29. Dezember 2010

Vascoda und ViFas: Virtuelle Fachbibliotheken für gezielte Recherche online

ViFas sind ein Geheimtipp für die schnelle Suche innerhalb eines Fachgebiets: Die "Virtuellen Fachbibliotheken" haben es sich zur Aufgabe gemacht, einheitliche Zugänge (Webportale) zur Recherche und Bereitstellung von bundesweit und international weit verstreuten Informationen zu errichten.

Die ViFas werden von "echten" Bibliotheken, meist von Universitäten, betreut, die im deutschen Bibliothekssystem ein bestimmtes Sondersammelgebiet haben (d.h., sie sammeln wirklich alles, was zu einem Fach gehört).

Die deutschen ViFas finden Sie zusammen mit anderen Info-Angeboten, z.B. der  Elektronischen Zeitschriftenbibliothek, bei vascoda - "das Internetportal für wissenschaftliche Information".

Viel wichtiger als dieses Einstiegsportal sind aber die Virtuellen Fachbibliotheken selbst. Über Vascoda kann man zwar eine Metasuche vornehmen, aber direkter, komfortabler und multifunktionaler geht es auf der Ebene der ViFas zu.

ViFas für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften

EconBiz bietet einen zentralen Zugang zu wirtschaftswissenschaftlichen Fachinformationen. Über eine Metasuche kann in verschiedenen relevanten Datenbanken recherchiert werden. In diesen Datenbanken wird nicht nur auf Bibliotheksbestände verwiesen, sondern auch auf Websites, Aufsätze und Onlinedokumente.

Die ViFa Recht ist ein Instrument für die rechtswissenschaftliche Online-Recherche. Sie bietet einen ortsunabhängigen und unkomplizierten Zugang zu rechtswissenschaftlichen Fachinformationen im Internet.

ViFas für Politik-/Sozialwissenschaften und EU-Regionalstudien

ViFaPol ist das zentrale Rechercheportal für die Politikwissenschaft und Friedensforschung. Über 20 Bibliotheks- und Spezialkataloge, Fachdatenbanken und Sammlungen von Internetquellen (Fachinformationsführer), können gleichzeitig durchsucht werden.

Das sozialwissenschaftliche Fachportal SOWIPORT bündelt und vernetzt qualitätsgeprüfte Informationen nationaler und internationaler Anbieter und macht sie an einer Stelle verfügbar. Durch die enge Integration bislang nur getrennt vorhandener Angebote entsteht mit SOWIPORT eine zentrale Anlaufstelle für Nutzer sozialwissenschaftlicher Informationen

IREON - das Fachportal Internationale Beziehungen und Länderkunde ist ein fachübergreifendes Angebot zur Literaturrecherche in Fachdatenbanken. Es vereint Angebote aus den Gebieten Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft und Regionalforschung sowie angrenzender Gebiete wie z.B. Völkerrecht, Klimaforschung oder Kulturwissenschaften, sofern sie Auswirkungen auf das internationale System haben. Der inhaltliche Schwerpunkt des Angebots liegt auf außen- und sicherheits-, wirtschafts- und entwicklungspoltitischen Entwicklungen weltweit. Inhaltliche Recherchen werden durch die inhaltliche Erschließung aller Nachweise mit Schlagwörtern und/oder Abstracts unterstützt.

vifanord ist ein Informationsportal zur kultur-, sozial- und geistseswissenschaftlichen Forschung. Es bietet einen gebündelten Zugriff auf Bücher, Zeitschriftenartikel und Internetressourcen zu Themen über Skandinavien, Finnland, die drei baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen und allgemeine Ostseeraumthemen.

Die ViFaOst ist ein fachübergreifendes Regionalportal, das wissenschaftlich Interessierten ein vielfältiges Angebot zur Osteuropaforschung bietet. Über detaillierte Suchfunktionen besteht Zugriff auf wissenschaftliche Fachinformationen zu Geschichte, Sprache, Literatur, Politik und Kultur der Länder und Regionen Ost-, Ostmittel- und Südosteuropas. Alle Inhalte sind wissenschaftlich relevant und werden nach internationalen bibliothekarischen Standards erschlossen.

Die ViFa Romanischer Kulturkreis ist das fachübergreifende Informationsportal für die Frankreich- und Italienforschung sowie die Allgemeine Romanistik.

cibera ist eine interdisziplinäre Bibliothek für Fachwissenschaftler/innen und Studierende der Kultur, Geschichte, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der spanisch- und portugiesischsprachigen Länder sowie der Karibik. Das Portal ermöglicht die gezielte Suche in Bibliothekskatalogen, einer Internetquellensammlung, einer Sammlung digitaler Volltexte, einem Zeitschriften-Inhaltsverzeichnis-Dienst, einem Pressearchiv und einer Datenbank zur deutschsprachigen Lateinamerikaforschung.

Statistik für den Gelegenheitsnutzer

Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler haben viel mit amtlichen Statistiken zu tun. Zu den wichtigsten (in Studiengängen wie "Europäisches Management") gehören Daten, die man beim EU-Statistikamt Eurostat finden kann.

Der Haken daran ist, dass die Rohdaten stark interpretationsbedürftig sind. Man muss sich oft ganz schön hineinarbeiten. Wer nur Gelegenheitsnutzer ist, findet das nicht sehr komfortabel. Aber:

Die Statistikämter sind glücklicherweise dazu übergegangen, nutzerfreundliche Angebote zu erstellen – mit erläuternden Artikeln, Visualisierungen, Glossaren und dergleichen. Für Studenten wichtig, da die Barriere abgesenkt wird: So sind die Daten für Referate, Arbeitsgruppen, Beleg- und Abschlussarbeiten viel schnell und besser nutzbar.


Eurostat hat seit einiger Zeit eine hilfreiche Internetseite "Statistics Explained". Auf der Seite lässt sich ein "Themenbaum" für die Suche ebenso gut nutzen wie der Katalog der Statistik-Kategorien. Freie Suche gibt's natürlich auch.
Die inzwischen rund 900 Artikel will Eurostat als eine Art Enzyklopädie verstanden wissen. Die Artikel sind als Wikis formatiert, sie sehen aus wie bei Wikipedia. Bisher alles nur in Englisch, Deutsch und Französisch sind noch im Aufbau. Aber immerhin.

Das Statistische Bundesamt (Destatis) gibt sich auch viel Mühe bei der Nutzerfreundlichkeit und "Popularisierung" seiner Arbeit, lobenswert sind z.B. das STATmagazin als Web-Magazin und die interaktiven Präsentationen. Die meisten Landesämter für Statistik und ihre kommunalen Kollegen in Städten und Kreisen sind noch nicht so gut aufgestellt, aber auch sie machen Fortschritte.
  • Übrigens: Auch Studenten dürfen die kostenlosen Auskunftsdienste der Statistikämter (national, regional, kommunal) in Anspruch nehmen. Wenn Sie etwas nicht finden oder eine spezielle Frage haben: Die Fachreferenten helfen Ihnen bei der Recherche! Nur keine Bange, Helfen gehört zu deren Job. Bei Destatis werden jedes Jahr Hunderttausende Fragen beantwortet, vielfach von Wissenschaftlern und Studenten.
  • Eurostat hat ebenfalls einen Unterstützungsdienst, allerdings muss man sich zunächst online registrieren.
Eine weitere gute Quelle für Wirtschaftsstatistiken sind
Wer nach Statistiken sucht, trifft im Web häufig auf Statista.de. Das ist kein amtliches Portal, sondern ein kommerzielles.  Es ist ein sehr gutes Rechercheportal, weil es zahlreiche Statistikquellen und auch Grafiken und Kurzartikel bietet, aber die meisten Inhalte sind online nicht frei zugänglich. Allerdings: Hochschulbibliotheken - auch unsere in Wildau - bieten über eigene Lizenz den kostenfreien Zugang für Studenten (über VPN Client erst mit Bibliothek verbinden, dann zu Statista).

28. Dezember 2010

Bachelor- und Masterarbeiten: der kleine, große Unterschied

Wer eine Bachelor-Abschlussarbeit hinter sich gebracht hat, fühlt sich mehr oder minder gut informiert darüber, was eine Master-Arbeit mit sich bringt:

Sie ist halt etwas anspruchsvoller, etwas länger und zählt ein bisschen mehr.

Das ist nicht falsch, aber greift etwas zu kurz. Schon auf dem Papier, also rein formal, sind die Unterschiede erheblich. In der Praxis und von Qualität und Inhalt her können sie gewaltig sein.

Formale Unterschiede

Nehmen wir als Beispiel die Studien- und Prüfungsordnungen an der TH Wildau, speziell des Studiengangs Europäisches Management (B.A. und M.A.). Fangen wir bei den Credit Points (CP) an, die den Zeit- und Leistungsaufwand messen.
  • Für die B.A.-Abschlussarbeit sind magere 10 von insgesamt 180 CP fürs Studium vorgesehen (bundesweit sollen es bei Bachelor-Studiengängen zwischen 6 und 12 CP sein, sagt ein Kultusministerratsbeschluss, Wildau liegt also nahe der oberen Grenze). Eine mündliche Prüfung gibt es dazu nicht. Für die Bearbeitungszeit sind 8 Wochen vorgesehen.
  • Die M.A.-Abschlussarbeit hingegen nimmt 24 CP ein (bundesweite Regelung: 15-30 CP, Wildau ist hier erneut an der Obergrenze). Hinzu kommt die mündliche Prüfung ("Verteidigung der Thesis") mit 6 CP. Das sind also gewaltige 30 von insgesamt 120 CP . Die Bearbeitungszeit beträgt 18 Wochen, für den mündlichen Teil werden 4 Wochen Vorbereitungszeit angesetzt. Das gesamte letzte der 4 Semester Studienzeit ist also Prüfungszeit!
Im Vergleich scheint es also so, als sei die Bachelor-Arbeit eine Art Nachgedanke zum Studium, eine Art Sahnehäubchen auf der Suppe; während die Master-Arbeit ein Viertel des gesamten Studiums ausmacht.

Auch bei der Wahl des betreuenden Hochschullehrers gibt es einen formalen Unterschied. Der Betreuer (Erstgutachter) einer Master-Arbeit muss ein "echter" Professor der Hochschule sein. Beim B.A. ist das nicht so, hier kann auch ein anderer prüfungsberechtigter Dozent oder externer Lehrbeauftragter die Arbeit betreuen.

Inhaltliche Unterschiede

Sowohl die Bachelor- als auch die Master-Abschlussarbeit sind definiert als "wissenschaftliche Arbeit". Grundsätzlich gelten also dieselben Qualitätsmerkmale für die Prüfungsleistung. Wenn man aber genau hinschaut, sind die Ansprüche etwas unterschiedlich formuliert.
  • Die Bachelor-Arbeit "soll zeigen, dass der Kandidat in der Lage ist, innerhalb einer vorgegebenen Frist ein Problem aus seinem Fachgebiet selbstständig zu bearbeiten", heißt es in der Prüfungsordnung.
  • Die Master-Arbeit "soll zeigen, dass der Kandidat in der Lage ist, innerhalb einer vorgegebenen Frist ein Problem aus seinem Fachgebiet selbstständig nach wissenschaftlichen Methoden zu bearbeiten", sagt die Prüfungsordnung.
Der kleine, aber gravierende Unterschied: "nach wissenschaftlichen Methoden".

Das ist nun etwas interpretationsbedürftig. Der Verzicht auf die drei Wörter bei der Zielsetzung der Bachelor-Arbeit heißt nicht, dass der BA-Prüfling keine wissenschaftlichen Methoden anwenden muss (oder gar darf). Klar darf er. Und der Betreuer darf das explizit verlangen, bevor er einwilligt, Betreuer zu sein. 

In jedem Fall muss die Bachelor-Arbeit wissenschaftlich "sauber" sein, eklatante Verstöße gegen wissenschaftliche Grundsätze sind also inakzeptabel. Es gibt aber mehr Spielraum, die Abschlussarbeit stärker an der Praxis auszurichten und die wissenschaftliche Methodik weniger umfangreich darzulegen.
  • Als Ausbildungsziel für das Bachelor-Studium ist glasklar festgelegt, dass die Studenten "zu wissenschaftlicher und anwendungsorientierter Arbeit" und "zur Anwendung wissenschaftlicher Methoden und Erkenntnisse im Beruf" befähigt werden. Bei der Abschlussarbeit steht allerdings das Leitbild des "ersten berufsqualifizierenden Hochschulabschlusses" stärker im Vordergrund. Die Absolventen sollen relevantes Wissen reproduzieren, aber nicht produzieren können.
    Allerdings: Wenn Sie sich nach dem Bachelor-Abschluss auf ein Master-Studium bewerben, kann der wissenschaftliche Anspruch Ihrer Thesis wichtig sein. Insbesondere wenn Sie von einer FH an die Universität wechseln wollen, kann das entscheidend sein.
  • Hingegen hat das Master-Studium neben der Berufsvorbereitung die "Ausbildung von qualifizierten Absolventen für die angewandte Forschung" im Auge. Konkret heißt das, auch an der Fachhochschule ist die Wissenschaftlichkeit des Abschlusses zentral – bis hin zur Gleichberechtigung der FH- mit Uni-Absolventen, wenn sie promovieren wollen (also eine Doktorarbeit schreiben, die Königsklasse der wissenschaftlichen Arbeit).
Das Master-Studium soll "hochspezialisiertes und hochqualifiziertes" Wissen vermitteln. Was ist daran "hoch"? Unter anderem Wissen darüber, wie Wissenschaft Wissen schafft. Der Master-Kandidat soll also sehr viel präziser mit wissenschaftlichen Methoden umgehen können, soll die wissenschaftliche Literatur berücksichtigen, Forschungsergebnisse, Theorien und wissenschaftlichen Kontext im Kopf haben. An der FH ist das zwar auch "anwendungsorientiert", wie es so schön heißt. Trotzdem fließt in die Bewertung der Prüfungsleistung viel stärker die Wissenschaftlichkeit des Abschlussprojekts ein.

Darum ist die Abschlussphase auch viel länger als beim Bachelor. Was die Wissenschaftlichkeit angeht, werden eher Minimalansprüche gestellt – zum Beispiel beim Umgang und Beleg von Quellen.


Dass der Bachelor-Kandidat hingegen erst einmal die Breite der zum Thema passenden Fachliteratur durchackert und die wesentlichen Ergebnisse der Forschung in seine Abschlussarbeit einfließen lässt, kann man genauso wenig erwarten wie die Durchführung aufwändiger empirischer Untersuchungen (z.B. quantitative Befragungen, umfangreiche Statistik- oder Dokumentenanalysen). Dafür reicht einfach die Zeit nicht. Und meistens auch nicht das dafür notwendige Wissen.

Wenn dagegen ein ganzes Semester zur Verfügung steht, darf man vom Kandidaten ein umfangreiches und gut begründetes Forschungsprojekt erwarten. Das heißt konkret: 
  • breitere Literaturbasis: es soll erkennbar sein, dass der Student sich intensiv mit der Literaturrecherche beschäftigt hat und seine Arbeit an Fach- und Forschungsergebnisse anschließt.
  • spezialisiertere Recherche: Ein Bachelor-Student wird vor allem Sekundärliteratur heranziehen (also Lehr- und Einführungswerke, Grundlagenliteratur, Lexika) und diese bei Spezialfragen durch relativ einfach zugängliche und beschaffbare Fachquellen (z.B. Web-Recherche) ergänzen. Von einem Master-Studenten kann man erwarten, dass er weit  tiefer schürft und Fundorte für Spezialisten erschließt. Er zeigt, dass er sich in der Fachwelt bestens auskennt. Beispielsweise heißt das systematische Recherche in wissenschaftlichen Datenbanken, um aktuelle Studien und Fachaufsätze aus (auch internationalen) wissenschaftlichen Zeitschriften zu finden.
  • sicherer Umgang mit Primärquellen und eigene Untersuchungen: Statt sich auf Darstellung, Analyse und Interpretation anderer Autoren zu verlassen, soll ein Master-Student in der Lage sein, sich wissenschaftliches "Rohmaterial" zu beschaffen. Er soll den Apfel also selbst pflücken und putzen. Egal, ob es um betriebliche oder Branchen-Daten, Gerichtsurteile, Marktforschungsdaten, EU-Statistiken, Börsenkurse, Parlamentsprotokolle oder Positionspapiere von Verbänden geht: der Master-Student arbeitet viel stärker mit "Rohmaterial". Dazu muss er nicht nur wissen, wo er es findet, sondern vor allem, was man damit macht (und was man damit nicht machen darf). Er muss ordnen, sortieren, filtern, abwägen, bewerten, und das nach wissenschaftlichen Maßstäben und nicht "irgendwie".
Die Master-Arbeit: Eine Forschungsarbeit?

Heißt das, eine Master-Arbeit ist definitiv eine Forschungsarbeit? Nein und Ja.
  • Nein, weil sie nicht im Regelfall völlig neues wissenschaftliches Wissen produzieren soll (wie z.B. eine Doktorarbeit). 
  • Ja, weil sie ein Problem mit Hilfe wissenschaftlicher Forschungswerkzeuge bearbeitet und, wenn das Problem neuartig ist, auch zu neuen Antworten kommen kann.
Am Ende geht es darum, wieviel "Neues" in einer Arbeit produziert wird (das ist auch eine Frage des Umfangs), wie relevant es ist, mit welchem methodischem Aufwand und wie eigenständig der Student vorgeht.
  • Es gibt Master-Arbeiten, die bereiten eigentlich nur "altes" Wissen auf, stellen es zu einer bestimmten Fragestellung zusammen oder wenden es auf einen "üblichen" Fall an. Das ist dann eher keine Forschung. Insbesondere dann nicht, wenn es schon viele wissenschaftliche Beiträge (auch Abschlussarbeiten) zum Thema gibt. Es mag dann für den Studenten neu sein, nicht aber für die Wissenschaft. Der Student reproduziert im Wesentlichen schon Bekanntes, nur mit einem speziellen Zuschnitt.
  • Andere Master-Arbeiten betreten inhaltlich Neuland: durch eine aktuelle Untersuchung mit besonderem Zuschnitt, durch das Ausleuchten von Forschungslücken, durch Auswertung bisher ungenutzter Quellen, Sammlung empirischer Daten, wo es bisher keine gab, durch innovative Neuauswertung alter Daten, einen anspruchsvollen Vergleich, eine umfangreiche Fallstudie mit erheblichem Informationswert, oder die Entwicklung neuer Konzepte mit einer gewissen Komplexität. Das ist dann eher Forschung, ob nun anwendungsnah oder nicht.
Das war übrigens auch zu Zeiten von Diplom- und Magister-Arbeiten so. In manchen steckte viel Forschung, in anderen nur ein bisschen, in anderen gar keine. Das hängt oft von externen Faktoren ab:
  • dem Betreuer: Erwartet er von Ihnen eine Arbeit mit Forschungscharakter? Forscht er selbst? Beteiligt er Sie an seiner eigenen Forschung, bearbeiten Sie ein Teilgebiet eines größeren Forschungsprojekts? Sind Sie Teil eines Teams? Ist das Ziel eine Präsentation auf einer wissenschaftlichen Konferenz oder eine wissenschaftliche Publikation?
  • der Fachkultur: In manchen Fächern geht es bei Abschlussarbeiten oft um praktische Projekte, z.B. wenn Sie in der Wirtschaftsinformatik ein Programm schreiben oder in Technik- und Naturwissenschaften Labortests durchführen. In Wirtschafts- und Sozialwissenschaften werden häufig empirische Daten erhoben oder Fallstudien konzipiert, die Projektcharakter haben. In Rechtswissenschaften werden Sie dagegen selten "Projekte" definieren.
  • dem Betrieb: Wenn Sie die Arbeit als Werkstudent/Praktikant mit oder in einem Unternehmen oder einer Organisation schreiben, hat diese/s Interesse an wissenschaftlicher Forschung oder eher nicht?
Eine Master-Arbeit darf durchaus praxisorientiert sein, zum Beispiel auf die Lösung eines praktischen Problems in einem bestimmten Fall ausgelegt sein. Das ist dann "angewandte Forschung". Auch bei praktischen Problemen muss aber die wissenschaftliche Methode stets erkennbar sein, selbst wenn die Arbeit sich verhältnismäßig wenig mit Theorien und Forschungsergebnissen beschäftigt. Wenn Sie also z.B. einen Marketingplan für ein Unternehmen oder eine Organisation erarbeiten, werden Sie anders als bei einem Konzept, das nur in einem Unternehmen entwickelt wird, auch wissenschaftliche Bezugspunkte zur Marketingforschung darlegen und die Methode der Marketingplanerstellung diskutieren müssen. Das wäre bei einer BA-Arbeit anders, hier wäre der "blanke" Marketingplan eher akzeptabel (je nach Anleitung Ihres Betreuers).

Klar ist: Jede Abschlussarbeit sammelt systematisch Informationen und wertet sie aus, um eine Frage zu beantworten. Das ist "Recherche". Die Abgrenzung zwischen Recherche und Forschung ist schwierig. Im Englischen gibt es diese gar nicht, research heißt gleichermaßen "Recherche" wie "Forschung". Research findet in einer Master-Arbeit ganz sicher statt. Das hochtrabende deutsche Wort "Forschung" klingt immer nach einem Ziel wie den Nobelpreis in Astrophysik. Wenn man es aber nicht so hoch hängt, ist eine Master-Arbeit de facto eine Forschungsarbeit im weiteren Sinne.

Nun ist die Frage, wie wissenschaftlich die Recherche ist. Das hat mit den Quellen zu tun, aber eben auch mit den verwendeten Methoden. Ein hoher Forschungsanspruch setzt voraus, dass es ein umfassendes Forschungskonzept (research design) gibt: ein nachvollziehbares und detailliertes Konzept, wie man die Fragestellung in Einzelfragen zerlegt und wie man diese mit bestimmten Untersuchungsschritten systematisch, verlässlich und überprüfbar beantwortet. Mit der Methodik muss sich der Master-Kandidat also viel stärker auseinandersetzen und darlegen, warum er welche Methode anwendet – und z.B. zeigen, dass er ähnliche wissenschaftliche Untersuchungen kennt und darauf aufbaut.

Eine Master-Arbeit ist (noch) keine Doktorarbeit, aber sie nähert ihr sich an. Eine Master-Arbeit dauert Monate, eine Doktorarbeit Jahre – und Doktoranden haben keine festen Bearbeitungs- und Abgabefristen. Von einem Master-Studenten wird – im Gegensatz zu einem Doktoranden – nicht erwartet, dass er eine relevante Forschungslücke füllt und die Wissenschaft einen Sprung nach vorn bringt. Die Master-Arbeit erledigt aber das, was für den Doktoranden ebenfalls nötig ist: Sie soll – unter Anleitung des Betreuers – den aktuellen Forschungsstand zu einem Spezialthema erschließen. Der angehende Doktor würde darauf nun seine eigenständige, neuartige Forschung aufbauen, und zwar weitgehend allein (ohne Anleitung eines Betreuers).

Ihr "Meisterstück"

Professoren hören Vergleiche mit dem Handwerk nicht gern, aber hier trifft es den Nagel auf den Kopf: Die Bachelor-Arbeit ist einem Gesellenstück vergleichbar, die Master-Arbeit einem Meisterstück.
  • Der Geselle zeigt mit dem Abschlusswerk seiner Ausbildung, dass er sachgerecht erlernte Fähigkeiten beherrscht, um ein solides Werkstück herzustellen, das den allgemeinen Standards des Berufs entspricht. 
  • Der Meister hingegen (der ja nach der Meisterprüfung selbst einen Meisterbetrieb führen darf) muss darüber deutlich hinausgehen, muss einen anspruchsvollen, ja kunstvollen Beweis seines Rundum-Könnens abliefern. Dazu gehört eine eigene "Handschrift", eine persönliche Note, ein Beleg seiner Selbstständigkeit in seinem Fach. 
Eine gelungene Master-Arbeit gibt Ihnen Profil, akademisch wie beruflich. Ein halbes Jahr ein wissenschaftliches Projekt mit hohem Anspruch durchzuführen, ist kein Klacks. Das erfährt Wertschätzung, auch von Personalchefs. Eine Master-Arbeit kann eine Eintrittskarte in den Beruf sein, nicht nur als formale Qualifikation. Gute Master-Arbeiten haben zudem die Chance, als Buch veröffentlicht zu werden und so viele Leser in Praxis und Wissenschaft zu erreichen, die das Buch natürlich auch kritisch lesen werden. Das muss man wollen.

Zettelkasten gegen das Verzetteln

Ideen, Zitate, Textstellen und Fundstücke auf Zetteln zu notieren, ist wohl die älteste Form der Informationssammlung, seit es Papier gibt. Die meisten Studenten benutzen Zettel in irgendeiner Form, wenn sie Referate, Beleg- und Abschlussarbeiten schreiben. Allerdings kann man sich leicht dabei verzetteln!

Der berühmteste Zettelkasten der Welt ist sicher der des Soziologen Niklas Luhmann (1927-98), der Dutzende Bücher mit diesem Hilfsmittel schrieb. Fünf Jahrzehnte wissenschaftliche Gedanken auf Zetteln... unglaublich. Als Luhmann starb, karrte eine Spedition die monströse Sammlung von Zettelkästen mit LKWs ins Archiv der Uni Bielefeld. ScienceGarden hat das merkwürdige Ablage- und Katalog-System des Genies beschrieben. In diesem Video erläutert Luhmann selbst, was er mit seinen Zigtausenden von Zetteln anstellte:


Damit Ihre kleine Wohnung nicht bald aussieht wie Luhmanns zugemüllte Denkerstube, sollten Sie Ihren Zettelkasten zeitgemäß führen: mit dem PC:

Möglichkeit 1: Verwendung eines Notizenprogramms wie Microsoft OneNote (aus MS Office), Evernote u.a. (Blogbeitrag).

Möglichkeit 2: Im Prinzip bietet jedes Literaturverwaltungsprogramm auch einen Zettelkasten, d.h. eine Art Ideen- und Wissensmanagement. Solche Programme gibt es – auch kostenlos – viele (z.B. Basisversion Citavi, WibTex, Lit-Link, JabRef, Bibliographix, LiteRat, Biblioexpress, u.a.). Zu den altbekannten gesellen sich neuerdings Browser-gestützte, auch Web 2.0-fähige Programme wie Zotero.

Wenn Sie Luhmann folgen wollen, heißt die Alternative ZKN3 - die Zettelkasten-Software nach Luhmann, die der Hamburger Psychologe Daniel Lüdecke entwickelt hat. Für Windows, Mac und Linux. Auf ein Literaturverwaltungsprogramm muss man dabei nicht verzichten, denn es gibt eine Schnittstelle zu Zotero, Endnote, Bibliographix, Citavi, Refworks, JabRef usw., Import und Export der bibliographischen Daten sind also leicht möglich. Ebenso verhält es sich mit Texten, Grafiken und Daten (z.B. aus Microsoft Excel und allen MS Office oder OpenOffice-Programmen).

Die intelligenten Funktionen zur Archivierung, Verschlagwortung, Herstellung von Querverweisen und Themensammlung versprechen eine deutlich erleichterte Textproduktion. Auf dem "Schreibtisch" kann man die Zettel leicht hin- und herschieben und in Texte einarbeiten.

Das ist alles so komfortabel, dass es schwierig ist, sich wirklich zu verzetteln.

Lobenswert ist auch die ausführliche Sammlung von Videoanleitungen zu den Funktionen des Programms.

Das Programm ist Freeware, steht also gratis zum Download bereit.

25. Dezember 2010

Einen Text analysieren: Kritisches Denken und die CLUES-Formel

In Klausuren (Essayfragen), Belegarbeiten und bei Gruppen- und Hausaufgaben geht es oft darum, einen Text zu analysieren, z.B. einen Kommentar aus einer Zeitung oder einen Auszug aus einem wissenschaftlichen Artikel. Zunächst einmal: Was soll bei solchen Textanalyse-Aufgaben geprüft werden? Sie können zeigen,
  • dass Sie Ihre Analyse organisieren können,
  • dass Sie die Lektüre und Lernmaterialien eines Kurses gelesen und verstanden haben,
  • dass Sie ein Argument in einem eigenen Text entwickeln und formulieren können,
  • dass Sie zum kritischen Denken fähig sind.
    Was ist "kritisches Denken"?
    Das mit dem "kritischen Denken" ist für viele Studenten verwirrend – was soll das denn sein?
    • Geht es darum, den Text grundsätzlich negativ zu sehen und zu kritisieren? Nein. Es geht nicht um Ablehnung oder Zustimmung. Sie können einen Text mit "kritischem Denken" auseinandernehmen und ihm am Ende vollen Herzens zustimmen
    "Kritisches Denken" ist ein Ausbildungsziel an Hochschulen (Sie können das in den Studien- und Prüfungsordnungen der TH Wildau nachlesen). Kritisches Denken soll Klarheit herstellen und mehr produzieren als nur eine Beschreibung. Man kann einen Text lesen und darüber etwas schreiben, ohne es "kritisch" zu tun. "Kritisch" heißt, dass Sie genauer hinsehen, sich intensiv mit dem Text beschäftigen.

    Ein kritischer Denker nimmt eine Aussage nicht einfach hin, sondern untersucht sie, prüft sie, hinterfragt sie, stellt sie in einen Zusammenhang, wägt sie ab, vergleicht sie mit dem eigenen Wissen, gibt eine Bewertung ab. "Kritisches Denken" bezieht sich also auf Ihre Untersuchungs- und Urteilsfähigkeiten. 

    Das Ergebnis einer Analyse und Ihr Urteil sollen klar und glaubwürdig sein, genau, präzise formuliert, relevant und fair.

    Viele Studenten verwechseln Analyse mit einer Inhaltsangabe. Eine Analyse ist aber mehr als die Beschreibung eines Textes.
    • Eine Analyse nimmt den Text auseinander, leuchtet die Hintergründe seiner Argumente aus und bewertet diese auf der Grundlage eigenen Wissens. 
    • Sie sollen rational, also mit Hilfe Ihrer Vernunft, zu begründeten Schlüssen kommen. 
    • Sie sollen mehr in einem Text entdecken, als auf den ersten Blick erkennbar ist. 
    • Sie sollen Zusammenhänge herstellen, auf Argumentationsmuster hinweisen, problematische Stellen finden – und natürlich auch kritisieren, wenn es nötig ist.
    Das heißt also, für den kritischen Denker ist ein Text nicht einfach nur ein Text, sondern ein Problem: ein Problem, das gelöst werden will. Eine Textanalyse ist also die systematische und tiefe Problembearbeitung. Sie werden daran gemessen, ob Sie die "Problemhaftigkeit" erkennen und mit geistigen Werkzeugen bearbeiten. Hier geht es um Textverständnis, um Prioritäten (was ist wichtig?), um das Herausarbeiten der zentralen Informationen (Relevanz), um das Zwischen-den-Zeilen-Lesen (wovon geht der Autor aus, was impliziert er, ohne es offen zu sagen? Welche Ziele und Werte stecken hinter Argumenten?), um Interpretation der Informationen, um eine Bewertung der Logik (passen die Argumente zusammen, ist die Schlussfolgerung richtig?), um Schlüsse und Verallgemeinerungen.

    5 Schritte für die Textanalyse: CLUES-Formel

    Hilfreich bei der Textanalyse ist die CLUES-Formel. Das englische Wort clue heißt soviel wie Hinweis, Anhaltspunkt oder Schlüssel zum Verständnis. CLUES ist in diesem Fall eine Abkürzung für 5 Schritte einer Textanalyse.

    Das CLUES-Konzept (Zusammenfassung) geht zurück auf die Politikwissenschaft, wo Textanalyse zur Bearbeitung von Quellen und Dokumenten zentral ist. Konkret auf zwei amerikanische Professoren, Christine Barbour (Indiana University) und Matthew Streb (Loyola Marymount University), Autoren der weit verbreiteten Politiklehrbücher Keeping the Republic und Clued In to Politics. Man kann die Methode aber ohne Weiteres auf andere Fachdisziplinen anwenden. Kritisches Denken ist in jeder Wissenschaft gefragt.

    CLUES steht für:
    1. Consider the source and the audience.
    2. Lay out the argument and the underlying values and assumptions.
    3. Uncover the evidence.
    4. Evaluate the conclusion.
    5. Sort out the political implications.
    CLUES 1: Consider the source and the audience.

    Jede Art von Kommunikation hat einen Sender und einen Empfänger. Den Zweck eines Textes versteht man besser, wer für wen geschrieben hat. Wer also ist der Autor, wo erschien die Quelle, wo stehen Autor und Quelle? Und: Wer soll den Text lesen? Wer ist das Publikum? Was könnte die Leser an diesem Text eigentlich interessieren?

    Vorrangig geht es darum, die Absicht des Autors zu verstehen. Wenn man weiß, woher der Autor (und die Quelle) kommen, ist das ein zentraler Hinweis (eben ein clue) auf die Absicht.

    Nehmen wir eine Tageszeitung wie das Handelsblatt, eine Wirtschaftszeitung. Diese wird von Wirtschaftsjournalisten geschrieben, die für die Wirtschaft relevante Nachrichten und Hintergründe liefern wollen. Die Leser sind oft Manager, Investoren und andere wirtschaftsinteressierte Leser. Die wollen auf den Nachrichtenseiten Qualitätsjournalismus, "objektive", zumindest verlässliche, unabhängige und verlässliche, gut recherchierte Informationen. Das Ziel ist umfassende Information der Leser. Auf den Meinungsseiten hingegen geht es um Meinung, Kommentar, Einordnung und Urteil, um Interpretationen und ideologische (weltanschauliche) Richtungen. Hier sollen die Leser von einer bestimmten Position überzeugt werden. Das Handelsblatt vertritt dabei in der Regel eher wirtschaftsfreundliche, eher liberale und konservative Überzeugungen, ist eher "rechts von der Mitte" und nicht "links", ist eher für den Markt, eher gegen staatliche Eingriffe in das Marktgeschehen. Umgekehrt ist es bei Zeitungen wie der Frankfurter Rundschau oder der taz. Das muss man wissen, das steht nicht oben drüber. Wenn man es weiß (und zeigt, dass man es weiß), hilft das bei der Analyse.

    CLUES 2: Lay out the argument and the underlying values and assumptions.

    Nun zum eigentlichen Inhalt des Textes. Mit was beschäftigt sich der Autor? Welche Argumente stellt er zusammen, wie baut er Argumente auf? Wo will er hin? Was ist sein Ausgangspunkt, welche Annahmen stecken dahinter?

    Hier geht es auch um grundlegende Werte, die dem Autor wichtig sind: Nehmen wir noch einmal das Beispiel eines Meinungsartikels aus einer Wirtschaftszeitung wie dem Handelsblatt. Der Autor kommentiert z.B. die Euro-Krise 2010: Was sollte die EU oder die deutsche Regierung tun oder nicht tun, und warum? Stellt der Artikel ausreichend klar, worum es dabei geht (auch die Begriffe, die der Autor benutzt)?

    Das Handelsblatt ist eine ziemlich gute Zeitung, aber nicht jeder Artikel ist ziemlich gut. Auch in einem solchen Blatt erscheinen Texte, die nicht so gut und klar argumentiert sind. Mancher Text ist oberflächlich gut formuliert, aber hinter der Rhetorik steckt ein unsauberes, unklares oder unlogisches Argument. Manches Argument wird hinter allerlei Kulissen versteckt. In der Analyse sollen Sie das entdecken und dann auch sagen, wenn etwas unklar ist. Lassen Sie sich nicht verwirren oder einschüchtern, räumen Sie den Sprachmüll beiseite und legen Sie das Kernargument offen, das übrigbleibt.

    Die Profs Barbour und Streb nennen ein Beispiel: Man will sich nicht von jemandem einlullen lassen, der sich als überzeugter Verfechter der Demokratie präsentiert, wenn man hinterher feststellen muss, dass der Autor ein völlig anderes Verständnis von Demokratie hat als Sie selbst. Wenn ein Autor also etwas als "demokratisch" darstellt, finden Sie also heraus, was er mit "demokratisch" eigentlich meint.

    CLUES 3: Uncover the evidence.

    Mit evidence sind Belege und Beweise gemeint. Nehmen Sie den Autor ins Kreuzverhör, überprüfen Sie, was er anbietet: Zahlen, Daten, Fakten, Erkenntnisse von Experten, historische Parallelen und aktuelle Beispiele – alles, was man zur Stützung eines Arguments beibringen kann. Das Beweismaterial sollte möglichst "hart" sein, also in der Wirklichkeit überprüfbar. Oder zumindest eine solide Begründung, die logisch ist, also in sich stimmig (Ableitung von einem Prinzip). Oder beides. Wenn es also eine saubere Begründung gibt – gut. Wenn ein Argument mit seinen Belegen dieser Überprüfung standhält, dann darf man das auch akzeptieren.

    Wenn es keine harten Fakten gibt und auch keine logische Ableitung, worauf stützt sich der Autor dann? Wenn Sie genau hinschauen, entdecken Sie vielleicht, dass der Autor nur "aus dem Bauch" heraus argumentiert. Er appelliert vielleicht an Ihr Gefühl oder allgemeine Wunschvorstellungen, oder er bezieht sich auf Gerüchte und Hörensagen, nennt keine genauen Quellen, bleibt im Ungefähren, hat keine Zeugen und belastbaren Materialien in der Hand. Das ist dann nicht überzeugend: weg damit! 

    CLUES 4: Evaluate the conclusion.

    Der Autor kommt zu irgendeinem Schluss. Ist sein Fazit richtig? Finden Sie es überzeugend? Warum? Oder warum nicht? Nachdem Sie den Text gelesen haben, hat sich bei Ihnen etwas verändert? Sehen Sie die Sache jetzt anders, in einem neuen Licht? Haben Sie etwas Neues dazugelernt? Passt das Neue zu dem, was Sie vorher gedacht haben? Wenn Sie den Schluss des Autors akzeptieren, bedeutet das, dass Sie Ihre eigene Einstellung oder Annahmen verwerfen müssen?

    Hier geht es noch einmal um Logik: Wenn A und B richtig sind, muss auch C richtig sein. Können Sie das nachvollziehen? Eine Aussage kann als richtig angesehen werden, wenn das Argument gut begründet ist. Was also ist die Begründungskette? Wie stichhaltig ist sie?

    Der Autor ist ein "Verkäufer", der mit seinem Leser ein "Verkaufsgespräch" führt. Er vermarktet seine Aussagen. Kaufen Sie, oder kaufen Sie nicht? Warum?

    CLUES 5: Sort out the political implications.

    In einem politischen Text geht es natürlich auch um die Analyse weiterreichender Folgen. Der Sinn der Sache ist es, die größere Bedeutung herauszuarbeiten. Wer A sagt, muss auch B sagen. Was ist in diesem Sinn der Wert einer politischen Aussage, die in einem Text gemacht wird? Ziehen Sie das Argument also "größer": Was sind die Konsequenzen, wenn man dem Autor folgt? Wohin führt das alles? Was macht den Text bedeutsam, was bedeutet er? Verändert es Ihr Verständnis der politischen Welt und wie sie funktioniert? Politik ist – nach der Definition von Harold Lasswell – immer auch die Frage "Who Gets What, When, How" , wer bekommt was, wann und wie? Und in der Politik geht es ums Gewinnen und Verlieren: Wer gewinnt, wer verliert, wenn man dem Autor folgt? Wer hat etwas davon?

    Nehmen wir an, im Handelsblatt schreibt ein Autor zur Euro-Krise 2010, der Euro-Rettungsschirm sei schlecht, weil er "fatale Fehlanreize" für internationale Anleger auf den Kapitalmärkten setze. Also den Leuten, die z.B. auf riskante Staatsanleihen Griechenlands oder unsichere Anlagen in der griechischen Wirtschaft gewettet haben, obwohl sie wussten, dass in Griechenland nicht alles mit rechten Dingen zugeht: "Gläubiger erhalten den Eindruck, dass sie von den Steuerzahlern Europas abgesichert werden. Das kann auf Dauer nicht gutgehen." Der Autor sagt dann, dass die Regierungen Europas auch von den Anlegern verlangen, dass sie die finanziellen Verluste mittragen.

    Wie beurteilen Sie das? Ist das eine gute Idee? Ist das gute Politik? Ist es sinnvoll, dass Griechenland nur gerettet wird, wenn Banken, Investoren usw. mit die Zeche zahlen? Was wären die Konsequenzen einer solchen Bedingung für jede Rettungsaktion? Wenn es nicht nur um Griechenland geht, sondern um Irland, Spanien, Portugal, Italien oder welches Land auch immer? Was bedeutet ein solches Signal für die Kapitalmärkte, für die Wirtschaft Europas? Was spricht also insgesamt dafür oder dagegen?

    Beantworten können Sie das natürlich nur, wenn Sie die Zusammenhänge kennen. Darum ist das der anspruchsvollste Teil der Analyse. Sie müssen Ihr Kontextwissen nutzen, sonst funktioniert es nicht. Sie erkennen sonst nicht die Wichtigkeit bestimmter Aussagen, oder hängen fest, wenn Sie interpretieren müssen. Notwendig ist also der Hintergrund aus Buchlektüre, Vorlesungen, Erkenntnissen aus Diskussionen und Arbeitsgruppen.

    Sie verlassen hier ja den Text und gehen darüber hinaus. Es geht nicht nur darum, den Textinhalt zu sezieren, sondern eine eigene Position zu finden und zu begründen. Egal, ob Sie dem Text zustimmen oder ihn ablehnen.

    23. Dezember 2010

    Book!

    Eine revolutionäre Neuentwicklung der Informationsspeicherung, präsentiert von der spanischen Buch-Community leerestademoda.com, deutsche Untertitel vom HR.
     

    Dazu ein Zitat vom Professor und Schriftsteller Umberto Eco:
    "Alles, was wir über uns wissen, verdanken wir der Überlieferung aus Büchern, und das seit bald zweitausend Jahren. Bisher aber gibt es keinen Beweis dafür, dass die elektronischen Geräte ähnlich lange überdauern werden. Und dann ist da unsere taktile, haptische, auch emotionale Verbindung mit Büchern. Wenn wir im Keller Bücher finden, die wir einst als Kind gelesen haben, bewegt uns das. Wenn wir aber eines Tages die Diskette finden, die wir als Kind verwendet haben, kann unser Computer sie nicht mehr lesen, und die Diskette ist dieselbe wie die einer beliebig anderen Person. Dass wir den persönlichen Kontakt verlieren, ist nicht nur für Bibliophile ein Desaster. Eine kleine Minderheit elektronischer Taliban wird nur mit iPads und E-Books umgehen, alle anderen werden Bücher weiterhin brauchen, davon bin ich überzeugt."
    Interview mit Umberto Eco, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11. Dezember 2010

    21. Dezember 2010

    Klausuren schreiben

    Ich mag keine Klausuren. Es gibt bessere Prüfungsformen für die wissenschaftliche Ausbildung. Aber Klausuren haben nun einmal ihren festen Platz an der Hochschule und in der Studien- und Prüfungsordnung. Als Hochschullehrer muss ich Klausuren entwerfen, die Studenten eine faire Chance geben, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zu zeigen.

    Zur Fairness gehören ein paar Tipps, wie man aus Klausuren das Beste herausholt. Im Folgenden gehe ich auf Klausuren in meinen Fächern ein (Europapolitik, Wirtschaftspolitik, Sozialsysteme in Europa, Internationales Management). Juristische Klausuren, Sprachfächerklausuren oder solche, bei denen Sie "rechnen" müssen, haben naturgemäß andere Schwerpunkte.

    Standardisierte Fragen
    Ankreuz-Fragen gibt es in mehreren Formaten. Im "Richtig/Falsch"-Format wird eine Aussage präsentiert, die entweder falsch oder richtig ist. Bei "Multiple Choice" gibt es, wie der Name schon sagt, mehrere Antwortmöglichkeiten auf eine Frage – sozusagen R/F-Fragen mit mehreren Optionen. Zudem sind Lückentext-Fragen und Kurzantwort-Fragen möglich.

    Eine lange Batterie von Fragen kann furchteinflößend sein. Wichtig ist zu wissen, dass die Fragen selten stets dasselbe Niveau haben, selbst wenn es für alle dieselbe Punktzahl gibt. Es gibt einfache, mittelschwere und schwere. Einige MC oder R/F-Fragen fragen ganz simpel nur nach einem Fachbegriff oder einer Tatsache. Andere erfordern eine Auseinandersetzung mit einem Konzept oder gar analytisches Denken. Einige sind vielleicht sehr speziell.

    Die Mischung ist im Idealfall so, dass der Großteil der Studenten den Großteil der Fragen richtig beantworten können, wenn sie halbwegs gut aufgepasst und sich den Stoff kontinuierlich angeeignet haben. Einige Fragen sind dagegen schwierig und erfordern etwas Knobelei. Das sind sozusagen die Fragen für "Einser"-Kandidaten

    Verschaffen Sie sich zunächst eine Übersicht über die Themengebiete, die mit solchen standardisierten Fragen abgeprüft werden.

    Rechnen Sie überschlägig, wie viel Zeit Sie für die einzelne Fragen aufwenden können. Gesamtzeit der Klausur und Zeit für andere, nichtstandardisierte Klausurteile einbeziehen. Wenn der Teil mit den standardisierten Fragen 40% aller möglichen Punkte der Klausur umfasst, planen Sie auch nur 40% der Zeit dafür ein – und rechnen Sie das auf die Anzahl der Fragen herunter.

    Effiziente Klausurlöser gehen die Einzelfragen ziemlich schnell durch. Eine gute Regel ist es, den Fragenkatalog dreimal durchzugehen: Beim ersten Durchlauf beantworten Sie zunächst die für Sie einfachen Fragen. Halten Sie sich mit Fragen, die Sie nicht auf Anhieb beantworten können, nicht auf. Markieren Sie diese und gehen sofort weiter. Beim zweiten Durchlauf konzentrieren Sie sich auf die problematischen Fragen. Beim dritten Durchlauf überprüfen Sie alle Antworten und, wenn Sie auf eine Frage wirklich keine Antwort wissen, raten Sie bei den übriggebliebenen Fragen.

    In jedem Fall sollten Sie ALLE Fragen beantworten. Zumindest in meinen Klausuren gibt es keine Punktabzüge für falsche Antworten. Selbst wenn Sie raten müssen: Bei einer Richtig/Falsch-Frage haben Sie eine 50%-Chance, die korrekte Antwort anzukreuzen. Bei einer Multiple-Choice-Frage mit vier Antwortmöglichkeiten liegt die Chance immerhin noch bei 25%. Das ist besser als die Frage auszulassen (= 0%).

    Lesen Sie sehr genau. Flüchtiges Lesen der Frage kann sich rächen. Achten Sie vor allem auf Wörter, die die Frage/Aussage stark verallgemeinern oder stark begrenzen ("alle", "keiner", "jeder", "nie", "immer"). In der Wissenschaft geht es oft um Differenzierung und Einschränkungen, daher sollten Pauschalaussagen immer kritisch betrachtet werden. Heißt: solche Aussagen sind der Tendenz nach falsch.

    Etwas tricky sind negative Formulierungen (Verneinungen). Aufgrund der Frage-Antwort-Struktur lassen diese sich für den Autor einer Klausur mit Multiple-Choice-Elementen kaum vermeiden. Achten Sie also genau darauf, was die Verneinung beinhaltet. Streichen Sie das negative Wort (nicht, nie, Präfix un- usw.) und überprüfen Sie, ob die Aussage dann stimmt.

    Manchmal wird bei Richtig/Falsch-Fragen eine Aussage präsentiert, die aus zwei Teilen besteht: der eine Teil ist richtig, der andere nicht. Dann ist aber die Gesamtaussage falsch. Also genau lesen: Stimmt die Gesamtaussage?

    Wenn Sie die Frage gelesen haben, überlegen Sie zuerst ohne Blick auf die vorgegebenen Antworten, wie Ihre spontane eigene Antwort lauten würden. Und erst dann überprüfen Sie, welche der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten dieser entspricht.

    Bei Multiple-Choice-Fragen: Nutzen Sie das Ausschlussverfahren: Streichen Sie die Antwortoptionen, die auf keinen Fall stimmen können. Gibt es mehrere "gute" Antworten, wählen Sie die "beste".

    Wenn Sie eine mögliche Antwort nicht verstehen, mag das nicht an Ihrer Unfähigkeit liegen. Dozenten bauen durchaus Antwortoptionen ein, die unsinnig und unlogisch sind und mit dem Thema der Frage nichts zu tun haben; bei Fachbegriffen kommen oft Begriffe vor, die ähnlich klingen wie der gesuchte richtige Begriff, die es aber nicht gibt oder die etwas völlig anderes bedeuten.

    Kurze und lange Essayfragen
    Bei kurzen Essayfragen geht es meist um Fachbegriffe und Konzepte, die man knapp und kurz beantworten kann. Wenn ein Antwort in 2-5 Sätzen gefragt ist, ist es ausgeschlossen, dass ein komplexer Sachverhalt differenziert erläutert werden soll. Es geht also nur darum, einige wenige Punkte präzise zu treffen, z.B. einen Schlüsselbegriff zu nennen und die damit zusammenhängende Problematik. Manchmal dreht sich die Frage um einen typischen Fall, der in der Lehrveranstaltung eingehender behandelt wurde – oder einen ähnlichen. Auch hier gilt: Lesen Sie die Frage genau.

    Lange Essayfragen geben Ihnen dagegen Raum, um Ihr komplexes Wissen auszubreiten und anzuwenden. Hier kann es um Theorien und Thesen gehen, bei denen es keine pauschal richtige Antwort gibt. Vielmehr ist gefragt, dass Sie einen Ansatz entwickeln, ein Problem analytisch aufdröseln, Ihr Wissen auf einen größeren Fall anwenden, eine Argumentationskette anlegen, differenzieren und erläutern – möglicherweise interpretieren und eine persönliche Position vertreten.

    Bei langen Essays haben Studenten oft Schwierigkeiten mit der Konzept- und Zeitplanung. Der Sinn eines Essays ist, dass Sie eine überzeugende, in sich stimmige Argumentation vorbringen können. Ihr Essay mag am Ende kurz wirken, aber wenn es solide strukturiert und präzise formuliert ist, bringt es Ihnen volle Punktzahl. Umgekehrt gilt: Labertexte, bei denen ein Student fehlendes Wissen mit vielen Worten kaschiert, beeindrucken nicht. Wenn Sie einfach drauflosschreiben, vergessen Sie möglicherweise wichtige Dinge. Unbedingt vorher eine Skizze über die Inhalte anfertigen, die hineinmüssen (im Sinne einer Checkliste). Und bitte geben Sie die Skizze mit ab, denn wenn Sie nicht fertig werden, kann ich Ihnen immerhin noch Punkte geben für die dort enthaltenen Ideen, selbst wenn sie nicht ausformuliert wurden.

    Wenn Sie argumentieren, stützen Sie Ihre Argumente Beispiele aus der Vorlesung und aus Ihrer Lektüre, zitieren Sie, zeigen Sie Bezüge zu in der Lehrveranstaltung diskutierten Fragen auf. Kratzen Sie nicht nur an der Oberfläche, vermeiden Sie zu allgemeine Aussagen, werden Sie konkret.

    Achten Sie auch hier auf die Frageformulierung. "Beschreiben Sie..." heißt etwas anderes als "Vergleichen Sie..." Wenn dort steht: "Interpretieren Sie kritisch und formulieren Sie eine eigene Position", dann will ich sehen, dass Sie über die Text- oder Datengrundlage hinausblicken, etwas kritisch betrachten und eine Meinung vertreten können – egal, ob pro oder contra, so oder so, nur nicht einerseits-andererseits, wischi-waschi. Hier zählt Positionierung und Originalität.

    "Open Book"
    In manchen Klausuren ermögliche ich, Lehrbücher und Lernmaterialien bei der Klausur zu benutzen. Das soll Sie von der Strategie "Auswendiglernen" abhalten und etwas den Druck nehmen.

    Dadurch wird die Klausur aber nicht per se einfacher. Es liegt auf der Hand, dass es in einer solchen Klausur weniger um die Reproduktion von einfachem Faktenwissen als vielmehr um Problemverständnis und Zusammenhänge geht. Eine Open-Book-Klausur prüft Ihre Fähigkeit, das Gelernte auf neue Fragestellungen oder Fälle anzuwenden, neue Texte (z.B. einen Zeitungskommentar) zu analysieren und zu strukturieren.

    Die zugelassenen Bücher und Mitschriften werden Ihnen nicht helfen, wenn Sie diese nicht kennen. Wenn Sie die Klausurzeit mit wildem Blättern und Suchen verschwenden, kostet Sie das viel zu viel Zeit. Beschäftigen Sie sich also vorab intensiv mit Buch- und Materialorganisation, ordnen Sie Ihre Papiere und das Buch (z.B. durch Markierungen, Klebezettel, Kurznotizen).

    Arbeiten Sie zunächst die Fragen durch, für die Sie Buch und Mitschriften nicht benötigen. Fragen, bei denen Sie nachschlagen müssen, bearbeiten Sie erst später.

    In Essayfragen können Sie aus dem Buch zitieren, um Ihre Argumente zu stützen. Schreiben Sie aber bitte keine Zitate-Parade. Weniger ist mehr: Der Schwerpunkt liegt auf Ihren eigenen Gedanken.

    Wie schreibt man eine Einleitung?

    Wie schreibt man eine gute Einleitung? Hinterher. Die Einleitung schreiben Sie, wenn der Hauptteil steht. Wenn Sie genau wissen, was Sie wie einleiten wollen, fällt das Schreiben viel leichter.

    Zu Beginn einer Arbeit sollten Sie sich daher nicht allzu sehr den Kopf über die Einleitung zerbrechen. Verwenden Sie die Energie lieber auf die Gesamtstruktur Ihrer Beleg- oder Abschlussarbeit und auf den Hauptteil. Für die Einleitung reicht ein Konzept, ein Rohentwurf zunächst aus.

    Was eine Einleitung nicht ist
    Hin und wieder verwechseln Studenten die Einleitung mit anderen Bestandteilen einer wissenschaftlichen Arbeit. Eine Einleitung ist...
    • kein Abstract (übrigens: "das" Abstract, nicht "der"). Abstracts sind knappe Inhaltsangaben, die einer Arbeit, also auch der Einleitung, vorangestellt werden.
    • kein Vorwort. Ein Vorwort ist eine persönliche Stellungnahme, in der z.B. Danksagungen ihren Platz haben. In Büchern und bei Abschlussarbeiten findet man häufiger ein Vorwort, in Belegarbeiten ist das unüblich.
    Was die Einleitung leisten muss
    Die Funktion einer Einleitung ist es,
    • dem Leser Orientierung über den Inhalt der Arbeit zu geben,
    • die Wahl des Themas zu begründen (warum ist es relevant, wichtig, nützlich),
    • das Thema inhaltlich von ähnlichen Themen abzugrenzen,
    • ein Ziel für die Arbeit zu nennen (ggf. ein Oberziel und mehrere Teilziele),
    • die Fragestellung differenziert zu entwickeln (und zwar so konkret, dass Sie auch "beantwortbar" ist),
    • ggf. eine These oder Hypothese vorzustellen und zu begründen,
    • dabei Annahmen und Vermutungen offenzulegen,
    • zentrale Begriffe zu klären,
    • die verwendete(n) Methode(n) offenzulegen,
    • offenzulegen, welche Informationen, Daten, Quellen verwendet werden,
    • Aufbau/Gliederung der Arbeit und den "Gang der Untersuchung" zu erläutern.
    Die Einleitung stellt die Frage, der Hauptteil gibt die Antwort, und der Schluss sichert die Ergebnisse. Insofern geht es in der Einleitung definitiv nicht um Details des Themas. In der Einleitung untersuchen Sie nicht. Sie sagen nur, was Sie untersuchen werden und wie Sie untersuchen werden.

    Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, einen "interessanten" Anfang zu machen – vom persönlichen Aufhänger/Motivation über eine Anekdote oder Story und aktuelle Berichte in den Medien bis zum Herausstellen einer praktischen Problemlösung. Ein pointierter erster Absatz ist wunderbar – aber der allein erledigt die Aufgabe nicht. Die Einleitung ist nicht vorrangig eine literarische Herausforderung, die den Leser motivieren soll. In erster Linie ist die Einleitung der Beweis,
    • dass Sie Ihr eigenes wissenschaftliches Projekt solide organisiert und konzipiert haben
    • und dass Sie Methoden und Techniken Ihrer Fachdisziplin auf einen komplexen Sachverhalt anwenden können.

    Ein häufiger Fehler ist es, dass Studenten mitten ins Thema springen. Die eigentliche Einleitung besteht dann nur aus ein oder zwei Absätzen, die bestenfalls die Aufmerksamkeit des Lesers binden und wolkig ins Thema gleiten – ohne dass die Funktionen der Einleitung erfüllt werden. Meist ist es dann so, dass die Fragestellung und die Methoden- und Quellendiskussion unzureichend sind.  Es gibt viele fleißige Studenten, die Unmengen an Material zusammentragen, aber nicht aufzeigen, wie sie das tun. Wenn die Note hinterher nicht so grandios ist, sind sie enttäuscht oder verärgert.

    Viele Studenten meinen, es geht "nur ums Thema". Um Zahlen, Daten, Fakten, die inhaltliche Substanz des Problems, garniert mit ein paar Bezügen zur Literatur. Nein, eine Abschlussarbeit soll vielmehr zeigen, dass Sie ein Thema wissenschaftlich bearbeiten können. Die eigentliche Leistung besteht nicht aus der Zusammenstellung von Informationen, sondern darin, Informationen auf einem wissenschaftlichen Weg zu gewinnen und zu bearbeiten. Dazu gehört vor allem eine konkrete, präzise Fragestellung, eine präzise Abgrenzung und nicht nur ein allgemeiner inhaltlicher Rahmen ("Thema"), und Bewusstsein dafür, dass Sie jeden Schritt der Untersuchung erläutern müssen. Das "Wie" ist also genauso wichtig wie das "Was". Und das zeigt sich auch und gerade in der Einleitung.

    Wissenschaftlichkeit besteht gerade darin, das Vorgehen der Untersuchung explizit und nachvollziehbar zu machen. Der Autor soll zudem zeigen, dass er einen klaren Fokus hat, seine Untersuchung abgrenzen kann, sich der Stärken und Schwächen bestimmter Methoden und der Grenzen seiner Untersuchung bewusst ist, dass er über das reflektieren kann, was er da tut.

    Zu kurz, zu lang? Der Umfang einer Einleitung
    Wie umfangreich die Einleitung sein muss, ist daher keineswegs mit einer Standardformel (à la "höchsten fünf Prozent des Gesamtumfangs") zu beantworten.

    Einleitungen sind oft zu kurz, nach meinem Anspruch jedenfalls: Wenn Sie die oben genannten Funktionen erfüllen wollen, liegt es auf der Hand, dass Sie mehrere Seiten schreiben werden.

    Eine umfangreiche Arbeit, z.B. eine Master's Thesis, bedarf möglicherweise eines separaten Kapitels zu Methoden und Forschungsdesign oder eines separaten Kapitels zu Theorie oder Literatur/Forschungslage oder zum Hintergrund des Problems, das man bearbeiten möchte.
    • Wenn Sie z.B. umfangreiche Experteninterviews führen, eine quantitative Befragung umsetzen, eine Analyse zahlreicher Dokumente durchführen oder vorrangig Zahlenmaterial von statistischen Ämtern oder Datensammlungen durchackern, dann wird im Regelfall ein von der Einleitung getrenntes Kapitel zu den Methoden und Datenquellen erforderlich sein.

    Ist das bei Ihnen sinnvoll oder notwendig – und das sollten Sie explizit mit Ihrem Betreuer besprechen –, dann kann die Einleitung recht knapp ausfallen. Sie bietet dann nur einen knappen Überblick.
    Andernfalls haben Sie eine ganze Menge in der Einleitung unterzubringen.

    Es gibt auch Einleitungen, die sind zu lang. Meist passiert das, wenn ein Autor
    • Ergebnisse seiner Untersuchung vorwegnimmt, die in den Hauptteil gehören, 
    • oder ganz viel Kontext für die Untersuchung liefert, der seiner Meinung nach zum Verständnis der Arbeit notwendig sind.
    Einleitungen untersuchen nicht. Sie erklären nur die Untersuchung. Einleitungen sind auch nur begrenzt als "Hintergrundkapitel" zu gebrauchen. Einleitungen liefern keine Details über den Untersuchungsgegenstand – nur soviel, wie zur Orientierung nötig ist. Umfangreiche Hintergründe gehören auch in den Hauptteil.

    20. Dezember 2010

    Mitschreiben mit System: "Cornell Notes"

    Als ich in Amerika Student war, habe ich mich zu Anfang gewundert, dass viele meiner Mitstudenten beim Mitschreiben in der Vorlesung und im Seminar ein spezielles System verwendeten (siehe unten). Sie teilten ihr Blatt jeweils in vier Teile auf. Für die normalen Notizen verwendeten sie aber immer nur den einen großen Kasten rechts. Wie ich dann erfuhr, heißt das Notizensystem "Cornell Notes".

    Das heißt so, weil es 1949 ein Professor der Cornell University erfunden hat. Sinnigerweise hieß der Mann Walter Pauk (!). Sein Ratgeberbuch "How to Study in College" ist seit Jahrzehnten ein bei Studenten populäres Standardwerk.

    In den USA ist das System weit verbreitet, auch in Deutschland gibt es Fans. Für das Format gibt es sogar online einen personalisierbaren Arbeitsblatt-Generator und natürlich Blankoseiten zum Ausdrucken.

    Der Sinn der Sache besteht in der besseren Übersicht, vor allem aber steckt dahinter eine Methode zur Nacharbeit von Vorlesungen.
    • Während der Lehrveranstaltungen schreiben Sie im großen Kasten mit wie gewohnt.
    • Nach der Veranstaltung aber füllen Sie die beiden Kästen links und unten.

    Die Spalte links ist die so genannte "Cue Column" oder "Recall Column". Wenn Sie Ihre Notizen also durchgehen, schreiben Sie links wichtige Begriffe und zentrale Ideen hin. Oder Fragen: Wenn die Notizen rechts die Antworten sind, dann sollten links die dazugehörigen Fragen auftauchen (z.B. "Was ist...?" oder "Warum...?" oder "Wie funktioniert...?")

    Wenn Sie Fragen formulieren, müssen Sie Ihre Mitschrift noch einmal durchdenken. Zusammenhänge werden klarer, die Bedeutung erschließt sich neu, und Sie behalten die Inhalte besser im Gedächtnis.

    In der Box für die Zusammenfassung ("Summary Box") schreiben Sie sehr knapp (3-4 Sätze) in eigenen Worten, worum es in den Notizen oben rechts im Kern geht. Auch das hilft Ihnen, den Inhalt zu rekapitulieren und die Relevanz zu erschließen. Hier können zudem Anschlussfragen notiert werden. Oder der Transfer zu anderen, eigenen Beispielen und Anwendungsmöglichkeiten.

    "Cornell Notes" sind ein ziemlich simples System für das handschriftliche Notieren. Aber sehr effektiv für das strukturierte Nacharbeiten und gut für die Prüfungsvorbereitung:
    • Wenn Sie in der linken "Recall Column" Fragen formuliert haben, können Sie z.B. die rechte Seite mit einem Blatt abdecken und testen, ob Sie die Fragen richtig beantworten können.
    Hier gibt es eine schöne PowerPoint-Präsentation zum Umgang mit "Cornell Notes", und hier noch eine Beispielseite (PDF).

    Vorlagen auf der Microsoft-Homepage gibt es für Microsoft Word, PowerPoint und das Notizenprogramm OneNote (wenn Sie digitale Mitschriften bevorzugen, siehe Blogbeitrag).

    Mitschreiben digital – Microsoft OneNote und Evernote für Vorlesung und Seminar

    Als Prof blickt man im Hörsaal meist auf einen Wald von Notebooks und Netbooks. Klar, da wird während der Lehrveranstaltung gedaddelt, gesurft, gemailt. Das lenkt ab und verhindert das Lernen. Es gibt Kollegen, die verbieten sogar Computer auf dem Tisch. Das halte ich für Unfug. Denn die meisten Studenten benutzen ihren Computer durchaus für akademische Zwecke.

    Viele starten MS Word (oder OpenOffice Writer) und verwalten ihre Mitschriften in der Textverarbeitung. Gibt es bessere Möglichkeiten als das? Ja!

    Nämlich Notizen-Programme: Evernote (aus der OpenOffice-Familie) und Microsoft Office OneNote.

    OneNote wird bei der Version “Office Home and Student Suite” mitgeliefert. Die Software ist gedacht für das Anfertigen und Verwaltung von Mitschriften (Vorlesungen, Seminare, Besprechungen). Die Verwaltung wird in Notizbüchern, Abschnitten, Seiten und Unterseiten ermöglicht. Man kann Grafiken und PDFs sowie Audio- und Videoaufzeichnung einbetten, schön verlinkt mit den eigenen Notizen. Außerdem lassen sich Mitschriften leicht an weitere PCs senden und synchronisieren.

    Microsoft hat vier Video-Schulungen veröffentlicht (auch auf YouTube), die die Arbeit mit OneNote anschaulich erläutern:
    Die vier Folgen sollten Sie sich unbedingt ansehen. Sie werden merken, dass die Software ziemlich gut fürs Studium geeignet ist. Zwar müssen Sie sich etwas in die Bedienung einfuchsen. Aber dafür bringen Sie schnell ein echtes System in Ihre Mitschriften. Die elektronische Kladde hilft daher auch bei der Studienorganisation und bei der Prüfungsvorbereitung.

    Der Osnabrücker IT-Berater Bernd Brandenburger moderiert die Videos. Die erste Folge führt Sie in die Basiselemente von OneNote ein. Da geht es erst einmal um die Oberfläche, dann darum, wie man Notizbücher anlegt und auf mehreren Computern (z.B. auch Desktop-PC zu Hause oder mit mehreren Kommilitonen gemeinsam geführte Notizbücher) verwendet, wie man Abschnitte und Seiten einfügt, wie man Tools z.B. zum Zeichnen einsetzt, wie man Suchfunktionen benutzt, wie man Office-Vorlagen von der Microsoft-Homepage lädt und einiges mehr.

     
    In der zweiten Folge geht es um die Verbindung von OneNote und Outlook. Denn Aufgaben aus OneNote lassen sich direkt in Outlook übernehmen, oder aus einem Outlook-"Termin" oder einer Outlook-"Aufgabe" direkt Besprechungsnotizen starten. Beispielsweise bekommen Sie eine Email von Kommilitonen in einer Arbeitsgruppe oder vom Prof über das E-Learning System Moodle ("Learn@Wildau"). Da gibt es dann vielleicht Hinweise, Ergänzungen oder Links, die Sie in Ihre Vorlesungs-Notizen einfügen möchten. Email im Outlook öffnen und den Button "an OneNote senden". Umgekehrt können Sie auch Ihre in OneNote erstellten Notizen über Outlook versenden – nicht nur an Email-Empfänger, sondern auch an sich selbst, nämlich in die Verwaltung von "Terminen" und "Aufgaben" in Outlook. Nützlich z.B. für Lektüreplanung, Hausaufgaben und Arbeitsgruppen.

     

    Folge drei widmet sich dem gemeinsamen Notizbuch, das Sie mit anderen Kommilitonen zusammen führen können. Wenn Sie mal nicht zur Vorlesung kommen können, ist das ebenso praktisch wie wenn Sie arbeitsteilig mitschreiben wollen. Dafür legt man z.B. extern auf einem Netzwerk-Sharepoint (Internet-Festplatte, z.B. Windows Live SkyDrive mit gratis 25 GB Speicherplatz) ein gemeinsames Notizbuch an. Praktischerweise wird automatisch synchronisiert: Sobald also jemand aufs Notizbuch zugreift, wird für alle aktualisiert. Wer's über Windows Live macht, kann Kommilitonen über die Windows Live-ID einladen.

     

    Schließlich geht Folge vier in ähnlicher Absicht wie in Folge drei auf die Nutzung des Programms Groove ein. Das ist eine Komponente im Office2007-Paket, mit der man übers Internet Daten von Computer zu Computer übertragen und synchronisieren kann. Das ist so eine Mischung aus Outlook und SharePoint, bei der die Daten allerdings dezentral gespeichert werden, nicht auf einer externen Festplatte wie in Folge drei. Es wird gezeigt, wie man einen gemeinsamen Arbeitsbereich für eine Lerngruppe anlegt, wie man sich Nachrichten schickt und mit diversen Tools arbeitet. Wichtig: Groove gibt es ab Office2010 als Produktname nicht mehr, wird jetzt "SharePoint Workspace 2010"  genannt. Die Vollversion gibt es nur in teureren Office-Paketen. Mit kostenfreien Programmen wie Dropbox usw. kann man aber auch arbeiten.



    Alles in allem bietet OneNote also eine ziemlich gute Lösung für die eigenen Notizen und für den Austausch mit anderen Studenten.

    19. Dezember 2010

    Lesetechniken: Mehr aus einem Text herausholen

    Mit dem Lesen haben Studenten oft Kummer. Man liest und liest und liest, und irgendwie ist der Ertrag nicht so, wie er sollte. "Warum geht das nicht in meinen Kopf hinein?"

    Das hat oft etwas mit der Lesetechnik zu tun. Dass man ein wissenschaftliches Fachbuch nicht so "weglesen" kann wie ein interessantes Sachbuch oder einen Thriller, merkt jeder Student im ersten Semester.  Und im Vergleich zu Schulbüchern sind die an Hochschulen verwendeten Lehrbücher auch viel komplexer, viel weniger in kleine Bissen unterteilt, die man auf einen Haps verschlingen kann.

    Worum es hier geht, das ist das vollständige analytische Erfassen eines Textes. Man muss "intensiv" lesen. Sonst funktioniert es nicht. Richtig, das ist mühsam. Man braucht viel Zeit, muss mitdenken, wiederholen, sich konzentrieren. Und deshalb ist das nur bedingt möglich, wenn man die Lektüre in Bus und Bahn verlegt oder hektisch in einer kurzen Pause erledigt.

    Gekonnt lesen
    Die Professorin Hania Siebenpfeiffer von der Uni Greifswald hat in einem nützlichen Handout "Gekonnt lesen" zu einer Lehrveranstaltung eine ganze Reihe von Tipps zum besseren Lesen parat. Sie unterscheidet erst einmal sechs Lesetechniken:

    Punktuelles Lesen 
    • Sie lesen den Text nur in Teilen.
    • Sie unterbrechen Ihr Lesen und springen von Stelle zu Stelle.
    • Der Sinn entsteht aus einem Mosaik von Infos.
    • Ählich wie Hypertext, von Link zu Link: nicht-lineare Textstruktur, oft bei einzelnen Kapiteln aus Monografien.
    Diagonales Lesen (‚Querlesen‘)
    • Sie überfliegen den Text
    • Sie erfassen die wichtigsten Textinhalte und Textstrukturen
    • „Anlesen“: Sie lesen einzelne Sequenzen (Stichprobe)
    Kursorisches Lesen
    • in der Regel vollständige Lektüre des Textes, meist auf der Basis vorheriger diagonaler Lektüre
    • Sie heben einzelne Textstellen durch Markierungen hervor
    • Sie machen sich Notizen zu Unklarheiten
    • Sie teilen Argumentationsabschnitte ein
    Sequenzielles Lesen
    • Voraussetzung ist die kursorische und diagonale Lektüre
    • Sie lesen den Text genau und vollständig
    • Sie vertiefen sich in einzelne wichtige Passagen (Sequenzen)
    • Sie lesen Absatz für Absatz
    • Sie machen sich Notizen zu den wichtigsten Argumentationsschritten
    Intensives Lesen 
    • genaues und detailliertes Erfassen des Textes
    • Sie untersuchen einzelne Aspekte je nach Textgattung, z.B. Aussageabsicht, rhetorische Figuren, Argumentationsstrukturen etc.
    • Sie machen sich ausführliche Notizen zu Aufbau, Thema, Argumentation, Terminologie, Methode sowie eigene Assoziationen, Fragen und weiterführende Überlegungen
    Rekapitulierendes Lesen
    • abschließendes ‚Überfliegen‘ des Textes in Hinblick auf den argumentativen Gesamtzusammenhang (‚roter Faden‘).
    • Sie überprüfen und ergänzen Ihre Notizen.
    • Sie frischen ihr Lektürewissen auf.
    Im Idealfall lesen Sie also einen wichtigen Text mehrmals: Erst "quer" und kursorisch, dann sequenziell und intensiv, schließlich rekapitulierend.

    "Wer hat denn Zeit für sowas?", mögen Sie jetzt fragen. Nun, man macht das nicht bei jedem Text, ganz klar. Aber wenn es wichtig ist, wenn etwas hängenbeiben soll und wenn Sie etwas gründlich verstehen und aufnehmen wollen, dann geht es nicht anders. Je komplizierter die Materie ist, desto notwendiger ist die Abfolge, die Siebenpfeiffer hier vorschlägt.

    Das Gelesene festhalten
    Jetzt haben Sie schon eine Menge getan, aber bei wichtigen Texten müssen Sie noch einmal ran. Es geht ums "Reflektieren und Archivieren", wie Siebenpfeiffer es nennt. Da bieten sich drei Techniken an: das Leseprotokoll, das Exzerpt und das Konzept.

    1. Leseprotokoll
    In einem Leseprotokoll, so Siebenpfeiffer, werden alle Überlegungen, Beobachtungen, Ideen und Einfälle, die sich während des Lektüreprozesses eines Textes ergeben, ihrem Erscheinen nach notiert und zwar in Ihrer eigener Sprache bzw. in eigenen Worten und losgelöst vom gelesenen Text.
    • Sie protokollieren also erst einmal ihren Leseprozess.
    • im Verlauf eines Leseprotokolls werden die Notizen immer "dichter", man baut automatisch die Gedankengänge zusammen.
    • Das Ziel ist es, die Ergebnisse der Lektüre festzuhalten, mit der Betonung auf Analyse: was bedeutet X oder Y, worauf bezieht sich der Autor, welche Querverbindungen gibt es?
    • Leseprotokolle sind daher oft umfangreich; man muss hinterher systematisieren und sortieren.
    • Man kann in regelmäßigen Abschnitten, z.B. am Ende eines Textabschnitts, das bisher Notierte bündeln und zu ersten Ergebnissen zusammenfassen.
    2. Exzerpt
    Wenn Sie "exzerpieren", lassen Sie Ihre eigenen Gedanken beiseite. Das Exzerpt ist eine Zusammenstellung wichtiger Inhalte des Textes, und zwar wortwörtlich. Es ist ein Auszug, ein Extrakt, eine gekürzte Version mit den wesentlichen Passagen eines Textes. Gewissermaßen eine verbundene Zitatesammlung.
    • Es geht nicht unbedingt darum, den gesamten Text wiederzugeben. Wenn Sie eine bestimmte Zielrichtung haben, ein bestimmtes Thema, eine Fragestellung (z.B. für ein Projekt, eine Belegarbeit oder Abschlussarbeit) dann werten Sie den Text genau danach aus: Sie nehmen nur das, was Sie brauchen und was "passt".  Sie müssen also bewusst auswählen.
    • Die Textpassagen sollen mit der genauen Angabe ihres Ursprungsortes (Texttitel, Verfasser, Ausgabe und Seitenzahl) abgeschrieben werden. Sie schreiben also direkte oder indirekte Zitate aus.
    3. Konzept
    Das Konzept legt die Argumentation, die Organisation, Aufbau und Ablauf eines Textes offen. Es geht also ausschließlich um die Struktur. Wörtliche Zitate und eigene Gedanken zum Text gehören hier nicht hin. Ziel ist es, sich einen Überblick über die zentralen Fragen und Argumentationsschritte zu verschaffen, gewissermaßen das tragende Skelett und ein bisschen vom Fleisch.
    • Die wesentlichen Fragen, die zu beantworten sind: Was ist der Gegenstand? Was ist das Thema? Welche These(n) hat ein Autor? Welche Hypothese(n) will der Autor überprüfen? Welche Fragestellung wird verfolgt? Wie plant der Autor seine Untersuchung? Wie verläuft die Argumentation? Welche Positionen aus der Forschung behandelt der Autor, woran (und an wen) knüpft er an? Was ist sein Ergebnis?
    Leseprotokoll, Exzerpt und Konzept ergänzen sich und heben auf unterschiedliche Aspekte des Inhalts ab. Alle drei zusammen ergeben eine umfassende Darstellung, Analyse und Interpretation des Textes. Der Text wird zu einem wissenschaftlichen Untersuchungsgegenstand, wird geradezu erforscht.


    Den Aufwand treibt man, wie gesagt, nicht bei jedem Text. Aber genau zu wissen, wie man lesen kann, und dann über die richtige Lesetechnik und Lektüreauswertung zu entscheiden: das man die Schlüsselkompetenz des wissenschaftlichen Lesens aus.


    Buchtipp
    Otto Kruse (2010): Lesen und Schreiben.  Reihe: Studieren, aber richtig, 184 Seiten, UTB / UVK ISBN: 978-3-8252-3355-6 (UTB: 3355), 14,90 Euro.

      Lehrbücher lesen

      Studenten lesen vor allem Lehrbücher (engl. auch: Textbook, Coursebook). Was ist eigentlich ein Lehrbuch, und wie unterscheidet es sich von einem Fachbuch? Und vor allem: Wie liest und nutzt man es am besten?


      Lehrbücher sind für die Lehre da, ist ja logisch. Sie werden von (Hochschul-) Lehrern geschrieben, oft auf der Basis von Überblicksvorlesungen, die die Autoren gehalten haben. Im Idealfall sind Lehrbücher auf die Anforderungen eines bestimmten Fachstudiums abgestimmt. Und: Sie werden von Professoren ausgesucht, oft als Pflichtlektüre, die einen Kurs begleiten soll und Grundlage für Klausuren und andere Prüfungen dient. Bibliotheken kaufen daher auf Vorschlag der Professoren größere Mengen stark nachgefragter Grundlagenliteratur für ihre Lehrbuchsammlungen.
       
      Ob sie sich tatsächlich fürs Lernen gut sind, darüber haben Studenten sehr unterschiedliche Ansichten. Nicht jedes Buch, auf dem "Lehrbuch" draufsteht, ist auch wirklich für Lernende – vor allem Anfänger – geeignet.
      • Gerade im deutschsprachigen Bereich wird mit dem Etikett "Lehrbuch" eher lax umgegangen – jegliche Art von einführendem Text kann das Prädikat bekommen (meist in der Hoffnung einer hohen Auflage). Im englischsprachigen Textbook-Markt investieren Autoren und Verlage häufig deutlich mehr Mühe in Gestaltung, didaktische Aufbereitung und Service für die Lernenden – dafür sind solche Bücher auch meist viel teurer.

      Zurück zur Ausgangsfrage: Lehrbücher sollen Fachbücher sein, die der Aus- und Weiterbildung dienen. Typisch ist, dass sie
      • für Anfänger verständlich sind, also in einer Sprache verfasst werden, die nicht allzu viel Vorwissen und Fachjargon verlangt (leider scheitern Lehrbuchautoren oft genau daran).
      • Fachvokabeln einführen, definieren und auf Sachverhalte und Theorien anwenden. Fachbegriffe werden weniger vorausgesetzt als bei Fachbüchern, die sich ausschließlich an Experten wenden. Oft gibt es zum Wiederholen oder Nachschlagen ein Glossar (am Ende von Kapiteln oder des Buches).
      • Informationen sehr konzentriert und kompakt aufbieten. Da wird nicht allzu viel hin- und hergewendet (im Sinne von Pro und Contra), sondern dargestellt. 
      • überdurchschnittliche viele Übersichtsgrafiken, Tabellen, Definitionsboxen, Merksätze, Schlagwörter und Randbemerkungen einbinden. Auch diese dienen der besseren Vermittlung.
      • die Kapitel als eine Art Lektion konzipieren. Da gibt es meist eine Einführung oder einen Kapitelüberblick (oft mit Lernzielen am Anfang) und am Ende Zusammenfassungen
      • "Navigationshilfen" zur Orientierung einsetzen: Im Vergleich zu anderen Fachbüchern finden sich mehr Überschriften und Zwischenüberschriften. Ein gutes Lehrbuch ist auf den ersten Blick gut organisiert.
      • Fragen zum Verständnis oder zum Zusammenfassen einzelner Konzepte und/oder Fragen zur Diskussion auflisten, oft am Ende eines Kapitels. Solche Fragen sind dafür gedacht, dass Studenten sie zum erneuten Durcharbeiten und als "Testfragen" zur Vorbereitung für Prüfungen benutzen (was Studenten leider selten tun, es sei denn, der Professor gibt das als Hausaufgabe auf).
      • auf weiterführende Literatur sowie auf externe Quellen verweisen, z.B. auch Weblinks.
      Companion Websites: Begleitende Internetseiten zum Lehrbuch
      Zu den neueren Trends deutscher Lehrbucherlage (in den USA ein ziemlich alter Trend) gehören Internetseiten oder ganze Lernportale ("companion websites"). Was findet man dort? 
      • ergänzende Literaturhinweise,
      • Linklisten,
      • Zusammenfassungen und PowerPoint-Folien, die nach Kapiteln gegliedert sind,
      • Multimedia (z.B. Videos und interaktive Grafiken)
      • Glossare,
      • Online-Tests zum Abprüfen des Lernerfolgs,
      • Aktualisierungen, Ergänzungen und Korrekturen zum Buch.
      Also eine ganze Menge Mehrwert – wenn man es denn nutzt. Ein Beispiel sind die Angebote der UTB-Verlagsgruppe "UTB-Mehr-wissen", vor allem für die Reihe der Bachelor-Lehrbücher. (Dafür muss man sich anmelden, manchmal gibt es den Zugangsschlüssel nur mit Bucherwerb.)

      Professoren weisen manchmal darauf hin, sie nutzen und integrieren das jedoch noch eher selten. Trotzdem nachschauen, ob der Verlag zusätzliche Materialien zur Verfügung stellt. Das gilt ganz besonders für englischsprachige Textbooks, da die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass es eine "Companion Website" gibt.

      Tipps zum Lesen von Lehrbüchern
      Auch wenn ein Lehrbuch gut verständlich und eingängig ist: Einmaliges Lesen führt selten dazu, dass man das Wissen vollständig aufnimmt. Man muss Lehrbücher "durchackern", positiv formuliert: sich das Wissen aktiv erarbeiten. Zum Beispiel durch:
      • Zusammenfassen wesentlicher Inhalte in eigenen Worten.
      • Herausschreiben wichtiger Fachbegriffe – lernen Sie diese wie Vokabeln einer Fremdsprache, z.B. mit einem Partner, der Sie abfragt. Gibt es eine Begleit-Seite im Internet, findet sich dort manchmal auch ein "Vokabeltrainer".
      • Durcharbeiten der Verständnis- und Diskussionsfragen am Kapitelende.
      • eingehender Beschäftigung mit Beispielen. Können Sie eigene Beispiele hinzufügen?
      Besonders sinnvoll ist es, wenn Sie Fragen zu einem Kapitel herausschreiben und die Frage in der Lehrveranstaltung stellen. (Professoren mögen das.)

      Ganz wichtig ist, dass Sie verstehen, wie Ihr Lehrbuch das Wissen organisiert. Studenten nehmen Inhaltsverzeichnis und die Erläuterungen für den Gebrauch (z.B. in Vorwort/Einführungen) oft nicht wirklich wahr. Es lohnt sich aber, hier genau hinzusehen:
      • Inhaltsverzeichnis: Wie ist es aufgebaut? Können Sie die Logik des Aufbaus erkennen?
      • Wenn Sie ein einzelnes Kapitel lesen, machen Sie sich ein Bild davon, wo es im Buchaufbau steht.
      • Achten Sie auf Erläuterungen zur Gliederung oder Symbole für Lernhilfen.