Ein Student will "wissen, in wie fern wir nun bei unserer Belegarbeit
Internetquellen benutzen dürfen. Nach meinem Wissen sind
Internetseiten (
Beispiel)
nicht wirklich als Quellen anzusehen, oder liege ich da falsch? Die Themen sind alle sehr aktuell und daher wird es schwer sein immer Bücher zu finden."
Hmm, im Jahr 1993 wäre diese Frage noch normal gewesen, aber 2013... Welche Dozenten, Lehrer, Eltern haben da wohl früher mit mahnendem Zeigefinger vor dem
Internet als Schmuddelkiste gewarnt...?
Für alles im Leben suchen wir Informationen im Web, aber nicht für eine Uni-Belegarbeit? Das wäre alltagsuntauglich. Heute reden wir ja eigentlich nur noch über
unterschiedliche "Kanäle" für Inhalte -- ein Buch ist ein Kanal, das Internet auch, am Inhalt ändert es nichts.
Der springende Punkt ist doch nicht, dass eine Quelle digital und online verfügbar ist; sondern was sie für einen
Charakter und Zweck hat. Es gilt, die Qualität zu beurteilen. Und dann geht es um die
klassische Fragen nach "Zitierfähigkeit" (formale Qualität) und "Zitierwürdigkeit" (inhaltliche Qualität), die "im Internet" noch schwieriger zu beantworten sind als in der Bibliothek.
Pauschal ist "ein Buch" nie besser als "eine Internetquelle". Erstens gibt es ja auch Bücher, von denen man besser die Finger lässt: Dass es in einer Verlagsdruckerei hergestellt wurde und im Regal Ihrer Bibliothek Staub fängt, ist noch keine Qualitätsgarantie.
Zweitens gibt es auch ganze Bücher "im Internet", z.T. auch als mit der Druckversion identische Exemplare (wenn Sie in der SpringerLink-Datenbank ein Kapitel eines im Springer-Verlag erschienen wissenschaftlichen Werkes abrufen). Das gilt auch für viele andere Dinge, die es früher nur gedruckt gab -- etwa staatliche Dokumente und Publikationen wie die auf der von Ihnen genannten URL der Europäischen Kommission. Sie könnten auch nach Brüssel fahren und bei der KOM um eine Auskunft bitten; wahrscheinlich druckt man Ihnen dann aber auch nur das aus, was online zu lesen steht.
Vielleicht meinen Sie mit "Buch" nicht das Buch als Druckwerk per se, sondern
"wissenschaftliches Buch". Also im Sinne von "Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchung" und "akademisches Werk".
Klar, ein profundes Fachbuch eines renommierten Wissenschaftlers sieht in der Literaturliste einer studentischen Hausarbeit im Normalfall besser aus als irgendein Blogpost irgendeines Hobbyautors.
Aber die Frage ist doch, wonach man sucht.
- Dabei geht es zum einen nicht nur um bevorzugte Formate oder Bequemlichkeit, sondern oft schlicht um Verfügbarkeit.
- Zum anderen geht es um den Untersuchungsgegenstand.
- Aus diesen Umständen ergibt sich der Zugang zu Quellen unterschiedlicher Art -- die ich natürlich alle kritisch zu prüfen habe.
Aktuelle Zahlen, Daten, Fakten...
Wer auf möglichst aktuelle "ZDF" aus ist, muss "im Internet" suchen. Wo denn sonst? Es gibt nur noch sehr wenige Bereiche, in denen (für breite öffentliche Benutzung gedachte) Informationen ausschließlich und zuerst in gedruckter Form vorliegen.
Wenn Sie Mitteilungen der Europäischen Kommission zur aktuellen Arzneimittelversorgung in der EU suchen, dann finden Sie diese online. Wenn Sie aktuelle Statistiken dazu suchen, finden Sie diese in den Fachpublikationen der Kommission, bei Eurostat o.ä. ebenfalls online. Wenn Sie Vergleichsdaten der Staaten haben möchten, finden Sie sie online bei den Stellen, die diese digital sammeln und auch den Auftrag haben, sie digital online zur Verfügung zu stellen.
Das sind (im Prinzip) seriöse Quellen für Daten und Dokumente, auch wenn sie "im Internet" stehen. Zudem sind es
"primäre Quellen", und wenn Sie genau das brauchen, sind Sie "im Internet" genau richtig.
Die aktuellste verfügbare Zahl oder Aussage "im Internet" wäre mir ganz sicher lieber als eine veraltete in einem Buch; inbesondere dann, wenn das Buch nicht nur veraltet, sondern nur eine sekundäre oder tertiäre Quelle ist.
Denken Sie allerdings daran, dass
Internetseiten unterschiedlich gut gepflegt werden. Auch auf professionell anmutenden Seiten großer Behörden, Einrichtungen und Unternehmen finden sich oftmals
widersprüchliche oder
veraltete Aussagen.
- Achten Sie stets auf das Datum -- was Sie als erstes finden, ist nicht unbedingt tatsächlich die aktuellste Version. Wenn es eine externe Datenquelle gibt, suchen Sie die.
- Überprüfen Sie die Plausibilität (z.B. aus dem Kontext oder Vergleich mit anderen Rubriken und dokumenten).
- Hyperlinks sind praktisch, aber sind auch eine Falle: Sie führen oft zu Seiten oder Dokumenten, die nicht dieselbe Aktualität oder Verlässlichkeit haben wie die verlinkende Seite.
- Bei der Neugestaltung oder dem Umzug von Internetseiten (Datenmigration) passieren oft Fehler, manche Seiten werden "vergessen".
Eine Batterie Zahlen und Fakten aus primären Quellen gibt außerdem in der Regel keine gute Antwort auf die Frage "was bedeutet das?" Eine
systematische Einordnung, Beurteilung und Kontext werden Sie eher woanders finden. In wissenschaftlichen Studien etwa.
Wissenschaft gibt's nicht nur in Büchern
Wissenschaftliche Studien und Ergebnisse werden auch, aber längst nicht nur, in Büchern publiziert.
Für Studenten sind Bücher der erste übliche Zugang zur Wissenschaft. Wissenschaft begegnet ihnen ja zuerst als respektheischendes Lehrbuch. Ja, Bücherlesen ist wichtig. Bücher bilden auch den Stand der Wissenschaft ab.
Aber: Studenten überschätzen Bücher.
Wissenschaftler bedienen viele Kanäle, nicht nur Bücher.
Die Recherche nach wissenschaftlicher Literatur beginnt beim Buch, hört da aber nicht auf. Denn:
- Bücher sind als Informationsvehikel sehr langsam.
- Die meisten Wissenschaftler schreiben in ihrem Leben nur ein "richtiges" Buch, vielleicht zwei. (Gemeint sind Monographien.)
- Viele Bücher sind Herausgeber-/Sammelwerke mit vielen Autoren, deren Einzelbeiträge sehr unterschiedliche Qualität haben. Oftmals sind sie nicht mal auf dem neuesten Stand, sondern wurden aus früheren Texten und Vorträgen des Autors "recycelt".
- Bücher haben für viele Forscher keine Priorität. Für viele Fächer gilt sogar: Bücher sind die Ausnahme, nicht die Regel für wissenschaftliche Publikationen.
Stattdessen publizieren Forscher hochspezialisierte Artikel in (Fach-) Zeitschriften, in Diskussionspapieren, in Konferenzbeiträgen, in Infodiensten von Instituten, in Blogs u.a. Das alles findet sich "im Internet", manchmal frei zugänglich, manchmal zugangsbeschränkt (aber verfügbar z.B. über die Zeitschriftendatenbanken der Bibliothek).
Für manche Wissenschaftler ist
schnelle Öffentlichkeit wichtiger als für andere. Das sind vor allem die, die in der
Politik- und Wirtschaftsberatung tätig sind (v.a. bestimmte Forschungsinstitute, Stiftungen und sogenannte Denkfabriken, siehe dazu z.B. das Branchenverzeichnis "ThinkTankDirectory", TT für
Deutschland und für
Europa). Dort wird im Wochentakt publiziert, es gibt viele
frei zugängliche Schriftenreihen, Papers, Infodienste und Kurzstudien.
Für eine Seminar-Hausarbeit heißt das:
Wenn Sie zeigen wollen, dass Sie richtig gut nach wissenschaftlicher Literatur gesucht haben, dann präsentieren Sie die ganze Bandbreite.
In der Presse recherchieren -- wachsam und kritisch
Es gibt nicht zu allem und jedem bereits eine wissenschaftliche Untersuchung, schon gar nicht bei ganz neuen Themen, die sich schnell entwickeln.
Dennoch äußern sich Wissenschaftler dazu, ebenso wie andere Experten. In der
Presse natürlich, deren Artikel Sie "im Internet" finden. Oder bei
Veranstaltungen (z.B. Podiumsdiskussionen und Tagungen), die "im Internet" dokumentiert werden (oft in Newsletter- oder Blog-Form).
Allerdings: Wenn ein (hoffentlich fachkundiger) Professor etwas mit drei Sätzen in der Zeitung kommentiert, hat das natürlich nicht dieselbe Qualität wie eine eigenständig veröffentlichte Studie.
Ja: Es gefällt Professoren grundsätzlich nicht, wenn Studenten zu faul oder unfähig sind, in akademischen Quellen zu recherchieren. Das sollten Sie also immer tun.
Eine Literaturliste, die nur aus ergoogelten Presseartikeln besteht, überzeugt nicht.
Aber mit rein akademischer Literaturrecherche kommen Sie bei aktuellen Themen ins kurze Gras. Dann kann es sein, dass Sie sich stark auf eine
Presse-Recherche verlassen müssen. Das heißt, "im Internet" frei zugängliche Artikel oder über Presse-Datenbanken (NexisLexis, WISO, GBI-Genios).
Das ist ja auch
fachlich sinnvoll:
Wirtschaftswissenschaftler sollen aktuelle Entscheidungen von Unternehmen und Entwicklungen auf Märkten und in Volkswirtschaften recherchieren,
Politik- und Sozialwissenschaftler müssen Informationen aus der aktuellen Politik und Gesellschaft verarbeiten, usw. Praktisch heißt das doch, dass diese Informationen vorrangig "im Internet" zu finden sind, und dort nach wie vor häufig und einfach zugänglich in der
journalistischen Berichterstattung.
Aber am Zwang, die Qualität beurteilen zu müssen, kommen Sie nicht vorbei. Denn:
- Presseartikel beruhen oft nicht auf eigenen Recherchen der Journalisten, sondern auf PR-Quellen und Informationen aus zweiter und dritter Hand.
- Journalisten schreiben oft voneinander ab. Unter Zeitdruck googeln sie auch nur und kopieren, was sie "im Internet" finden.
- Sie verzichten oft auf kritische Faktenkontrolle, die Überprüfung von Relevanz, Vollständigkeit und Validität. Das gilt ganz besonders für Zahlen und Zitate!
- Journalistische Arbeitsmethoden und Präsentationsformen anders sind als in der Wissenschaft. Journalisten sind eher Geschichtenerzähler -- ihnen genügt oft Plausibilität, sie brauchen keine wasserdichte Beweisführung. Sie berichten etwa von ein, zwei Fällen und behaupten dann einfach "Das ist kein Einzelfall..." Dem werden zwei, drei weitere Meinungen beigemischt, und fertig ist die Story. Das Resultat mag für den Leser informativ sein, aber Studenten sollten es stets kritisch beurteilen.
- Richtig gut recherchierender Qualitätsjournalismus hat manchmal schon wissenschaftliche Qualität. Journalisten gehen in Archive, lesen Literatur, beschaffen gründlich und sorgfältig direkte Informationen und dokumentieren ihre Quellen penibel. Aber das ist selten.
Auf der Hand liegt außerdem: eine Sammlung von zehn knappen Meldungen, die zufällig aus beliebigen GoogleNews-Links kopiert wurden, ist sehr weit entfernt von einer systematischen Auswertung langer Hintergrundartikel aus führenden Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunksendern oder auch reinen Onlinemedien.
Presseartikel können für Sie ein Sprungbrett zu "besseren" Quellen sein. Zum Beispiel, wenn sich ein Journalist auf eine Entscheidung oder Handlung, ein Dokument, eine Statistik, eine Studie oder Expertenmeinung bezieht. Gehen Sie den Hinweisen nach, vervollständigen Sie die Infos. "Im Internet" können Sie oftmals die Originalquelle und weiterführende Materialien finden. Das ist eine klassische
Ergänzungsrecherche.
Tipps zum Umgang mit Internetquellen
Wenn Sie schließlich Ihre Quellen "im Internet" ausgewertet und verwendet haben, gibt es noch einige Besonderheiten beim Zitieren, Belegen und Auflisten zu beachten. Dazu finden sie noch Hinweise in älteren Posts: