24. Februar 2012

"Zitierkartelle" und "Zwangszitate" in Fachzeitschriften

Dass sich Wissenschaftler gern gegenseitig zitieren und "Zitierkartelle" bauen, wissen Studenten in höheren Semestern meistens. Vielleicht auch, dass akademische Fachzeitschriften umso höhere Reputation einfahren, je häufiger sie zitiert werden.

Wie stark dabei aber manipuliert wird, ist nicht für Studenten, sondern auch für die meisten Profs ein Schocker: Eine Studie in Science ("Coercive Citation in Academic Publishing") enthüllte jüngst die skandalöse Dimension. Fürs deutsche Publikum fasst sie Olaf Storbeck im Handelsblatt-Blog zusammen ("Das schmutzige Geschäft mit Zwangszitaten").

Des Pudels Kern: Die Fachzeitschriften drängen Autoren dazu, in ihre Texte Extra-Zitate aus dem Blatt einzubauen, damit es im Zitate-Ranking noch weiter steigt. Sie drängen nicht nur, sondern sie zwingen auch -- wer's nicht tut, wird nicht veröffentlicht.

Die Herausgeber und Redakteure scheinen dabei völlig schamlos vorzugehen, wie man den Schilderungen aus der Befragung von 6700 Wissenschaftlern entnehmen kann. Die Autoren der Studie halten sie nicht für Einzelfälle. Das Übel hat System.


Die Befragten verurteilen die Nötigung natürlich -- sind aber mehrheitlich bereit, das Spiel mitzumachen, wenn sonst die Veröffentlichung in einer renommierten Publikation nicht möglich wäre.

So viel zum Thema wissenschaftliche Ethik!

Die Studie enthält sogar eine "Schwarze Liste" der besonders auffälligen Fachzeitschriften -- es sind überwiegend betriebswirtschaftliche Blätter (u.a. Journal of Business Research, Journal of Retailing, Marketing Science, Journal of Banking and Finance, Information and Management, Applied Economics, Academy of Management Journal, Group and Organization Management, Journal of Consumer Psychology, Psychology and Marketing).

22. Februar 2012

Aus GoogleBooks zitieren?

GoogleBooks ist eine geniale Hilfe in der Online-Recherche, zweifellos. Bücher werden 1:1 gescannt und sind in der Regel im Volltext recherchierbar. Allerdings werden nur Auszüge zur Verfügung gestellt. Den Copyright-Streit lassen wir einmal außen vor.

Die zentrale Frage ist: Wenn ich ein Buch bei GoogleBooks auswerte, kann ich dann daraus zitieren und mit der URL von GoogleBooks belegen?

Die strenge Linie lautet:
  • Nein, Google Books ist nicht zitierfähig. Sie dürfen zwar bei GoogleBooks nachsehen (ähnlich wie in einer Nachweisdatenbank), müssen sich dann aber das Buch besorgen, es lesen und dann daraus zitieren.
  • Inhaltlich mahnt mancher Kollege, dass möglicherweise die wirklich wichtigen Aussagen des Buches gar nicht verfügbar sind und GoogleBooks nur kontextlose Ausschnitte darbietet. Damit ist der Kontext des Zitats nicht überprüfbar.
  • Manchmal wird nur eine Bestätigung geliefert, dass sich ein bestimmtes Stichwort auf einer Seite X befindet, aber mehr kann man nicht sehen.
Allerdings: Realistisch ist diese strenge Linie nicht.

Es ist davon auszugehen, dass GoogleBooks die gedruckte Ausgabe nicht verfälscht. Daher ist es aus meiner Sicht OK, ohne Verweis auf GoogleBooks einfach die Verlagsausgabe zu zitieren.

Der Vollständigkeit und Redlichkeit halber können Sie als Ergänzung angeben, dass Sie die elektronische Version bei GoogleBooks eingesehen haben. Da GoogleBook-URLs sehr lang sind, macht das ein Literaturverzeichnis aber auch nicht schöner. Links sollten so kurz wie möglich sein.

Bisher gibt es allerdings keine verlässlichen Zitier-Regeln für GoogleBooks. 
Wikiquote bietet eine Kurzanleitung für eine möglichst kurze Darstellung des GoogleBooks-Quellenbelegs.


Vorsicht beim Zitieren:

Ein Zitat würde ich tatsächlich nur dann verwenden, wenn ich bei GoogleBooks ausreichend Kontext erkennen kann, also mehrere Seiten lesen kann. Hier ist meine Urteilsfähigkeit gefordert: Verstehe ich die Passage richtig? Ist der Auszug ausreichend?

Wenn das nicht der Fall ist, mir das Buch aber wichtig erscheint, versuche ich es über eine Bibliothek (Fernleihe) zu besorgen.


Bei GoogleBooks zu recherchieren, ist manchmal sehr frustrierend, weil vieles fehlt. Insofern ist es eher ein Hilfsmittel für die Recherche, aber eben nicht dasselbe wie eine vollständige E-Book-Ausgabe.


Schließlich sei noch angemerkt, dass Online-Buchhändler wie Amazon sowie Verlags-Websites ebenfalls Textausschnitte zum virtuellen Durchblättern anbieten. Was bei GoogleBooks nicht verfügbar ist, findet man möglicherweise dort. Bevor man aber Stunden mit der Ergänzungsrecherche zu solchen Auszügen verbringt, ist es sinnvoller, sich das echte Buch über die Bibliothek zu bestellen.

16. Februar 2012

Warum sich Professoren über wissenschaftliche Fachzeitschriften aufregen

Beiträge aus wissenschaftlichen Fachzeitschriften gelten neben Monographien als das Nonplusultra der Literaturauswertung in einer studentischen Arbeit. Aus gutem Grund: Hier findet man die aktuelleste und anspruchsvollste Forschung.

Auch als Student sollte man aber das System der Fachzeitschriften verstehen. Wie das mit dem "Peer Review", also der Qualitätskontrolle funktioniert zum Beispiel -- und warum welche Beiträge in welcher Art Zeitschrift erscheinen oder auch nicht. Und wer überhaupt hinter den Fachzeitschriften steckt.

Seit einiger Zeit kritisieren viele Wissenschaftler das System der Fachzeitschriften. Und auch die Bibliotheken klagen über horrende Abo-Gebühren und die Preispolitik der Wissenschaftsverlage -- was unter anderem zu Abbestellungen führt, so dass auch Studenten nicht mehr darauf zugreifen können.

„Die großen, profitorientierten Wissenschaftsverlage pressen so viel Geld aus der akademischen Welt heraus, wie es der Markt hergibt“, heißt es in einem von zwei lesenswerten Beiträgen, die das System erklären, im Handelsblatt:
  • Teure Wissenschaft: Forscher boykottieren Fachverlag Weil der Fachverlag Elsevier angeblich Wissenschaftler und Bibliotheken ausbeutet, haben Forscher zum Boykott aufgerufen. Ob das ein Umdenken bei den hohen Abogebühren bewirkt, ist jedoch zweifelhaft.
  • Dennis Snower: "Herausgeber können Gott spielen" Dennis Snower, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, ist ein scharfer Kritiker der etablierten Fachzeitschriften . Im Interview erklärt er, warum Verlage und Herausgeber zu viel Macht haben und wieso er ein neues, kostenloses VWL-Journal gegründet hat.