aktuell und daher wird es schwer sein immer Bücher zu finden."

Hmm, im Jahr 1993 wäre diese Frage noch normal gewesen, aber 2013... Welche Dozenten, Lehrer, Eltern haben da wohl früher mit mahnendem Zeigefinger vor dem Internet als Schmuddelkiste gewarnt...?

Für alles im Leben suchen wir Informationen im Web, aber nicht für eine Uni-Belegarbeit? Das wäre alltagsuntauglich. Heute reden wir ja eigentlich nur noch über unterschiedliche "Kanäle" für Inhalte -- ein Buch ist ein Kanal, das Internet auch, am Inhalt ändert es nichts.

Der springende Punkt ist doch nicht, dass eine Quelle digital und online verfügbar ist; sondern was sie für einen Charakter und Zweck hat. Es gilt, die Qualität zu beurteilen. Und dann geht es um die klassische Fragen nach "Zitierfähigkeit" (formale Qualität) und "Zitierwürdigkeit" (inhaltliche Qualität), die "im Internet" noch schwieriger zu beantworten sind als in der Bibliothek.


Pauschal ist "ein Buch" nie besser als "eine Internetquelle". Erstens gibt es ja auch Bücher, von denen man besser die Finger lässt: Dass es in einer Verlagsdruckerei hergestellt wurde und im Regal Ihrer Bibliothek Staub fängt, ist noch keine Qualitätsgarantie.

Zweitens gibt es auch ganze Bücher "im Internet", z.T. auch als mit der Druckversion identische Exemplare (wenn Sie in der SpringerLink-Datenbank ein Kapitel eines im Springer-Verlag erschienen wissenschaftlichen Werkes abrufen). Das gilt auch für viele andere Dinge, die es früher nur gedruckt gab -- etwa staatliche Dokumente und Publikationen wie die auf der von Ihnen genannten URL der Europäischen Kommission. Sie könnten auch nach Brüssel fahren und bei der KOM um eine Auskunft bitten; wahrscheinlich druckt man Ihnen dann aber auch nur das aus, was online zu lesen steht.

Vielleicht meinen Sie mit "Buch" nicht das Buch als Druckwerk per se, sondern "wissenschaftliches Buch". Also im Sinne von "Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchung" und "akademisches Werk".

Klar, ein profundes Fachbuch eines renommierten Wissenschaftlers sieht in der Literaturliste einer studentischen Hausarbeit im Normalfall besser aus als irgendein Blogpost irgendeines Hobbyautors.

Aber die Frage ist doch, wonach man sucht.
  • Dabei geht es zum einen nicht nur um bevorzugte Formate oder Bequemlichkeit, sondern oft schlicht um Verfügbarkeit
  • Zum anderen geht es um den Untersuchungsgegenstand
  • Aus diesen Umständen ergibt sich der Zugang zu Quellen unterschiedlicher Art -- die ich natürlich alle kritisch zu prüfen habe.

Aktuelle Zahlen, Daten, Fakten...

Wer auf möglichst aktuelle "ZDF" aus ist, muss "im Internet" suchen. Wo denn sonst? Es gibt nur noch sehr wenige Bereiche, in denen (für breite öffentliche Benutzung gedachte) Informationen ausschließlich und zuerst in gedruckter Form vorliegen.

Wenn Sie Mitteilungen der Europäischen Kommission zur aktuellen Arzneimittelversorgung in der EU suchen, dann finden Sie diese online. Wenn Sie aktuelle Statistiken dazu suchen, finden Sie diese in den Fachpublikationen der Kommission, bei Eurostat o.ä. ebenfalls online. Wenn Sie Vergleichsdaten der Staaten haben möchten, finden Sie sie online bei den Stellen, die diese digital sammeln und auch den Auftrag haben, sie digital online zur Verfügung zu stellen.

Das sind (im Prinzip) seriöse Quellen für Daten und Dokumente, auch wenn sie "im Internet" stehen. Zudem sind es "primäre Quellen", und wenn Sie genau das brauchen, sind Sie "im Internet" genau richtig.

Die aktuellste verfügbare Zahl oder Aussage "im Internet" wäre mir ganz sicher lieber als eine veraltete in einem Buch; inbesondere dann, wenn das Buch nicht nur veraltet, sondern nur eine sekundäre oder tertiäre Quelle ist.

Denken Sie allerdings daran, dass Internetseiten unterschiedlich gut gepflegt werden. Auch auf professionell anmutenden Seiten großer Behörden, Einrichtungen und Unternehmen finden sich oftmals widersprüchliche oder veraltete Aussagen.

  • Achten Sie stets auf das Datum --  was Sie als erstes finden, ist nicht unbedingt tatsächlich die aktuellste Version. Wenn es eine externe Datenquelle gibt, suchen Sie die.
  • Überprüfen Sie die Plausibilität (z.B. aus dem Kontext oder Vergleich mit anderen Rubriken und dokumenten).
  • Hyperlinks sind praktisch, aber sind auch eine Falle: Sie führen oft zu Seiten oder Dokumenten, die nicht dieselbe Aktualität oder Verlässlichkeit haben wie die verlinkende Seite.
  • Bei der Neugestaltung oder dem Umzug von Internetseiten (Datenmigration) passieren oft Fehler, manche Seiten werden "vergessen".

Eine Batterie Zahlen und Fakten aus primären Quellen gibt außerdem in der Regel keine gute Antwort auf die Frage "was bedeutet das?" Eine systematische Einordnung, Beurteilung und Kontext werden Sie eher woanders finden. In wissenschaftlichen Studien etwa.

Wissenschaft gibt's nicht nur in Büchern

Wissenschaftliche Studien und Ergebnisse werden auch, aber längst nicht nur, in Büchern publiziert.

Für Studenten sind Bücher der erste übliche Zugang zur Wissenschaft. Wissenschaft begegnet ihnen ja zuerst als respektheischendes Lehrbuch. Ja, Bücherlesen ist wichtig. Bücher bilden auch den Stand der Wissenschaft ab. Aber: Studenten überschätzen Bücher.

Wissenschaftler bedienen viele Kanäle, nicht nur Bücher. Die Recherche nach wissenschaftlicher Literatur beginnt beim Buch, hört da aber nicht auf. Denn:
  • Bücher sind als Informationsvehikel sehr langsam.
  • Die meisten Wissenschaftler schreiben in ihrem Leben nur ein "richtiges" Buch, vielleicht zwei. (Gemeint sind Monographien.)
  • Viele Bücher sind Herausgeber-/Sammelwerke mit vielen Autoren, deren Einzelbeiträge sehr unterschiedliche Qualität haben. Oftmals sind sie nicht mal auf dem neuesten Stand, sondern wurden aus früheren Texten und Vorträgen des Autors "recycelt".
  • Bücher haben für viele Forscher keine Priorität. Für viele Fächer gilt sogar: Bücher sind die Ausnahme, nicht die Regel für wissenschaftliche Publikationen. 
Stattdessen publizieren Forscher hochspezialisierte Artikel in (Fach-) Zeitschriften, in Diskussionspapieren, in Konferenzbeiträgen, in Infodiensten von Instituten, in Blogs u.a. Das alles findet sich "im Internet", manchmal frei zugänglich, manchmal zugangsbeschränkt (aber verfügbar z.B. über die Zeitschriftendatenbanken der Bibliothek).

Für manche Wissenschaftler ist schnelle Öffentlichkeit wichtiger als für andere. Das sind vor allem die, die in der Politik- und Wirtschaftsberatung tätig sind (v.a. bestimmte Forschungsinstitute, Stiftungen und sogenannte Denkfabriken, siehe dazu z.B. das Branchenverzeichnis "ThinkTankDirectory", TT für Deutschland und für Europa). Dort wird im Wochentakt publiziert, es gibt viele frei zugängliche Schriftenreihen, Papers, Infodienste und Kurzstudien.

Für eine Seminar-Hausarbeit heißt das: Wenn Sie zeigen wollen, dass Sie richtig gut nach wissenschaftlicher Literatur gesucht haben, dann präsentieren Sie die ganze Bandbreite. 

In der Presse recherchieren -- wachsam und kritisch

Es gibt nicht zu allem und jedem bereits eine wissenschaftliche Untersuchung, schon gar nicht bei ganz neuen Themen, die sich schnell entwickeln.

Dennoch äußern sich Wissenschaftler dazu, ebenso wie andere Experten. In der Presse natürlich, deren Artikel Sie "im Internet" finden. Oder bei Veranstaltungen (z.B. Podiumsdiskussionen und Tagungen), die "im Internet" dokumentiert werden (oft in Newsletter- oder Blog-Form).

Allerdings: Wenn ein (hoffentlich fachkundiger) Professor etwas mit drei Sätzen in der Zeitung kommentiert, hat das natürlich nicht dieselbe Qualität wie eine eigenständig veröffentlichte Studie.

Ja: Es gefällt Professoren grundsätzlich nicht, wenn Studenten zu faul oder unfähig sind, in akademischen Quellen zu recherchieren. Das sollten Sie also immer tun. Eine Literaturliste, die nur aus ergoogelten Presseartikeln besteht, überzeugt nicht.

Aber mit rein akademischer Literaturrecherche kommen Sie bei aktuellen Themen ins kurze Gras. Dann kann es sein, dass Sie sich stark auf eine Presse-Recherche verlassen müssen. Das heißt, "im Internet" frei zugängliche Artikel oder über Presse-Datenbanken (NexisLexis, WISO, GBI-Genios).

Das ist ja auch fachlich sinnvollWirtschaftswissenschaftler sollen aktuelle Entscheidungen von Unternehmen und Entwicklungen auf Märkten und in Volkswirtschaften recherchieren, Politik- und Sozialwissenschaftler müssen Informationen aus der aktuellen Politik und Gesellschaft verarbeiten, usw. Praktisch heißt das doch, dass diese Informationen vorrangig "im Internet" zu finden sind, und dort nach wie vor häufig und einfach zugänglich in der journalistischen Berichterstattung.

Aber am Zwang, die Qualität beurteilen zu müssen, kommen Sie nicht vorbei. Denn:
  • Presseartikel beruhen oft nicht auf eigenen Recherchen der Journalisten, sondern auf PR-Quellen und Informationen aus zweiter und dritter Hand. 
  • Journalisten schreiben oft voneinander ab. Unter Zeitdruck googeln sie auch nur und kopieren, was sie "im Internet" finden.
  • Sie verzichten oft auf kritische Faktenkontrolle, die Überprüfung von Relevanz,  Vollständigkeit und Validität. Das gilt ganz besonders für Zahlen und Zitate!
  • Journalistische Arbeitsmethoden und Präsentationsformen anders sind als in der Wissenschaft. Journalisten sind eher Geschichtenerzähler -- ihnen genügt oft Plausibilität, sie brauchen keine wasserdichte Beweisführung. Sie berichten etwa von ein, zwei Fällen und behaupten dann einfach "Das ist kein Einzelfall..." Dem werden zwei, drei weitere Meinungen beigemischt, und fertig ist die Story. Das Resultat mag für den Leser informativ sein, aber Studenten sollten es stets kritisch beurteilen.
  • Richtig gut recherchierender Qualitätsjournalismus hat manchmal schon wissenschaftliche Qualität. Journalisten gehen in Archive, lesen Literatur, beschaffen gründlich und sorgfältig direkte Informationen und dokumentieren ihre Quellen penibel. Aber das ist selten.
Auf der Hand liegt außerdem: eine Sammlung von zehn knappen Meldungen, die zufällig aus beliebigen GoogleNews-Links kopiert wurden, ist sehr weit entfernt von einer systematischen Auswertung langer Hintergrundartikel aus führenden Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunksendern oder auch reinen Onlinemedien.

Presseartikel können für Sie ein Sprungbrett zu "besseren" Quellen sein. Zum Beispiel, wenn sich ein Journalist auf eine Entscheidung oder Handlung, ein Dokument, eine Statistik, eine Studie oder Expertenmeinung bezieht. Gehen Sie den Hinweisen nach, vervollständigen Sie die Infos. "Im Internet" können Sie oftmals die Originalquelle und weiterführende Materialien finden. Das ist eine klassische Ergänzungsrecherche.

Tipps zum Umgang mit Internetquellen 

Wenn Sie schließlich Ihre Quellen "im Internet" ausgewertet und verwendet haben, gibt es noch einige Besonderheiten beim Zitieren, Belegen und Auflisten zu beachten. Dazu finden sie noch Hinweise in älteren Posts:

3. Januar 2013

Gertlers Online-Schnellkurs Wissenschaftliches Arbeiten


Der Kollege Martin Gertler (RFH Köln, Utrecht) hat auf der Plattform Iversity.org einen "Schnellkurs zum wissenschaftlichen Arbeiten" zum Selbststudium mit Video-Vorlesungen, FAQ, Handouts und Literatur zur Verfügung gestellt. Das Einführungsvideo ist auf YouTube zu sehen, der gesamte Kurs kostenlos nach Registrierung bei Inversity zugänglich.