13. Oktober 2011

Ich-Form

"Darf man wirklich nicht die Ich-Form benutzen? Muss ich immer 'man' schreiben?", fragt eine Studentin.

Der Streit ist uralt. Dreht er sich nur um eine Stilfrage? Geht's um persönlichen Geschmack?

Nicht ganz. In den meisten Wissenschaften ist die Haltung, dass die Autorin so weit wie möglich hinter der Materie zurücktreten soll. Wissenschaft soll so objektiv und unbelastet von persönlichen Einschätzungen und Einlassungen sein wie möglich. Das drückt sich auch im Stil aus. "Ich" soll inhaltlich gar keine Rolle spielen.

Allerdings: Das ist eher eine Konvention mit Symbolwert -- und vielfach fragwürdig.
  • Ein Text wird nicht automatisch objektiver, nur weil der Autor das "Ich" sprachlich versteckt.
  • Ein Text wird nicht lesbarer und schöner, wenn ein Autor umständliche Passivkonstruktionen benutzt ("Es wird untersucht" oder "Kapitel 3 untersucht" statt "Ich untersuche...") oder gar ständig "man" verwendet.
  • Manche Autoren schreiben in der dritten Person: "Der Autor...", "Der Verfasser...". Studenten kostet das viel Überwindung, es ist ja auch ziemlich komisch, sich beim Schreiben von sich selbst zu distanzieren.
Aus meiner Sicht ist das "Ich" selten wirklich problematisch. In Einleitung und Fazit ist das "Ich" oft eine natürliche Form. Dies pauschal als Fehler und Formatverletzung zu werten, ist übertrieben. (Ich hätte hier auch schreiben können: "Dies..., halte ich für übertrieben." -- Sie sehen, ich kann meine wertende Meinung ausdrücken, ohne "Ich" zu verwenden, trotzdem ist es eine Meinung.)

Allerdings gibt es Studierende, die die sachorientierte Argumentation nicht gut beherrschen und einen wissenschaftlichen Text mit einem Erguss persönlicher Meinungen verwechseln. Da wimmelt es dann von persönlichen Bezügen: "Ich finde", "Ich meine", "Ich denke".

Das führt manchmal auf die falsche Bahn, denn der Autor führt sich selbst als Autorität anstelle einer Quelle oder eines Sacharguments ein.


Das "Ich" lenkt den Leser auch ab. Sie sollten also einen guten Grund haben, wenn Sie im Haupttext ein "Ich" verwenden. Meistens ist es vermeidbar, ohne die Sätze zu verrenken.

Ansonsten gilt: Sprechen Sie mit Ihrem Professor, ob er "Ich" erlaubt oder nicht. Fragen Sie ihn aber auch, warum er das so sieht.

Schließlich: Wir Deutschen sind da im internationalen Vergleich besonders leicht zu kitzeln. Die deutsche Sprache bietet viele Möglichkeiten, den einfachen aktiven Satz zu umgehen, und das ist selbst im Alltag ständig zu beobachten (wie dieser Satz mit zwei "zu" beweist). Eine kulturelle Eigenheit. Im Englischen finden sich viel mehr "Ich" und "Wir", auch in der Wissenschaftssprache; "one" (im Sinne des deutschen "man") sieht man selten, Passivkonstruktionen ebenso.

16. August 2011

Schreibblockade

Wenn's mal wieder länger dauert... hilft nicht immer ein Snickers. Schreibblockaden erlebt jeder Autor (auch Profs). Die meisten gehen vorüber, aber der Zeitdruck einer Haus- oder Abschlussarbeit erlaubt wenig Luxus, um Extrarunden zu drehen.

Eine Schreibpause ist eigentlich nicht schlimm: "Zeiten im Schreibprozess, in denen man nicht vorankommt, die aber zum Prozess dazu gehören. Das sind Phasen, in denen man sich etwas Neues zurechtlegen muss oder vor dem nächsten gedanklichen Schub steht", erläutert Ulrike Lange vom Schreibzentrum der Uni Bochum auf Zeit Online.

Ein Schreibzentrum, Schreibwerkstatt oder Textlabor ist eine Hochschuleinrichtung, an der man das wissenschaftliche Schreiben lernen kann (siehe dazu "Textlabors an Unis Schreiben kann man lernen", auch auf Zeit Online) -- leider gibt es davon in Deutschland nur wenige.

Eine echte Schreibblockade ist etwas anderes als eine Pause: "Von einer Schreibblockade würde ich sprechen, wenn es mit dem Schreiben über lange Zeit überhaupt nicht klappt und eine Person sehr darunter leidet", sagt Lange.  Das klassische Aufschieben sei natürlich auch verbreitet (Mañana-Prinzip: morgen, morgen...).

Ein Grund für Schreibblockaden ist einfach mangelnde Erfahrung und Defizite im Training. "Die Fähigkeiten zum wissenschaftlichen Schreiben werden immer noch zu wenig systematisch vermittelt. Viele Studierende sind mit ihren Fragen sehr alleine", weiß Lange.

So ist oft schon der Start ins Schreiben ein Problem:
Ein Hindernis ist häufig die Unklarheit darüber, was überhaupt zu tun ist. Was genau ist das Thema, was wird verlangt? Oft stellen Lehrende Themen, die nicht ausreichend eingegrenzt sind. Und viele Studierende suchen sich selbst in ihrer Begeisterung Themen, die ihnen zu groß sind. Das kann zur Folge haben, dass sie nicht anfangen können. Sie wissen ja nicht wo.
Das ist richtig: Je klarer die Grenzen definiert sind, desto leichter ist es meist auch, die Aufgabe zu strukturieren und ein Konzept zu entwerfen. Ist das Thema sehr breit und diffus, zerbricht man sich endlos den Kopf.

Lange gibt den Tipp, sich zu Beginn noch einmal mit den formalen und inhaltlichen Rahmenbedingungen zu beschäftigen -- vom Seitenumfang über den Anspruch an die Quellenauswahl bis zur Aufgabe (vorhandene Literatur zusammenfassen oder eigene Interpretation). Eine Fragenliste schreiben und damit noch einmal zum Dozenten zu gehen, lautet ihr Tipp.
"Auch über die einzelnen Arbeitsschritte sollte man sich Klarheit verschaffen. Die erste Fassung braucht noch nicht perfekt zu sein. Wenn das Anfangen schwer fällt, kann es hilfreich sein, erst einmal nur Ideen zu sammeln und zu ordnen. Oder man schreibt eine noch holprige Rohfassung, um diese dann sprachlich zu überarbeiten."
Fehlt das persönliche Interesse an einem Thema, kann man trotzdem eine positive Seite sehen: "Da ist es umso wichtiger, die Hausarbeit handwerklich anzugehen. Auch aus einer Arbeit, die einen inhaltlich wenig interessiert, kann man etwas lernen. (...) Man kann sich zum Beispiel vornehmen, eine besonders gute Gliederung zu entwerfen." Ziel sei es dann, sich von Hausarbeit zu Hausarbeit weiterzuentwickeln. "Über die Hausarbeiten sollen sich Studierende ja die für die Abschlussarbeit nötigen Fertigkeiten aneignen. Das Schreibenlernen ist ein langer Prozess, der nicht mit dem Abi abgeschlossen ist. Schreiben lässt sich nur durch Schreiben lernen."

28. Juli 2011

"Vgl." - eine seltsame Zitiermarotte

Vgl. heißt: Vergleiche. Viele Studenten belegen ihre Quellen so: "Vgl. Müller 2009, S. 12". Sie machen ds so, weil sie es auch bei ihren Profs und in Büchen sehen. Aber eigentlich ist das "Vgl." meistens Unsinn: Da gibt es gar nichts zu vergleichen. Entweder es ist ein Quellenbeleg, dann gehört da kein "Vgl." hin; oder es ist keiner, dann ist auch der ganze Beleg überflüssig. Eine Reihe von Politikern ist damit aufgefallen, schlampig zitiert zu haben, und dabei spielte auch ein sehr liberales Verwenden von "Vgl." eine Rolle -- weil das "Vgl." scheinbar erlaubt, großzügig mit den Originalquellen umzugehen, statt präzise zu zitieren.

In einem Interview mit der Zeit bringt der Bonner Jura-Professor Wolfgang Löwer das Problem auf den Punkt:

ZEIT: Warum reicht dann die Formulierung »Vergleiche Professor X« nicht aus?

Löwer: Weil diese Formulierung nichts erklärt. »Vergleiche« heißt: Lieber Leser, du kannst bei Professor X Weiteres zum Thema lesen. Wenn meine Studenten in einer juristischen Prüfungsarbeit »Vergleiche« schreiben, notiere ich am Rand immer: »Warum geben Sie mir Leseempfehlungen? Ich möchte Belege.«

ZEIT: Sie selbst schreiben niemals »Vergleiche«?

Löwer: Doch, zum Beispiel in Beiträgen für ein Handbuch oder Lexikon, die funktionsgemäß bekanntes Wissen zusammenfassen. Da setzt man einmal eine Fußnote mit der wichtigsten Literatur. Ein guter Wissenschaftler erstellt dann jedoch keine Collage aus den verschiedenen fremden Texten, sondern schreibt seinen Artikel, ohne die Sprachgestalt der angegebenen Literatur zu benutzen. Dadurch entfernt er sich sprachlich von den Schriften seiner Kollegen und schafft etwas Eigenes.
Quelle: Spiewak, M. (2011, 14. Juli). Vergleiche? Belege! Die Zeit 29, online auf http://www.zeit.de/2011/29/B-Loewer-Interview [28. Juli 2011].

26. Juli 2011

Plagiat trotz Quellenbeleg

Die Angabe der Quelle ist das A und O, um Plagiate zu vermeiden -- aber es kommt auch auf die Zitierweise an. In diesem Beispiel hat eine Studentin plagiiert, obwohl sie die Quelle angegeben hat. Sicher kein bewusstes Plagiieren, sondern ein handwerklicher Fehler, aber trotzdem ein Verstoß gegen die Regeln der Wissenschaft:

Die Autorin übernimmt den Arte-Text fast wörtlich, markiert aber kein wörtliches Zitat mit Anführungsstrichen. Sie verändert den Text ganz leicht (unterstrichen). Es ist weder ein korrektes wörtliches Zitat noch indirekte Rede (stünde mit Konjunktiv). Erst recht ist es keine Wiedergabe/Zusammenfassung der Autorin in eigenen Worten (Paraphrase). Warum ist es ein Plagiat, obwohl die Quelle angegeben ist? Weil die Autorin den Eindruck erweckt, als habe sie den Absatz selbst geschrieben. Worauf sich der Quellenbeleg bezieht, ist unklar. Er könnte z.B. bedeuten, dass die Autorin nur die Zahlenangaben aus dieser Quelle übernommen hat.


PLAGIAT
Erster Abschnitt aus der Einführung einer Belegarbeit

Mit dem bis dahin größten Streik- und Protesttag gegen die Rentenreform 2010 hatten die französischen Gewerkschaften den Druck auf Staatschef Nicolas Sarkozy erhöht. Zahlreiche Lehrer, Eisenbahner und weitere Beamte, aber auch viele Beschäftigte der Privatwirtschaft legten die Arbeit am 24. Juni 2010 nieder. Die Gewerkschaften gingen von bis zu zwei Millionen Teilnehmern auf ungefähr 200 Kundgebungen im ganzen Land aus.
Mit Parolen wie „Rührt meine Rente nicht an!" gingen allein in Paris zehntausende auf die Straße (siehe Abb. 1). Dort und in rund 65 weiteren Städten wurde der Nahverkehr teilweise lahmgelegt. Auch Schulen, Kindergärten und Behörden wurden bestreikt. Die Streiks führten zu erheblichen Behinderungen im Bahn- und Flugverkehr. Etwa jeder zweite Hochgeschwindigkeitszug TGV und jeder vierte Regionalzug fielen aus. Ungewöhnlich stark wurde der Aufruf zum Arbeitskampf in der Privatindustrie befolgt, denn auch in vielen Großbetrieben ruhte die Arbeit. (Arte Journal, 2010)
ORIGINAL
Arte Journal (2010, 24. Juni). Frankreich: Streik gegen Sarkozys Rentenreform. Arte Journal, online verfügbar auf http://www.arte.tv/de/3292604.html [27. Juli 2011].
Mit dem bisher größten Streik- und Protesttag gegen die Rentenreform haben die französischen Gewerkschaften den Druck auf Staatschef Nicolas Sarkozy erhöht. Zahlreiche Lehrer, Eisenbahner und weitere Beamte, aber auch viele Beschäftigte der Privatwirtschaft legten die Arbeit nieder. Die Gewerkschaften gehen von bis zu zwei Millionen Teilnehmern auf rund 200 Kundgebungen im ganzen Land aus.
Mit Parolen wie "Rührt meine Rente nicht an!" gingen allein in Paris zehntausende auf die Strasse. Dort und in 65 anderen Städten wurde der Nahverkehr teilweise lahmgelegt. Auch Schulen, Kindergärten und Behörden wurden bestreikt. Die Streiks führten zu erheblichen Behinderungen im Bahn- und Flugverkehr. Etwa jeder zweite Hochgeschwindigkeitszug TGV und jeder vierte Regionalzug fielen aus. Ungewöhnlich stark wurde der Aufruf zum Arbeitskampf in der Privatindustrie befolgt. In vielen Großbetrieben ruhte die Arbeit.
Wie wäre es richtig? 

Die Autorin suchte nach einem "szenischen" Einstieg in ihr Thema, die Rentenreform in Frankreich. Sie könnte die Arte-Quelle als Blockzitat einrücken, dann wäre klar, worum es sich handelt. Dann müsste sie aber auch präzise zitieren, dürfte den Text nicht verändern. Die bessere Alternative ist eine Paraphrase, also das Wiedergeben in eigenen Worten.

12. Juli 2011

Zitieren aus dem Englischen



Zwei Studentinnen grübeln bei ihrer Abschlussarbeit über das Zitieren aus dem Englischen. "Wenn ich aus einem englischen Text wörtlich zitieren will und ins Deutsche übersetze, handelt es sich dann um ein wörtliches Zitat oder kann dies bei einer Übersetzung nie vorliegen?", fragt die eine. "Ich bin mir unsicher, wenn ich englische Quellen nutze. Dann muss ich übersetzte Textpassagen doch sicher trotzdem als Zitate sichtbar machen? Ist dann ein Verweis bei der Quellenangabe wichtig, dass es sich um eine Übersetzung handelt?"

Einen Übersetzungszwang gibt es nicht. Im Gegensatz zu anderen Sprachen sind englischsprachige Originalzitate heute gang und gäbe. Wer das Original zitiert, hat den Vorteil, dass bei einer Übersetzung kein falscher Dreh in die Quelle kommt, und dass markante Begriffe so bleiben, wie sie sind. Der Nachteil: Sprachlich ist das nicht immer schön. Und wer zu viel zitiert, produziert in seinen Absätzen ein holperiges Denglisch.

Übersetzen ist erlaubt. Eine wörtlich übersetzte Quelle darf als wörtliches Zitat (also mit Anführungsstrichen) verwendet werden. Manchmal ist es nicht ganz einfach wortgetreu zu übersetzen. Die Alternative ist indirekte Rede (ohne Anführungszeichen, mit Konjunktiv) oder Paraphrasieren - eigene Zusammenfassung in Anlehnung an das Original. 

Freies Übersetzen ist zwar akzeptabel, aber eine Gratwanderung; notwendig ist das vor allem, wenn im Original schwer zu übersetzende Idiome auftauchen. Auf der IdiomSite gibt es eine schöne Sammlung englischsprachiger Idiome - bei vielen ist klar, dass eine wörtliche deutsche Übersetzung nur Unfug gebiert. Aber Online-Dictionaries bieten oft Foren, auf denen mögliche Übersetzungen diskutiert werden.

Wer ganz sichergehen will, gibt die Originalversion in einer Fußnote dazu -- aber das sollte die Ausnahme sein.

Wer übersetzt, fügt dem Kurzbeleg oder der Fußnote einen Hinweis hinzu, z.B. "(eigene Übersetzung)". Wer im gesamten Text übersetzte Quellenzitate benutzt, kann zu Beginn der Arbeit einmal darauf hinweisen, das reicht.

8. Juli 2011

Schnellballsystem: Wer hat das hier zitiert? Literaturdatenbanken klug nutzen

Wenn Sie Aufsätze und Bücher oder Buchkapitel in einer Literaturdatenbank gefunden haben, nutzen Sie die hilfreichen Zusatzfunktionen, um Publikationen zum selben Thema zu finden.

Jeder Artikel eines Wissenschaftlers ist schließlich in eine "laufende Konversation" eines Themas eingebunden - er zitiert andere, die vor ihm kamen, und wird zitiert von anderen, die nach ihm kommen.

Ein Beispiel. Ich interessiere mich für das Thema Radiofrequenzidentifikation (RFID), und zwar nicht so sehr für die technischen Aspekte, sondern für Datenschutz und Verbraucherschutz dieser oft als "Schnüffelchips" kritisierten modernen Technologie, die z.B. im Einzelhandel und Logistik sehr wichtig geworden ist.

In der Datenbank SpringerLink finde ich einen Aufsatz des amerikanischen Professors Alan R. Peslak im Journal of Business Ethics:
Peslak, A. R. (2005, Juli). An ethical exploration of privacy and radio frequency identification. Journal of Business Ethics 5(4):  327-345. DOI: 10.1007/s10551-005-2928-8
http://www.springerlink.com/content/r5v481kj3k453743/ [5. Juli 2011]
Schön, aber der Aufsatz ist immerhin sechs Jahre alt, seitdem hat sich die Welt ein paarmal gedreht. Wer hat Peslak danach zitiert? SpringerLink zeigt es mir an. Im Balken steht "Cited by (9)", das heißt, hier sind Links zu 9 Publikationen hinterlegt.




Ich klicke auf "Cited by (9)" und erhalte Quellen von 2006 bis 2010 aus so unterschiedlichen Zeitschriften wie Journal of Internet Commerce, Journal of Relationship Marketing,
Journal of Public Policy & Marketing, International Journal of Applied Logistics, International Journal of Operations & Production Management, IEEE Transactions on Engineering, International Journal of Management Reviews, Ethics and Information Technology, Journal of Business Ethics.




Keine schlechte Ausbeute. Die Artikel sind recht aktuell und scheinen sich mit ähnlichen Thematiken zu befassen. Das muss ich natürlich überprüfen. Kleiner Haken: Nur zwei von neun sind auch bei SpringerLink hinterlegt, also in der Datenbank, die der Springer-Verlag betreibt. Das sehe ich an den Symbolen unter der Fundstelle:

Den Wasieleski-Aufsatz kann ich mir also gleich hier ansehen, ich verlasse die SpringerLink-Datenbank nicht. Der Volltext ist für mich sofort verfügbar.

Mich interessieren aber auch die anderen. Dort ist ein anderes Symbol zu sehen: "CrossRef".Was ist "CrossRef"? Dahinter steckt ein Netzwerk, das vor allem von Wissenschaftsverlagen gepflegt wird. In der Wissenschaft ist es sehr wichtig, dass die Verlinkung von online veröffentlichten Literaturbelegen funktioniert (reference linking), effizient und verlässlich ist. Innerhalb einer Datenbank ist das einfach, aber Aufsätze und Bücher erscheinen ja nicht nur bei einem Verlag. Glücklicherweise arbeiten große Verlage zusammen, und zwar über "CrossRef". Wie jeder Computernutzer weiß, haben klassische Internet-Links aber die Angewohnheit, schnell zu veralten. Plötzlich landet man auf "404 Error"-Seiten - "Sorry, document not found". Um solche "broken links" zu vermeiden, vergeben die Verleger für jedes Dokument eine DOI, den Digital Object Identifier. Diese Kennziffer erlaubt es, Dokumente klar zu identifizieren und zu verorten, selbst wenn sie verschoben werden (DOI Foundation www.doi.org). DOIs sind also eine Art PermLink (permanent link, persistent link) -- besser als jede URL, also Internetadresse.

Wenn ich also in meiner Quellenliste auf "CrossRef" klicke, lande ich auf neuen Seiten außerhalb der SpringerLink-Datenbank. Mit etwas Glück ist das Dokument frei verfügbar. Wenn nicht, weiß ich zumindest, in welcher anderen Datenbank ich es finden kann.

SpringerLink ist nur ein Beispiel. Alle Literaturdatenbanken bieten diesen komfortablen Service. Auch bei wissenschaftlichen Suchmaschinen wie GoogleScholar gibt es eine solche Funktion ("Zitiert durch").

Nebeneffekt: Die "Cited by"-Funktion erlaubt mir auch eine Einschätzung, wie wichtig der von mir gefundene Aufsatz ist. Wird er viel zitiert, ist das ein Hinweis darauf, dass andere Wissenschaftler ihn für inhaltlich und formal hilfreich halten. Das ist natürlich relativ. Peslak wird neunmal zitiert, das ist nicht sehr viel - aber RFID ist eben auch nicht gerade ein Thema, das die Massen bewegt. Andererseits ist Peslaks Artikel noch nicht allzu alt; wäre er fünf Jahre älter, wäre er mutmaßlich schon häufiger zitiert worden. Die Anzahl der Zitate durch andere ist aber in jedem Fall eine Hilfe für die Quellenbeurteilung.

26. Juni 2011

Alle Internetquellen im Anhang dokumentieren?


Eine Studentin fragt entsetzt: "Ist es wahr, dass wir die Internetquellen noch in irgendeiner Form mit dazu geben müssen? Ich habe 4 Seiten Literaturverzeichnis mit Berichten, die teilweise 400 Seiten lang sind. Das kann ich ja nicht alles hinten ran hängen."

In der Tat, das wäre Quatsch und ist auch nicht mehr Usus. Es gibt aber ein paar allgemein akzeptierte Wege, wie man trotzdem sinnvoll dokumentiert.

Zunächst ein kurzer Blick darauf, woher die oftmals gehörte Ansage kommt: Internetquellen können sich oftmals schnell verändern. Sie sind dann also in der zitierten Form nicht mehr verfügbar. Und Nachvollziehbarkeit der Quellen gehört ja in wissenschaftlichen  Arbeiten zum "Muss".

Ursprünglich - also in der Steinzeit, als es noch kein Internet gab und stark behaarte Menschen in Höhlen wohnten - war es so, dass Wissenschaftler fast ausschließlich Bücher und Zeitschriften auswerteten, die in Papierform von Verlagen, Bibliotheken und Archiven eingelagert und bei Bedarf verfügbar gemacht wurden. Damit war die "Zitierfähigkeit" formal gesichert. Wenn ein Autor andere Quellen der sogenannten "Grauen Literatur" (oder auch "flüchtigen Literatur") verwenden wollte, etwa ein Flugblatt, in kleinen Auflagen im Selbstverlag gedruckte Schriften oder Arbeitspapiere eines Instituts, interne Firmenunterlagen oder andere unveröffentlichte Dokumente, galt die Regel, dass diese mangels öffentlicher Verfügbarkeit möglichst im Anhang eines Werkes abgedruckt werden sollten. Denn sonst hatte der Leser ja gar keine Chance, die Originalquellen selbst zu sichten. Das wurde nie konsequent durchgehalten, aber es gab immerhin eine besondere Verantwortung des Autors, die nicht über die üblichen Wege verfügbare Literatur (Buchhandel, Bibliotheken, Archive) auszuweisen und z.B. wenigstens Bezugsadressen zu nennen.


In diesem Verständnis ist jede Website "graue Literatur". Im Internet kommt das besondere Problem der Flüchtigkeit hinzu: Websites ändern sich oft schnell. Das beste Beispiel dafür ist die Wikipedia (siehe Blogbeitrag "Quelle Wikipedia - verboten oder erlaubt?") und andere Formen des interaktiven Web 2.0.


Die Langzeitarchivierung von Internetquellen ist ein globales Problem. Es gibt auch kein umfassendes Internet-Archiv, in dem alle einmal publizierten Seiten gespeichert werden (trotz einzelner Archive wie www.archive.org). Viele Internetquellen "verschwinden" einfach sehr plötzlich.


Formal kann man sich im Quellenverzeichnis absichern, indem man einem Nachweis eine Angabe darüber anhängt, wann der Zugriff erfolgte ("Zugriff am 27. Juli 2011 um 15.34 Uhr"). Das hilft dem Leser zwar nicht weiter, wenn die Quelle verschwunden ist, aber zumindest zeigt der Autor, auf welche Version er verweist. 


Hilfreich sind hier PermaLinks, also permanente, dauerhafte Hyperlinks (von permanent und hyperlink). Wikipedia weiß, ein PermaLink
"ist ein dauerhafter Identifikator in Form einer URL. Normale URLs werden oft geändert, so dass darüber abrufbare Inhalte nicht mehr oder nur unter einer anderen Adresse verfügbar sind. Verweise auf diese URL werden entweder zu toten Links oder zeigen plötzlich auf andere Inhalte; bei der Einrichtung eines Permalinks wird dagegen angestrebt, die einmal über ihn referenzierten Inhalte dauerhaft und primär über diese URL verfügbar zu machen."
Gleich das Beispiel dazu: Den Artikel habe ich unter http://de.wikipedia.org/wiki/Permalink abgerufen. Der unten auf der Seite angebotene PermaLink dafür lautet aber http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Permanentlink&oldid=63856327 ("Wikipedia-Permanentlink auf die Version dieses Artikels vom 28. August 2009 um 10:57 Uhr"). Wie man sieht, gibt es bereits Unterschiede zwischen dem Text, der im PermaLink für den 28. August 2009 dargestellt wird, und dem Text zum Zeitpunkt, in dem ich diesen Artikel schreibe. Der tatsächliche PermaLink zur jetzigen Situation ist woanders zu finden, nämlich in der Rubrik "Werkzeuge" unter "Permanenter Link" oder "Seite zitieren": http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Permanentlink&oldid=88401665


Wer also Wikipedia unbedingt zitieren möchte, sollte das ausschließlich mit dem PermaLink und Angabe der Versionsdaten tun. Leider haben nicht alle Websites so komfortable PermaLinks und Zitierhilfen!



Welchen Aufwand man betreiben muss, um - auch für die eigene Recherche und Archivierung - das Wiederauffinden zu sichern, hängt von der Website ab
  • Bei den meisten privaten und Firmen-Seiten (z.B. Nachrichtenportale) ist grundsätzlich davon auszugehen, dass diese sich jederzeit ändern können, eine zitierte URL also schnell mal ins Nichts führen kann. Das gilt ganz besonders für dynamisch erzeugte Seiten, die also nicht statisch sind (klassischer HTML-Text), sondern ständig aktualisiert werden oder erst erzeugt werden, wenn ein User etwas aufruft. Bei vielen kommerziellen Nachrichtenangeboten ist es zudem so, dass Artikel entweder erst frei verfügbar sind und dann in ein passwortgeschütztes Archiv kommen, oder umgekehrt erst in einer Rumpfversion publiziert werden und dann nach einer Frist im Volltext verfügbar gemacht werden.
  • Bei den meisten amtlichen und wissenschaftlichen Dokumentenservern ist dagegen von einer gewissen Ewigkeitsgarantie auszugehen - auch Jahre später sollten Dokumente noch auf derselben Stelle zu finden sein. Aber auch hier sind Änderungen und Verschiebungen nie auszuschließen.
Für sich selbst kann man Websites auf der eigenen Festplatte abspeichern. Hilfreich sind auch Wissensmanagement-Helfer wie Zotero (www.zotero.org), die ein Abbild der Seite speichern. Zumindest könnten Sie einem misstrauischen Gutachter Ihrer Hausarbeit auf Nachfrage beweisen, dass es die Seite einmal gab, wenn sie verschwunden sein sollte.


Für den externen Leser gibt es keine perfekte Lösung. Sie könnten in der Tat alles ausdrucken und Tausende Seiten in den Anhang Ihrer Thesis einfügen, aber das macht kein Mensch. Außer Wissenschaftlern, die richtige Dokumentationsbände publizieren.

21. Juni 2011

Mündliche Quellen: Gespräche, Vorträge, Veranstaltungen

Mehrere Studenten haben zu ihren Beleg- und Abschlussarbeiten den Schreibtisch verlassen und informell recherchiert: Da war der Besuch einer Vortragsveranstaltung, die Teilnahme an einer Diskussionsrunde mit einem Politiker, das Gespräch mit kundigen Kollegen. Ergebnis: Neue Erkenntnisse, neue Fakten, treffende Aussagen. Eigentlich prima. Nun sind sie aber ratlos. Schreibt einer über seine neuen Informationsschätze: "Mein  Problem: sie sind alle mündlich! Wie soll ich so etwas zitieren, geschweige denn als verfügbare Quelle anbieten? Ich bin da gerade unsicher. Gibt es eine generelle Regelung dazu? Ich kann nichts Eindeutiges finden!"

Normalerweise sind solche Quellen formal nicht zitierfähig, da sie nicht ständig verfügbar und daher nicht für den Leser nachprüfbar und nachvollziehbar sind. Aber: Es sind mündliche Primärquellen! Gerade in den Sozialwissenschaften können diese durchaus wichtiges empirisches Material sein.

Die ideale mündliche Quelle wäre zwar ein systematisch vorbereitetes Interview mit einer Verschriftlichung (Transkript), die möglichst auch vom Interviewten autorisiert wird. Das geht hier nun nicht. 
  • Möglichkeit 1: Sie sehen das nur als Hintergrundinformation und zitieren nichts.  Haben Sie Fakten und Argumente gehört, versuchen Sie diese anderswo zu bestätigen und in Ihre sonstigen Recherchen einzubauen.
  • Möglichkeit 2: Sie zitieren, und zwar so präzise wie möglich, wenn Sie direkt und wörtlich zitieren. Notwendig dafür ist eine genaue Mitschrift. Sicherer ist oft (wenn die Mitschrift nicht so genau war) die Paraphrase, also die Umschreibung/Wiederholung des mündlich Gehörten mit etwas anderen Worten, aber so dicht wie möglich am Original. Einzelne, prägnante Aussagen können und sollten Sie aber im Wortlaut nennen (z.B.: Müller bezeichnete die Atomausstiegspolitik der Regierung Merkel als überraschende Wende, sogar "rätselhaft" und "schwer nachvollziehbar").
Im Quellenverzeichnis ist es sinnvoll, solche Quellen unter eine von der übrigen Literatur getrennte Rubrik zu stellen. Zum Beispiel "Mündliche Quellen" oder - wenn es um Gespräche geht - "Persönliche Kommunikation". Nach APA-Zitation etwa:
  • Müller, R. (2011, 21. Juni). Energiepolitik im Wandel. Vortrag bei der Veranstaltung XYZ, Verband Deutscher Energieunternehmen, Haus der Energiewirtschaft, Berlin. [Eigene Mitschrift]
  • Schmitz, J. (2011, 21. Juni). Persönliches Gespräch mit dem Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Energieunternehmen bei der Veranstaltung XYZ, Verband Deutscher Energieunternehmen, Haus der Energiewirtschaft, Berlin. [Eigenes Gesprächsprotokoll]
Im Text zitieren Sie dann einfach Müller (2011) und Schmitz (2011, persönliche Kommunikation).

Vorträge und Diskussionsbeiträge bei einer öffentlichen Veranstaltung dürfen Sie zitieren. Sie benötigen dafür auch keine Autorisierung der Zitate. Allerdings haben Sie eine Sorgfaltspflicht: Sie müssen sich bemühen, so präzise und wortgetreu wie möglich zu notieren, was gesagt wird, und dürfen niemandem etwas in den Mund legen. Erlaubt ist es nur, sinngemäß zu glätten:
  • Statt Originalton: "Meine äh Damen und Herren, was die Regierung, die Regierung Merkel also, da macht, also äh die Atomwende meine ich, also das ist rätselhaft und völlig nachvollziehbar, Entschuldigung, das war ein Versprecher, ich meine natürlich, äh, schwer nachvollziehbar."
  • Geglättete, redigierte Version: "Was die Regierung Merkel da mit der Atomwende macht, das ist rätselhaft und schwer nachvollziehbar."
Etwas anders mit dem Zitierrecht ist es allerdings, wenn für die Veranstaltung vom Veranstalter Regeln aufgestellt wurden wie z.B. die "Chatham House Rules". Diese besagen, dass die Inhalte einer Veranstaltung kommuniziert werden dürfen, aber die Teilnehmer dürfen nicht benannt und auch nicht wörtlich zitiert werden. Die Anonymität der (oft ranghohen) Teilnehmer wird geschützt, damit man untereinander frei sprechen kann, ohne Verantwortung für seine Diskussionsbeiträge übernehmen zu müssen.

Wenn Sie ein persönliches Gespräch am Rande führen, sollten Sie nach allgemeiner Regel entweder (a) dem Gesprächspartner deutlich machen, dass Sie für ein Projekt recherchieren und deshalb mit ihm sprechen (was impliziert, dass Sie das Gesagte verwenden möchten) und/oder (b) Zitate, die Sie verwenden möchten, ihm zur Autorisierung vorlegen.

Hier kommt es aber auch auf den Gesprächspartner an. Ein Politiker oder auch, wie im Beispiel oben, ein Verbandschef (höchster Repräsentant seiner Organisation), ist eine Person des öffentlichen Lebens. Diese Person muss immer damit rechnen, dass ihre Aussagen zitiert werden, z.B.  in den Medien. Hier gibt es bei sachlich-fachlichen und politischen Aussagen, die im öffentlichen Raum gemacht werden, kein Recht auf Privatsphäre (siehe auch Wikipedia: Zulässigkeit von Äußerungen in der Berichterstattung). Wenn Sie eine solche Person ansprechen, dürfen Sie die Äußerungen verwenden -- aber bitte Sorgfaltspflicht wahren.

Anders ist es mit Menschen, die man nicht als Person des öffentlichen Lebens bezeichnen kann. Hier ist es angemessen, um das Einverständnis bzw. die Freigabe von Zitaten zu bitten.

20. Juni 2011

Wie schreibt man den Schlussteil?


Was liest der Gutachter Ihrer Arbeit als erstes? Den Schluss. (Oder die Einleitung und dann sofort danach den Schluss.) Was bei Krimis und dramatischen Werken den Spaß verdirbt, nämlich den Höhepunkt vorwegzunehmen, ist bei wissenschaftlichen Texten zentral: "Entscheidend ist, was hinten rauskommt", wusste schon Altkanzler Helmut Kohl.

Er wollte damals wohl ausdrücken, dass der Weg zum Ergebnis nicht so wichtig ist. Das ist in der Wissenschaft natürlich anders, denn jede Untersuchung muss präzise dokumentiert und nachvollziehbar sein. Was zwischen Einleitung und Schlussteil passiert, bleibt der Kern Ihres Projekts. Trotzdem ist es schlecht, wenn Sie Berge an Material zusammentragen und am Ende unklar ist, was Ihr Ergebnis ist und was das alles bedeutet. Genau darum geht es im Schlussteil: Was ist Ihr Ergebnis? Was bedeutet das alles?

Viele Namen, viele Funktionen
So ein Schlussteil hat unterschiedliche Namen. Manchmal heißt er „Zusammenfassung“ oder „Resümee“, „Fazit“ oder „Konklusion“. Und dann gibt es noch „Schlussbemerkung“ oder „Ausblick“. Damit sind allerdings sehr unterschiedliche Dinge gemeint, was Studenten dann auch verwirrt. 

Eine „Zusammenfassung“ fasst die Ergebnisse zusammen, ein „Ausblick“ hingegen lässt die Ergebnisse hinter sich und blickt darüber hinaus. Ein „Fazit“ oder eine „Konklusion“ zieht Schlüsse aus den Ergebnissen. Hier werden also nicht nur Ergebnisse festgehalten, sondern sie werden bewertet. Wertung ist mehr als Analyse: Hier kommt es stärker auf die Deutung (Kommentierung, Interpretation – was bedeutet das alles?) an. Und die eigene Position oder Meinung kommt zum Ausdruck.

Bei einer reinen Schlussbemerkung und einem Ausblick ist davon auszugehen, dass davor schon die Ergebnisse präsentiert und bewertet wurden.

Ein Schlussteil kann also unterschiedliche Funktionen beinhalten. Wenn ich hier von Schlussteil schreibe, dann meine ich den gesamten Schlussteil. Er umfasst drei Dinge:
  • Die Zusammenfassung der Ergebnisse
  • Die Wertung der Ergebnisse, Schlussfolgerungen
  • Ausblick: „Weiterspinnen“ und offene Fragen
Ein Schlussteil soll also mehr bieten als eine überblicksartige Zusammenfassung der Ergebnisse. Er geht darüber hinaus. Ein "runder" Schluss hat noch ein paar Pointen mehr zu bieten.

Zugleich aber ist er eng verbunden mit der Einleitung und dem "roten Faden" Ihrer Arbeit. Der Schlussteil bezieht sich explizit auf das, was Sie in Ihrer Einleitung als Leitfrage und Ziel der Untersuchung angekündigt haben, und er bindet den "roten Faden" fest.
Die Ergebnisse
Jede Untersuchung braucht ein Ergebnis. Was haben Sie herausgefunden? 

„Das habe ich doch schon im Hauptteil gesagt, wieso soll ich das wiederholen“, könnten Sie jetzt kontern. Ja, gut. Aber fassen Sie das zusammen, knapp und möglichst präzise. Geben Sie einen Überblick – was ist der Kern Ihrer Erkenntnisse?

Gehen Sie die Untersuchungsschritte noch einmal durch. Welche Kernaussagen hat jedes Ihrer Kapitel? Ziehen Sie zu jedem Kapitel ein Fazit. Legen Sie als Maßstab Ihre Einleitung an: Diese hat idealerweise definiert, was die Leitfrage und das Ziel jedes Untersuchungsschritts war. Im Schluss stellen Sie fest, ob Sie das Ziel (oder die Etappenziele) erreicht haben. Was hat jedes Kapitel zur Beantwortung Ihrer Fragestellung beigetragen? Und dann, insgesamt, losgelöst von den einzelnen Kapiteln/Untersuchungsschritten: Was ist die übergreifende Antwort auf Ihre übergreifende Frage?
Machen Sie kein neues Fass auf. Sie beziehen sich ausschließlich auf das, was Sie bereits im Hauptteil herausgefunden haben. Alle Erkenntnisse, Erläuterungen, Belege und Diskussionen gehören in den Hauptteil.
  • Fangen Sie nicht an, etwas Neues zu untersuchen,
  • Führen Sie keine neuen Fakten ein, 
  • präsentieren Sie keine neuen Quellen, 
  • diskutieren Sie keine Dinge, die nicht im Hauptteil stehen. 
  • Nur im absoluten Ausnahmefall sollten Sie Zitate anbringen – es sei denn, das Zitat fand sich schon im Hauptteil und ist so prägnant und treffend, dass Sie es hier unbedingt noch einmal ins Scheinwerferlicht stellen möchten.
In einer Einleitung werden oft Hypothesen aufgestellt, also Annahmen oder Vermutungen. Diese überprüft der Hauptteil. Es kann nun sein, dass Ihre Untersuchungsergebnisse die Annahme widerlegt. Dann ist es völlig in Ordnung (und wichtig), dies genauso zu schreiben. Auch das ist Wissenschaft: Hypothesen aufstellen, testen und verwerfen, wenn sie falsch waren. "Ich bin doch nicht blöd und widerlege mich selbst", könnten Sie sagen. Falsch gedacht: Ihr Gutachter wird das sogar als besonders wissenschaftlich hochwertig ansehen, wenn Sie so vorgehen.

Bewerten der Ergebnisse
Ergebnisse erklären sich nicht immer von selbst. Sie bedürfen einer Deutung, einer Kommentierung, einer Interpretation. Was bedeutet das alles? Was davon ist wichtig, was ist weniger wichtig? Nachdem Sie sich intensiv mit Ihrem Thema auseinander gesetzt haben, sollten Sie das einschätzen können. Anders gesagt: Was haben Sie gelernt?

Sie sollten sich auch mit der Frage befassen, wo die Grenzen Ihrer Ergebnisse sind. Wissenschaftler sprechen gern vom „Gültigkeitsbereich“. Für was und inwiefern sind Ihre Ergebnisse gültig, für was eher nicht? Welche Ergebnisse betreffen nur einen eng umfassten Gültigkeitsbereich? Wie weit darf man von Ihrem konkreten Ergebnis aus verallgemeinern? Hier sollten Sie zeigen, dass Sie differenzieren können und keine Pauschalwahrheiten verbreiten.

Im Verlauf Ihrer Arbeit haben Sie sich mit den Ergebnissen und Thesen anderer Wissenschaftler befasst. Vielleicht stehen Ihre Ergebnisse im Gegensatz dazu. Dann ist hier der Platz, um das pointiert darzulegen. Oder umgekehrt, Sie konnten die Ergebnisse anderer bestätigen. Zeigen Sie, wo Ihre Arbeit im Vergleich zu anderen wissenschaftlichen Arbeiten steht. Als Student sind Sie ja kein Einzelkämpfer, sondern gewissermaßen Mitglied der akademischen Community, Sie nehmen teil am wissenschaftlichen Diskurs über ein Thema. So sieht das auch Ihr Gutachter, also will er wissen, wo Sie sich positionieren. Auf wessen Seite stehen Sie? Oder zumindest: An wessen Ergebnisse finden Sie Anschluss?

Positionieren heißt auch, eine persönliche Stellungnahme abzugeben. Ihr eigenes Urteil, Ihre eigene Meinung ist nicht tabu – im Gegenteil. Im Schlussteil zeigen Sie Ihre Fähigkeit, urteilen zu können, und einen eigenen Standpunkt einzunehmen. Sie dürfen sortieren, gewichten, zuspitzen. Wichtig dabei ist, dass Sie argumentieren, warum Sie etwas so-und-so sehen. Begründen Sie also mit Bezug auf Ihre Untersuchungsergebnisse, wieso Sie zu welchen Schlüssen kommen.

Der Ausblick
Ein Ausblick lässt die Ergebnisse und ihre Bewertung hinter sich. Er blickt auf das, was darin nicht eindeutig enthalten ist. 

Hier dürfen Sie Aussagen darüber machen, wie sich Ihr Thema wohl weiterentwickeln wird und was die Zukunft bringt. Bei aktuellen Themen sollten Sie eine (begründete) Einschätzung liefern, was demnächst wichtig werden könnte, welche Entscheidungen anstehen, was in den nächsten Jahren passiert usw. Sie könnten auch explizit praktische Konsequenzen aufzeigen. Beispiel: Sie haben ein wirtschaftspolitisches Problem untersucht und zeigen auf, was der Gesetzgeber tun könnte, um eine schwierige Situation für mittelständische Unternehmen zu erleichtern.

Der Ausblick kann aber auch die wissenschaftliche Forschung einbeziehen. Zunächst einmal selbstkritisch: Was ist in Ihrer Untersuchung offen geblieben? Welches Puzzle ist noch nicht zusammengesetzt, welches Rätsel ungelöst? Was wissen wir jetzt immer noch nicht? Was konnten Sie nur am Rande aufgreifen oder was haben Sie ganz ignoriert, wäre aber auch interessant? Was würden Sie genauer erforschen, wenn Sie dazu Zeit und Gelegenheit hätten?

Wenn Wissenschaftler einen Ausblick schreiben, geben sie ihren Kollegen so Hinweise für die (gemeinsame) Forschungsagenda: Dies und das wäre noch zu untersuchen, das sollte man sich näher ansehen, hier sind einige Unstimmigkeiten aufgetaucht, die ich mir nicht erklären kann. Dabei kann es auch um Methoden und Arbeitsweisen gehen: Mit der Methode X kommen wir so nicht weiter, wir bräuchten einen Ansatz Y. Die Methode Z hat offensichtlich Probleme, wir könnten das Problem aber so-und-so in den Griff bekommen.

Das klingt vielleicht etwas negativ, weil es um Defizite geht. „Wieso sollte ich am Schluss schreiben, was ich alles nicht weiß?“, mögen Sie fragen. Weil auch das die Qualität wissenschaftlicher Arbeit ausmacht: zu zeigen, dass nicht alles abschließend gesagt ist und gesagt sein kann, und dass wissenschaftliche Neugier – als Suche nach der Wahrheit – unendlich ist. Es gibt immer Aspekte und Quellen, die man sich noch genauer ansehen kann. Präzise zu sagen, wo die Welt noch unklar ist, ist wichtig. 

Ein Student, der das zum Schluss seiner Arbeit tut, entblößt sich nicht, sondern zeigt die Fähigkeit zur Reflexion und zum Weiterdenken (und das ist gut!).

Allerdings: Das ist keine Einladung zum Philosophieren (oder Faseln). Im Ausblick schreiben Sie nicht, was sie sonst schon immer noch sagen wollten. Werden Sie also nicht zu persönlich, halten Sie kritische Distanz zum Thema und denken Sie daran, dass Sie eine wissenschaftliche Arbeit schreiben wollten, keine Parteitagsrede oder ein Gerichtsplädoyer. Gefragt sind weder Ihr allgemeiner Weltschmerz noch aufrüttelnde Appelle an die Weltöffentlichkeit.

12. Juni 2011

Online-Recherche für Rechtsstudenten

"Die Generation der Digital Natives über richtigen Suchmaschineneinsatz zu belehren klingt aussichtslos. Aber es ist nötig", stellt der Frankfurter Juraprofessor Roland Schimmel fest. "Dass Rechtsstudenten in Fragen der Informationsrecherche schlecht oder gar nicht ausgebildet sind, zeigt sich selbst in Abschlussarbeiten noch überraschend oft. Die Schwächen juristischer Prüfungshausarbeiten liegen kaum in schlechter Rechtsrecherche, aber oft in unprofessioneller Faktenrecherche. Am Ende eines juristischen Studiums hat man gelernt, Gesetze und Urteile zu suchen. Fakten zu suchen betrachtet man eher als Aufgabe für Journalisten."
Klassische Übungs- und Prüfungsarbeiten, sagt Schimmel, ersparten den Teilnehmern die Mühe der Informationsbeschaffung. Anders sei es bei Seminar- und Abschlussarbeiten. Wenn die Studenten dabei einem "Quick-and-dirty-Konzept" folgten, halte diese Standardsuche wissenschaftlichen Anforderungen häufig nicht Stand.

Er und sein Kollege Denis Basak kritisieren "unreflektierten Umgang mit Netzressourcen". Sie mahnen an, Recherchen wirklich zu planen. Besonders legen sie Studenten ans Herz, juristische Fachdatenbanken, die Online-Kataloge der Bibliotheken und die vielfältigen Möglichkeiten der Suchmaschinen (und zwar nicht nur Google) zu nutzen -- besser und effizienter.  Wesentlich ist dabei die Überlegung, wofür die Informationen benötigt werden. Daraus ergeben sich oft unterschiedliche Recherche-Strategien.

Neben dem richtigen Suchen ist auch das Überprüfen der Suchergebnisse wichtig. "Vielen Studierenden ist zwar klar, welche gedruckte Literatur zitiert werden kann, und vor allem auch, welche nicht. Bei der Auswertung von Internetquellen fehlt hingegen dieses Gefühl immer noch erstaunlich vielen Studenten", bemängeln die Autoren.

Hier geht es um Fragen der Zitierfähigkeit (z.B. dauerhafte Verfügbarkeit der Quelle) und Zitierwürdigkeit (fachliche Qualität der Inhalte und Seriosität der Quelle). Ein quellenkritischer Blick sei nötig -- zum Beispiel, wenn man Texte von Websites von Anwaltskanzleien oder Lobbygruppen nutzt, die von bestimmten Interessen geleitet sind.
Die Autoren geben den Tipp: "Bleiben Sie möglichst bei Quellen, die Sie kennen und von deren Seriosität Sie absolut überzeugt sind. Finden Sie aber doch entscheidende Informationen auf Websites, die Sie nicht wirklich einschätzen können, dann bewahren Sie sich ein hohes Maß an kritischem Umgang mit Ihren Quellen. Vertrauen Sie diesen Inhalten nicht ungeprüft und machen Sie auch in Ihrer Arbeit deutlich, dass weder die Information noch ihre Quelle unbedingt verlässlich sind."
Die Fachdatenbanken wie Juris, Beck online, LexisNexis-Recht und Legios haben große Vorteile, so die Autoren: Sie bieten leichte Recherchemöglichkeiten, sind recht umfassend und aktuelle, eröffnen den Zugang zu vielen Primärquellen (Gesetzestexten, Urteilen) sowie den Volltextarchiven vieler klassischer Fachzeitschriften und sind uneingeschränkt zitierfähig und zitierwürdig. Dennoch gibt es einige Nachteile (z.B. keine Angaben von Seitenzahlen bei Juris).

Lehrbücher und Monographien, Festschriften und Sammelbände wird man in den Datenbanken allerdings nicht fehlen. In den Fundstellen und Fußnoten wird man Verweise darauf finden, sich die Bücher aber andernorts, in der Regel Bibliotheksregalen, besorgen müssen. Dafür bieten sich dann Online-Kataloge an -- nicht nur einzelner Bibliotheken, sondern auch von Bibliotheksverbünden (Verbundkataloge).

Abfragen in einer allgemeinen Suchmaschine sind für den Rechercheeinstieg in Ordnung. Aber auch hier haben die Autoren einiges zu kritisieren. "Wie man mit einer Suchmaschine umzugehen habe, muss sich heute niemand unter 30 mehr erklären lassen. Sollte man meinen. Stimmt aber nicht ganz. Der faktische Befund ist recht schlicht: Die weit überwiegende Mehrzahl der Nutzer verwendet ausschließlich das Produkt des Marktführers [Google] und benutzt dabei fast nur die einfache Suche." Für wissenschaftliche Suchen reicht das aber nicht aus, da haben die Autoren Recht. Im o.g. Artikel zeigen sie, wie man sinnvoll vorgeht.

In nichtjuristischen Fächern gibt es einige wissenschaftliche Suchmaschinen, die vorrangig wissenschaftliche Texte finden. Aber für rechtswissenschaftliche Themen gibt es bislang keine solchen, mithin weichen Studenten auf Portale und "mehr oder minder gut gepflegte Linksammlungen" aus (z.B. www.abogado.de, www.jurasuche.de, www.jura-lotse.de).

7. Juni 2011

Studentische Hausarbeiten als Quelle? Zitierfähig, aber nicht zitierwürdig

"Ich habe eine interessante Hausarbeit von einem Studenten gefunden. Ist es angebracht, so etwas als Quelle anzugeben?", fragt mich eine Studentin. 

Erst einmal eine Gegenfrage: In der Vorlesung sitzen um Sie lauter Kommilitonen herum. Würden Sie deren Belegarbeiten vom letzten Semester zitieren wollen, wenn Sie eine Fachautorität brauchen?



Also: Eher nicht. Bei unkonventionellen Quellen prüfen Sie stets "Zitierfähigkeit und Zitierwürdigkeit". Das Begriffspärchen steht für wichtige Bedingungen, die eine Quelle erfüllen sollte, bevor sie unter das Dach Ihres Werkes schlüpfen darf.

Die Zitierfähigkeit ist simpel. Es geht hier um die Frage, ob Ihr Leser die von Ihnen genutzte Quelle schnell auffinden kann, um sie selbst zu prüfen. Denn Nachvollziehbarkeit der Argumentation anhand der Quellen ist ein Qualitätsausweis der Wissenschaft. Das ist formale Verfügbarkeit, möglichst eine dauerhafte: Bücher und Zeitschriften stehen in Bibliotheken (und sind prinzipiell per Fernleihe zu haben, auch Abschlussarbeiten) und sind im Buchhandel lieferbar, viele Dokumente sind in wissenschaftlichen Datenbanken abgelegt. Easy. Nicht so einfach ist es, wenn Sie eine Broschüre, ein Flugblatt oder gar interne Vermerke der CIA zitieren. Darum ist man manchmal gezwungen, solche Quellen im Anhang als Volltext/Kopie zu dokumentieren.  

Das Internet hat vieles verfügbar gemacht, was früher nicht so einfach verfügbar war. Dazu gehören auch studentische Hausarbeiten, weil Studenten gern versuchen, mit ihren Seminarleistungen über kommerzielle Hausarbeiten-Plattformen ein paar Euro dazuzuverdienen. Wenn die Arbeit dort eingestellt ist, ist sie formal verfügbar.
  • Fazit 1: Wenn die studentische Hausarbeit dauerhaft verfügbar ist, kann man sie als formal zitierfähig bezeichnen.
Anders sieht es bei der Zitierwürdigkeit aus. Das ist kein rein formales Kriterium. Vielmehr geht es um die inhaltliche Qualität. Ihre Quellen sollten seriös, anspruchsvoll und aktuell sein. Außerdem sind Primärquellen zu bevorzugen. Eine studentische Hausarbeit ist eine Sekundärquelle, möglicherweise dem Charakter nach sogar eine Tertiärquelle, wenn sie sich überwiegend oder ausschließlich mit anderen Sekundärquellen beschäftigt, also z.B. vorrangig wissenschaftliche Literatur über ein Thema auswertet, ohne eigene Forschungsergebnisse zu präsentieren, oder, noch schlimmer, nur Einführungswerke und Lehrbücher heranzieht. Das ist als wissenschaftliche Quelle nicht anspruchsvoll genug. Gute (!) Abschlussarbeiten mit hohem Anspruch darf man in begründeten  Fällen als Quellen heranziehen; die meisten studentischen Hausarbeiten erreichen jedoch in 90% aller Fälle nicht das geforderte Niveau. Zitieren sollten Sie sie also nicht -- es sei denn, es gibt einen sehr guten Grund dafür (z.B., wenn ein studentisches Forschungsprojekt dahintersteckt, bei dem Daten erhoben wurden, eigene Interviews geführt wurden u.a.)
  • Fazit 2: Studentische Hausarbeiten aus einer Lehrveranstaltung gelten in der Regel als nicht zitierwürdig. 
Merke: Studentische Hausarbeiten sind nicht per se schlecht. Im Zuge einer Recherche können Sie Ihnen helfen, interessante Aspekte kennenzulernen. Lesen Sie sie also, achten Sie auf die Bezugsquellen, werten Sie die Bibliographie aus. Holen Sie sich dann aber die wertvollen Quellen dieser Hausarbeit selbst auf den Schreibtisch. Wenn die Studentin oder der Student ordentlich gearbeitet hat, sind die Quellen ja verfügbar.
  • Fazit 3: Nutzen Sie studentische Hausarbeiten vorrangig zur Information, um Ihre eigene Recherche voranzutreiben. 
Studenten machen Fehler, das ist ihr gutes Recht - schließlich sind sie ja Lernende. Seminararbeiten sind Übungsaufgaben, mehr nicht. Wenn Sie im Internet eine studentische Arbeit finden, haben Sie keine Garantie dafür, dass dort kein Unsinn steht. Besonders übel ist es, wenn in der Arbeit Plagiate versteckt sind.

Manchmal ist eine Note angegeben. Das ist aber eine Angabe, die der Anbieter selbst macht. Und wer gibt schon "3,7" für eine Arbeit an, die er verkaufen will? Und selbst wenn es wirklich eine "1,3" war -- wer sagt, dass der Dozent diese Arbeit wirklich genau gelesen hat? Die üblichen Anbieter-Plattformen überprüfen die Arbeiten inhaltlich nicht.
  • Fazit 4: Werten Sie studentische Arbeiten mit besonders kritischem Auge aus. Tappen Sie in keine Falle. 

25. Mai 2011

Allgemeinwissen in der Arbeit - zitieren oder nicht?

Eingeschworen auf korrektes Zitieren, fragen sich Studenten gerade bei Einführung und den ersten Abschnitten des Hauptteils, ob man wirklich ALLES belegen muss. Es fragt sich eine Studentin, "ob ich beim ersten Teil, der nur die Kopenhagener Kriterien und das Beitrittsverfahren erläutern soll auch schon mit Quellen arbeiten muss? Normalerweise belege ich alles, was ich schreibe, aber das Beitrittsverfahren wird in so vielen Quellen erläutert, und es scheint mir komisch, alle  zu nennen oder mir eine auszusuchen, weil es ja ganz allgemeines Wissen ist."

Allgemeinwissen muss man nicht zitieren. Das betrifft nicht nur Aussagen wie "Der Tag hat 24 Stunden" oder "Morgens geht die Sonne auf". In einer Arbeit wie oben dürfen auch Fachinhalte vorausgesetzt werden. Wenn die Studentin die Kopenhagener Kriterien der EU und das Beitrittsverfahren in eigenen Worten erklärt, darf sie das zu fachlichem Allgemeinwissen erklären. Was das ist, hat sie im Studium gelernt. Zum Beispiel:
Die Kopenhagener Kriterien bestimmen seit 1993 die Bedingungen für eine Vollmitgliedschaft in der EU.
Das steht so oder ähnlich in -zig Quellen.  Sie darf es dennoch ohne Beleg so schreiben.

Anders sieht es natürlich aus, wenn sie spezielle Definitionen, Positionen oder Interpretationen eines Autors wörtlich zitiert. Dann ist der Beleg unverzichtbar.  

Aber wie erkennt die Studentin, wo die Grenze zwischen Allgemeinwissen und Nicht-Allgemeinwissen ist? Gar nicht so einfach. In Ordnung wäre der Verzicht durchaus bei einer Bewertung, die in der Fachwelt (soweit für die Studentin feststellbar) allgemein akzeptiert wird, z.B. so:
Die Kopenhagener Kriterien gelten als kompliziert, sind für manche Länder schwer erfüllbar und für die EU schwierig zu überprüfen.
Allerdings kann man der Auffassung sein, dass die Studentin hier eine Behauptung aufstellt -- möglicherweise gibt es in der Literatur auch die gegenteilige Position, z.B. dass die Kopenhagener Kriterien ganz simpel und einfach überprüfbar sind. Dann ist das also kein fachliches Allgemeinwissen, sondern eine umstrittene Bewertung. Sinnvoller wäre es dann, die unterschiedlichen Auffassungen gegenüberzustellen und entsprechend zu belegen. Beispiel: 
Die Kopenhagener Kriterien gelten in der Literatur teilweise als kompliziert, als für manche Länder schwer erfüllbar und für die EU schwierig zu überprüfen (so etwa Müller, 2008, S. 34). Andere Autoren sehen das weniger kritisch und halten die Kriterien für einen leicht erfüllbaren und überprüfbaren Standard (z.B. Schmidt, 2009, S. 98).
Wenn es um Allgemeinwissen geht, stellt sich auch häufig die Frage, ob man aus Lexika zitieren soll. Kommt drauf an. Lexika sind als Bücher in jedem Fall zitierfähig, aber nicht unbedingt zitierwürdig. Kleinere Universallexika für den Hausgebrauch bieten vor allem Allgemeinwissen – siehe oben. Große Enzyklopädien und Fachlexika hingegen beinhalten teilweise lange Aufsätze mit Spezialinformationen. Die gehören dann im Zweifelsfall zitiert.

Die Wikipedia ist ein Sonderfall. Sie ist nicht genau einzuordnen. Teilweise gehen die Artikel über Allgemeinwissen nicht hinaus, in anderen Fällen findet man dort umfangreiche Aufsätze mit sehr viel Spezialinformationen. Zur Qualitätsprüfung und zum an den Hochschulen umstrittenen Wikipedia-Verbot siehe den Blogeintrag "Quelle Wikipedia - verboten oder erlaubt?".

7. März 2011

Mängel in der Form - schlechtere Note gerechtfertigt?

"Wenn ein Student fachlich alles richtig gemacht hat und nur die Druckqualität bzw. die Form der Belegarbeit bemängelt wird, kann der Dozent dann die Note 3 geben?", fragt eine Studentin. Antwort:

Es kommt drauf an, was Sie unter „Form“ verstehen… Hätte Guttenberg die Form bewahrt, wäre er noch Minister.

Von höheren Studiensemestern kann man durchaus verlangen, dass alle Formvorschriften und Formate wissenschaftlicher Arbeit eingehalten werden. Tun sie das nicht, kann man die Bewertung durchaus um gewisse Notenstufen herabsetzen – mit Augenmaß natürlich.

Denn das Erlernen der Formalia ist ein Ausbildungsziel – sowohl im Sinne der Wissenschaftlichkeit, die nun einmal auch von Standards lebt, als auch im Sinne der Berufsvorbereitung, denn von einem Akademiker erwartet man professionelle Darstellungsformen.
  • Eine einzelne vom Tintenstrahldrucker verschmierte Zeile oder Tonerspuren auf der Seite ist dabei wohl eine Lappalie. 
  • Eine Arbeit, die eher an eine Schmuddelkladde erinnert und die von sprachlichen und editorischen Fehlern nur so wimmelt, ist dagegen kritischer. 
  • Ein großes Durcheinander in der Textformatierung, bei der Gliederung, bei der Anordnung von Textteilen, bei der Formatierung von Quellenbelegen oder des Quellen- und Literaturverzeichnisses schlagen noch stärker zu Buche.
Und: Möglicherweise ist der Dozent der Ansicht, dass keineswegs "fachlich alles richtig" ist, wenn er darunter bestimmte Vorgehensweisen versteht. "Form follows function", heißt es bei den Designern: Wenn die Aufgabe war, einem bestimmten Verfahren zu folgen und das auch durch die Formatierung zu zeigen, dann ist das eine mit dem anderen verbunden.

Selbst bei klarer Trennung von Inhalt und Form: „Fachlich alles richtig“ und trotzdem eine 3 ist eher selten, kann aber passieren. Wenn der Inhalt insgesamt „gut“ ist (=2) und die Form gibt Anlass zur Herabsetzung um eine Notenstufe (=3), ist das legitim.

Der Dozent hat hier einen relativ großen Ermessensspielraum. Studenten sollten allerdings zu Beginn des Kurses oder bei der Aufgabenstellung wissen, was der Bewertungsmaßstab ist. Hat der Dozent bei der Aufgabenstellung sehr klar und deutlich hervorgehoben, dass bestimmte Form- und Formatvorschriften wichtig sind, dann ist das eine eindeutige Ansage, dass das bewertet wird. Weist er klar an, dass z.B. ein bestimmter Zitationsstil verwendet werden soll, und Sie verwenden einen anderen, haben Sie einen Teil der Aufgabe nicht korrekt erfüllt.

Aber, wie gesagt, die Notengebung verlangt Augenmaß. Wenn Sie der Auffassung sind, dass die Notengebung nicht gerechtfertigt ist, sollten Sie das gegenüber dem Dozenten auch so vertreten. Bisweilen gibr es einfach Missverständnisse über die Anforderungen, oder die Anweisungen und Bewertungsmaßgaben sind unklar gewesen. Vielleicht bietet er Ihnen an, die Belegarbeit zu überarbeiten. Mit etwas Goodwill von beiden Seiten kann man manches ausräumen. 

Kommen Sie zu keiner Einigung, können Sie beim Prüfungsausschuss des Fachbereichs den Antrag stellen, dass die Benotung überprüft wird (Zweitgutachten durch einen Kollegen). Dabei wird der Zweitgutachter allerdings auch erstmal von Ihrem Dozenten erfahren wollen, was die Bewertungsgrundlagen des Kurses sind. Möglicherweise kommt er dann zum selben Schluss.

22. Februar 2011

Indirektes Zitieren, keine URLs als Quellenangabe

Einer meiner Studenten findet die Zitierregeln etwas verwirrend. Er fragt sich, ob er nicht wörtlich zitierte, aus Quellen entnommene Textpassagen besonders kennzeichnen muss? Und dann geht es ihm um Internetadressen (URLs), die er zunächst als Kurzbeleg in den Text eingebaut hatte: "Verstehe ich es richtig, dass ich bei Zitaten gar keine URL angeben soll?! Nicht einmal dann wenn auf der Seite ein expliziter Verweis vorhanden ist, wie die Quelle gekennzeichnet werden soll und dort die URL enthalten ist?" Die Antwort:

Wenn Sie Informationen verwenden, wie auch immer, muss eine Quellenangabe her. Ein Wort-für-Wort-Zitat gehört ganz simpel in Anführungsstriche. Aber auch ein indirektes Zitat oder jegliche Art von Übernahme fremder Infos bedarf der Quelle (es sei denn, es ist Allgemeinwissen: der Zweite Weltkrieg dauerte von 1939 bis 1945).

In beiden Fällen fügen Sie einen Kurzbeleg ein (Meier, 2011, S. 34). Da gibt’s keinen Unterschied. Im ersten Fall ist durch die Anführungszeichen klar, dass es sich um ein wörtliches Zitat handelt, im zweiten Fall machen die fehlenden Anführungszeichen klar, dass Sie indirekt zitieren oder zusammenfassen.

Beim echten indirekten Zitieren (dabei halten Sie sich relativ dicht an den Wortlaut eines Autors, benutzen aber die indirekte Rede und dürfen auch etwas vom Wortlaut abweichen, Satzteile überspringen usw.) würden Sie zum Beispiel schreiben:

Die Rolle der EU in der Welt sei eine ziemlich komplizierte Sache und werde von Experten von Wildau bis Wladiwostok seit Jahren in ihrer Komplexität kontrovers diskutiert, betont schon Meier (2011).

Eine eigene Zusammenfassung läse sich z.B. so:

Die Rolle der EU in der Welt ist ganz kompliziert, da ist sich die Fachwelt einig (Meier, 2011).

In der Tat gehört in den Kurzbeleg keine URL, denn das Format lautet ja immer Autorenname, Datum, Seite (ersatzweise Herausgeber/Publikation, wenn kein Autor feststellbar ist). Eine URL ist eine Fundstelle, kein Autor, kein Herausgeber und keine Publikation. Die URL taucht dann nur hinten im Quellenverzeichnis mit den Vollbelegen auf. Beispiel:

Text:
Die Rolle der EU in der Welt ist ganz kompliziert, da ist sich die Fachwelt einig (Meier, 2011).

Quellenverzeichnis hinten:
Meier, M. (2011, 20. Februar). Die komplizierte Rolle der EU in der Welt. Wildauer Welt-Blog, online auf http://wildauer-welt-blog.blogspot.com/2011/21/komplizierte-rolle.html (Zugriff am 21. Februar 2011).

Fehlt der Autor, würden Sie schreiben:

Text:
Die Rolle der EU in der Welt ist ganz kompliziert, da ist sich die Fachwelt einig (Wildauer Welt-Blog, 2011).

Quellenverzeichnis hinten:
Wildauer Welt-Blog (2011, 20. Februar). Die komplizierte Rolle der EU in der Welt. Wildauer Welt-Blog, online auf http://wildauer-welt-blog.blogspot.com/2011/21/komplizierte-rolle.html (Zugriff am 21. Februar 2011).

21. Februar 2011

Tipps von Master-Studenten: Wie man einen wissenschaftlichen Aufsatz liest

Aufsätze in wissenschaftlichen Fachzeitschriften sind anders als einführende Lehrbücher oder Zeitungsartikel. Für Studenten sind sie schwieriger zu lesen, denn sie werden von Experten für Experten geschrieben und präsentieren aktuelle, oft sehr spezialisierte Forschung in einer Fachdisziplin. Master-Studenten müssen sich damit auseinander setzen. Einige meiner Master-Studenten haben Vorschläge, wie man sich solche Texte erarbeiten kann (Zusammenfassung).


"Was wirklich hilft, ist, sich erst einmal eine grobe Übersicht über die Struktur des Artikels zu verschaffen. Als ersten Schritt überfliege ich die Überschriften und Zwischenüberschriften. Ich lese zuerst das Abstract und den Schluss. Dann habe ich so eine Grundidee, worum es geht. Spezielle Begriffe schlage ich z.B. mit Google nach. Dann lese ich Absatz für Absatz. Das Lesen und Verstehen kann viel Zeit kosten, da muss man sich Zeit fürs Noch-einmal-Lesen nehmen. Je mehr solche Texte man liest, desto besser versteht man die wissenschaftliche Schreibe -- ganz klar Übungssache!"

"1. Einführung und Fazit zuerst lesen. Dann weiß man, worum es geht. 2. Schlüsselbegriffe des Artikels markieren und im Hinterkopf behalten, immer darauf achten, wo und wie sie verwendet werden. 3. Den Hauptteil lesen, versuchen ihn zu strukturieren; Grundfragen klären - was, wer, warum? 4. Noch einmal das Fazit genau lesen, um den Inhalt des Hauptteils und seine Bedeutung zu resümieren."

"Darauf achten, welche Begriffe eingeführt werden. Es ist wichtig, alle unklaren Begriffe zu finden und sein eigenes Verständnis des Themas zu überprüfen. Der Hauptunterschied zwischen einem wissenschaftlichen Aufsatz zu Lehrbüchern und Zeitungen ist, dass ein Aufsatz Hintergrundwissen voraussetzt. Darum musst man sich zusätzlich Hintergrundinformationen verschaffen, auch wenn das ganz schön viel Zeit kosten kann."

"Ich lese den Aufsatz einmal ganz durch und unterstreiche unbekannte Wörter. Ich lese ihn dann noch einmal, übersetze zentrale Begriffe und streiche die interessanten Sätze mit einem Textmarker an. Bei einem fremdsprachlichen Text, vor allem bei komplexen Sätzen, ist es sinnvoll, sich ein (einsprachiges) Wörterbuch daneben zulegen. Vor der Diskussion im Seminar lese ich den Text noch einmal, um beim Inhalt sicher zu sein."


"Manchmal muss man einen Text mehrmals lesen, bevor man in der Lage ist, ihn richtig wiederzugeben. Nicht beim ersten Mal aufgeben."

"Nicht demotivieren lassen, nur weil diese Aufsätze sehr komplex und lang scheinen. Am besten nicht auf die langen Fußnoten und Literaturnachweise schauen. Nicht frustrieren lassen, wenn da mal ein Wort ist, das man nicht versteht. Man muss nicht jedes einzelne Wort verstehen. Nachschlagen, wenn es so wichtig ist, dass der Kontext ohne dieses Wort nicht verstanden werden kann."

"Die meisten Aufsätze haben ein Abstract. Das sollte man unbedingt zuerst lesen, weil darin die Kernideen und der Ansatz enthalten sind. Die Einführung sagt in der Regel einiges darüber aus, an welcher Diskussion sich der Autor beteiligen will, welche Methoden er verwendet, und die zentrale Aussage findet sich hier auch. Einführung und Schluss muss man als eine Einheit sehen. Versteht man das, versteht man meist auch den Rest. Die Literaturliste zeigt, in welchem akademischen Zusammenhang der Autor schreibt. Da kann man sich auch etwas Zusatzwissen holen. Es ist sinnvoll, sich die wichtigen Aspekte der wesentlichen Absätze herauszuschreiben, wie ein Protokoll."

"Ich habe da meine eigene Reihenfolge, wie ich vorgehe. Ich überfliege den Text, damit ich weiß, worum es geht. Dann forsche ich ein bißchen im Internet oder in Büchern nach, um Hintergrundwissen zu bekommen. Wenn ich den Text gelesen haben, überprüfe ich: Habe ich's verstanden? Ich versuche, den Inhalt so zusammenzufassen und zu erklären, dass ihn jemand anderes verstehen kann."

"Wenn der Artikel zu groß ist, um alles auf einmal zu verstehen und ich den roten Faden verliere, dann teile ich mir den Artikel in mehrere Teile auf und lese stückweise, mit kurzen Pausen. Die Seminardiskussion ist ganz gut, um den Gesamtzusammenhang zu verstehen und zu klären, was einem fehlt."

"Der Textmarker ist für mich wichtig. Man muss nur aufpassen, dass man nicht jede Textzeile farbig markiert. Man sollte vor dem Markieren also wissen, worum es geht und was das zentrale Argument ist, sich auch ein paar Notizen machen. Nicht nur anstreichen, sondern auch am Rand wichtige Aussagen oder Fragen notieren. Man kann auch ein paar eigene Zwischenüberschriften einfügen."

"Mit der Zeit, also wenn man ein paar von diesen Aufsätzen gelesen hat, kommt Erfahrung. Der erste große wissenschaftliche Artikel, den man liest, ist der schwierigste. Nach und nach gewöhnt man sich an Struktur und Sprache. Von den nächsten Aufsätzen, die man liest, hat man dann auch mehr."

"Wissenschaftliche Aufsätze werden über sehr spezifische Themen geschrieben. Darum muss man sich fragen: Was weiß ich schon über das Thema, was sind meine Vermutungen, habe ich schon mal was darüber in Vorlesungen oder in anderen Büchern gehört. Nach dem Lesen solte man sich selbst ein paar Fragen zu Text und Thema notieren."

"So einen Aufsatz in der Bahn oder in kurzen Pausen zwischen Vorlesungen zu lesen, macht wenig Sinn. Man muss sich schon ziemlich konzentrieren. Es kostet Zeit zu lesen UND zu verstehen."

"Ich lese grundsätzlich zweimal. Beim ersten Mal gehts mir um die Übersicht, beim zweiten Mal um die Details, da will ich der Logik des Autors voll folgen können. Ich will auch immer wissen: Was sind hier die Fakten? Ohne die kann ich den Artikel nicht richtig analysieren. Allerdings sind nicht alle Fakten nützlich, wenn man die Kernidee eines Aufsatzes auswickeln will. Wichtig sind auch die Aussagen über den Zusammenhang von Ursache und Wirkung - was bewirkt was? Darüber sollte man sich dann auch eine eigene Meinung bilden können."