7. Juni 2011

Studentische Hausarbeiten als Quelle? Zitierfähig, aber nicht zitierwürdig

"Ich habe eine interessante Hausarbeit von einem Studenten gefunden. Ist es angebracht, so etwas als Quelle anzugeben?", fragt mich eine Studentin. 

Erst einmal eine Gegenfrage: In der Vorlesung sitzen um Sie lauter Kommilitonen herum. Würden Sie deren Belegarbeiten vom letzten Semester zitieren wollen, wenn Sie eine Fachautorität brauchen?



Also: Eher nicht. Bei unkonventionellen Quellen prüfen Sie stets "Zitierfähigkeit und Zitierwürdigkeit". Das Begriffspärchen steht für wichtige Bedingungen, die eine Quelle erfüllen sollte, bevor sie unter das Dach Ihres Werkes schlüpfen darf.

Die Zitierfähigkeit ist simpel. Es geht hier um die Frage, ob Ihr Leser die von Ihnen genutzte Quelle schnell auffinden kann, um sie selbst zu prüfen. Denn Nachvollziehbarkeit der Argumentation anhand der Quellen ist ein Qualitätsausweis der Wissenschaft. Das ist formale Verfügbarkeit, möglichst eine dauerhafte: Bücher und Zeitschriften stehen in Bibliotheken (und sind prinzipiell per Fernleihe zu haben, auch Abschlussarbeiten) und sind im Buchhandel lieferbar, viele Dokumente sind in wissenschaftlichen Datenbanken abgelegt. Easy. Nicht so einfach ist es, wenn Sie eine Broschüre, ein Flugblatt oder gar interne Vermerke der CIA zitieren. Darum ist man manchmal gezwungen, solche Quellen im Anhang als Volltext/Kopie zu dokumentieren.  

Das Internet hat vieles verfügbar gemacht, was früher nicht so einfach verfügbar war. Dazu gehören auch studentische Hausarbeiten, weil Studenten gern versuchen, mit ihren Seminarleistungen über kommerzielle Hausarbeiten-Plattformen ein paar Euro dazuzuverdienen. Wenn die Arbeit dort eingestellt ist, ist sie formal verfügbar.
  • Fazit 1: Wenn die studentische Hausarbeit dauerhaft verfügbar ist, kann man sie als formal zitierfähig bezeichnen.
Anders sieht es bei der Zitierwürdigkeit aus. Das ist kein rein formales Kriterium. Vielmehr geht es um die inhaltliche Qualität. Ihre Quellen sollten seriös, anspruchsvoll und aktuell sein. Außerdem sind Primärquellen zu bevorzugen. Eine studentische Hausarbeit ist eine Sekundärquelle, möglicherweise dem Charakter nach sogar eine Tertiärquelle, wenn sie sich überwiegend oder ausschließlich mit anderen Sekundärquellen beschäftigt, also z.B. vorrangig wissenschaftliche Literatur über ein Thema auswertet, ohne eigene Forschungsergebnisse zu präsentieren, oder, noch schlimmer, nur Einführungswerke und Lehrbücher heranzieht. Das ist als wissenschaftliche Quelle nicht anspruchsvoll genug. Gute (!) Abschlussarbeiten mit hohem Anspruch darf man in begründeten  Fällen als Quellen heranziehen; die meisten studentischen Hausarbeiten erreichen jedoch in 90% aller Fälle nicht das geforderte Niveau. Zitieren sollten Sie sie also nicht -- es sei denn, es gibt einen sehr guten Grund dafür (z.B., wenn ein studentisches Forschungsprojekt dahintersteckt, bei dem Daten erhoben wurden, eigene Interviews geführt wurden u.a.)
  • Fazit 2: Studentische Hausarbeiten aus einer Lehrveranstaltung gelten in der Regel als nicht zitierwürdig. 
Merke: Studentische Hausarbeiten sind nicht per se schlecht. Im Zuge einer Recherche können Sie Ihnen helfen, interessante Aspekte kennenzulernen. Lesen Sie sie also, achten Sie auf die Bezugsquellen, werten Sie die Bibliographie aus. Holen Sie sich dann aber die wertvollen Quellen dieser Hausarbeit selbst auf den Schreibtisch. Wenn die Studentin oder der Student ordentlich gearbeitet hat, sind die Quellen ja verfügbar.
  • Fazit 3: Nutzen Sie studentische Hausarbeiten vorrangig zur Information, um Ihre eigene Recherche voranzutreiben. 
Studenten machen Fehler, das ist ihr gutes Recht - schließlich sind sie ja Lernende. Seminararbeiten sind Übungsaufgaben, mehr nicht. Wenn Sie im Internet eine studentische Arbeit finden, haben Sie keine Garantie dafür, dass dort kein Unsinn steht. Besonders übel ist es, wenn in der Arbeit Plagiate versteckt sind.

Manchmal ist eine Note angegeben. Das ist aber eine Angabe, die der Anbieter selbst macht. Und wer gibt schon "3,7" für eine Arbeit an, die er verkaufen will? Und selbst wenn es wirklich eine "1,3" war -- wer sagt, dass der Dozent diese Arbeit wirklich genau gelesen hat? Die üblichen Anbieter-Plattformen überprüfen die Arbeiten inhaltlich nicht.
  • Fazit 4: Werten Sie studentische Arbeiten mit besonders kritischem Auge aus. Tappen Sie in keine Falle. 

3 Kommentare:

  1. Super,das hat mir wirklich geholfen :)

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  2. ....und ist immer noch hilfreich! danke für die mühe, den text zu erstellen und hut ab für die angenehm lesbaren, leicht nachvollziehbaren erklärungen.

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