29. Juni 2012

Primäre, sekundäre und tertiäre Quellen

Quellen sind nicht gleich Quellen, wie hier schon oft gesagt. Sie unterscheiden zu können, gehört zur "Informationskompetenz". Sie geht von einer quellenkritischen Haltung aus: Der informationskompetente, quellenkritische Student ist ein gewohnheitsmäßiger Quellenchecker.

Wie "Der Checker" aus der DMAX-Serie für Autofans schaut er den Quellen unter die Motorhaube, sucht nach Macken, Produktionsfehlern, Rost, Verschleiß und fehlenden Teilen. Und er wählt nur die Quellen aus, die seinen Ansprüchen genügen.

Das ist aber nicht nur Plausibilitäts- und Qualitätskontrolle. Quellen haben unterschiedlichen Charakter, und in der wissenschaftlichen Hierarchie sind manche Quellen von vornherein mehr wert als andere.

Eine wichtige Abstufung ist die zwischen primären, sekundären und tertiären Quellen. Für den "Checker" ist klar:
  • Je mehr Primärquellen man hat, desto besser. 
  • Sekundäre Quellen sind gut, aber wer selbst interpretieren will statt sich auf andere zu verlassen, knüpft sich die Primärquelle vor. 
  • Tertiäre Quellen sind in der Hackordnung ganz unten: Sie sind ein Hilfsmittel, um einen Überblick zu bekommen. Sie geben Orientierung über wichtige primäre und sekundäre Quellen. Fortgeschrittene Studenten nutzen für ihre Seminar- und Abschlussarbeiten tertiäre Quellen nur in der Anfangsphase einer Recherche. Nur blutige Anfänger zitieren ständig tertiäre Quellen.

Viele Studenten ordnen ihre Quellenverzeichnisse nach Art der Quelle: Bücher, Zeitschriften, Presse, Online... (siehe dazu diesen Blogpost). Deutlich intelligenter ist es, im Quellenverzeichnis nach Primär- und Sekundärquellen (und zur Not Tertiärquellen) zu sortieren. Denn aus wissenschaftlicher Sicht ist weniger wichtig, ob eine Quelle Buchpappdeckel hat oder nicht, als ihre Wertigkeit einzuschätzen.

Den Unterschied zu erkennen und die Einordnung fallen Studenten erfahrungsgemäß schwer. Außerdem gehen die Fachdisziplinen mit den Begriffen oft etwas unterschiedlich um; wirklich allgemeingültige Standards gibt es nicht. Und das Konzept ist etwas abstrakt, situations- und kontextabhängig. Das führt dann schnell zu Verwirrung. Versuchen wir's trotzdem:

Primäre Quellen
Primäre Quellen sind Originalmaterial -- sozusagen direkt vom Hersteller, "aus erster Hand" und Rohmaterial für den Wissenschaftler.

Sie sind Information im Urzustand -- noch hat sie niemand zusammengefasst, gefiltert, gedeutet, bewertet. Ihr Inhalt basiert oft (aber nicht immer) eher auf Fakten als auf Deutungen.

Einige Beispiele aus dem Feld der Wirtschaftswissenschaften: Eine Studentin hat eine unternehmens- oder branchenbezogene Aufgabe zu bearbeiten, und sie sucht dafür primäre Quellen aus dem Markt:Dokumente eines Unternehmens, Marktberichte eines Wirtschaftsverbands oder einer Unternehmensberatung, Branchen-, Firmen- oder Verbraucher-Statistiken, Meinungs- und Marktforschungsumfragen, Wirtschaftsberichte staatlicher Stellen und sonstige Regierungs- und Verwaltungsdokumente, Gesetze, Verordnungen oder Gerichtsurteile, Reden von und Interviews mit Managern und Marktakteuren, Teilnehmern oder Beobachtern aktueller Ereignisse (auf dem Markt und im Marktumfeld), aktuelle und vorrangig tatsachengestützte Presseberichterstattung über solche Ereignisse, Fotos, Diagramme, Karten aus diesem Umfeld. 

In rein wissenschaftlichem Zusammenhang sind primäre Quellen Forschungsberichte eines Wissenschaftlers, der selbst empirische Daten gesammelt und ausgewertet hat. Solche Daten sind quantitativ (z.B. Statistiken, Umfragen, Experimente) oder qualitativ (z.B. Interviews, Beobachtung, Dokumentenanalyse). Veröffentlicht werden die Forschungsergebnisse in einem wissenschaftlichen Aufsatz in einer Fachzeitschrift, in einem Buch oder in einem eigenständigen Bericht.

Sekundäre Quellen
Sekundäre Quellen enthalten Informationen ÜBER primäre Quellen. Das sind also Infos "aus zweiter Hand". Sekundärquellen fassen Infos aus primären Quellen zusammen. Sie liefern eine Auswahl, eine neue Zusammenstellung. Die Primärquellen werden gedeutet, interpretiert, bewertet.

Analog zum obigen Beispiel: Unsere Wiwi-Studentin sucht nach Analysen und Interpretation über eine Firma, eine Branche oder einen Markt. Nicht was eine Firma über sich selbst sagt, interessiert sie hier, sondern was andere über die Firma sagen -- Branchenexperten, Analysten, Wirtschaftsjournalisten, Wissenschaftler. Eine akademische Studie, die sich vorrangig auf Aussagen anderer stützt, ist in der Regel eine sekundäre Quelle.

Die Abgrenzungsprobleme sind nicht einfach. Wenn Professor Schmitz Daten des Statistischen Bundesamts verwendet und damit komplizierte Berechnungen anstellt, ist sein Forschungsbericht darüber dann eine primäre Quelle? Er hat die Daten ja nicht selbst gesammelt. Aber: Er erzeugt daraus etwas Neues, ein neues Original sozusagen. Primär oder sekundär? Wahrscheinlich überwiegend sekundär... mit etwas primärer Beimischung.

Wie sieht es bei Presseartikeln aus? Oben habe ich gesagt, dies sind  Primärquellen -- aber eingeschränkt: wenn sie aktuell und vorrangig tatsachengestützt über Ereignisse berichten. Wenn sie eher eine allgemeine Branchen- oder Trendanalyse machen, wenn sie Hintergründe aufzeigen oder kommentieren, sind sie eher als sekundäre Quellen einzuordnen. Denn sie sind weniger faktenbasiert, sie interpretieren vor allem, und sie sind auch stärker von einem bestimmten Ereignis entfernt.

Merke also: Wie man die Quellen einordnet, hängt von der eigenen Sichtweise, Zweck und Aufgabe ab, von der Distanz der Quelle zu einem Ereignis und davon, wie stark deutend die Quelle ist. Dieser Kontext verlangt also vom "Checker" ziemlich viel Urteilsvermögen. Ein und dieselbe Quelle kann primär oder sekundär sein.

Tertiäre Quellen
Viel leichter ist es, tertiäre Quellen zu identifizieren. Sie sind vor allem als Zusammenfassung von Primär- und Sekundärquellen gedacht, und ihr Zweck ist in der Regel, einen Überblick über ein Themengebiet zu geben, es zu ordnen und zu indizieren.

Dazu gehören Nachschlagewerke wie Lexika und Enzyklopädien, Wörterbücher, Glossare, Handbücher, Kompendien, Kataloge, Guides und -- wichtig! -- Lehrbücher für Schüler und Studenten.

Ein Lehrbuch mag von einem Forscher geschrieben worden sein, es ist aber keine Forschungspublikation. In der Regel bereitet es eine breite Thematik, die bereits in zahlreichen Sekundärquellen enthalten ist, didaktisch auf, ohne originäre eigene Forschung zu präsentieren und ohne sich direkt mit Primärquellen zu befassen (bestenfalls in Form von Beispielen, die aber nicht der wissenschaftlichen Untersuchung dienen, sondern der pädagogischen Vermittlung: Primärquellen werden nur reproduziert und dann eingeordnet, ggf. werden verschiedene Meinungen aus der Sekundärliteratur dazu vorgestellt). 

Qualitative Interviews -- Transkripte & Co.

In einer Abschlussarbeit selbst empirische Daten erheben und untersuchen -- das ist echtes Forschen und (leider) in vielen Fächern selten der Fall. Vor allem bei Bachelor-Arbeiten, denn eigentlich ist die Bearbeitungszeit viel zu kurz. Eine Studentin der Verwaltungswissenschaften will es aber wagen und hat in einem Landkreisamt gute,praktische Forschungsobjekte. Nun grübelt sie aber über diese Fragen:
  1. Wie geht man in der Bachelorarbeit genau mit selbst angelegten Onlineumfragen um (Belege etc.)? > Antwort: "Selbst forschen: Umfragen, Interviews, Dokumente auswerten und belegen" (28.6.12)
  2. Wie geht man mit Materialien aus der Verwaltung um (Reden, die von Mitarbeitern gehalten wurden etc.; Ausdrucke, die nicht mehr wirklich zugeordnet werden können; Kopien etc.)? > Antwort: "Graue Literatur und interne Dokumente" (29.6.12)
  3. Wenn man jemanden interviewt, wie macht man dann genau den Beleg?
Der Antwort sei vorausgeschickt:
  • Es führt kein Weg daran vorbei, das mit dem Betreuer detailliert zu besprechen. Persönliche Vorstellungen und Vorlieben, wie empirische Daten und Methoden zu dokumentieren sind, variieren erheblich. 
  • Gerade bei BA-Arbeiten sind viele Betreuer willens, pragmatisch Ansprüche herunterzuschrauben und Kompromisse bei einigen Dokumentationsstandards einzugehen, um die Belastung bei der extrem kurzen Bearbeitungszeit zu senken. Siehe dazu auch den Blogbeitrag:  "Bachelor- und Masterarbeiten: der kleine, große Unterschied" (28.12.10)
  • Lesen Sie im Detail nach, was Handbücher und Ratgeber zum wissenschaftlichen Arbeiten und zur empirischen Sozialforschung dazu sagen.

Qualitative Interviews -- Transkripte & Co.

Frage 3. Wenn man jemanden interviewt, wie macht man dann genau den Beleg?

Zunächst einmal: Qualitative Interviews müssen im Methodenteil erläutert werden -- wie quantitative Befragungen auch. Warum und nach welchen Kriterien wurde wer ausgewählt? Sind die Befragten Akteure/Handelnde/Entscheider, Betroffene, Experten? Wie haben Sie sie angesprochen? Wie wurden die Fragen entwickelt? Wie wurden die Antworten ausgewertet? usw. Irgendwo muss eine Liste der Interviewpartner erscheinen. Im Anhang können Kurzbiographien der Befragten eingefügt werden - oder eine Kurzbeschreibung deren Stellung (z.B.: Sachbearbeiter mit Zuständigkeit für X).

Im Hauptteil werden Sie in der Regel mit wörtlichen Zitaten arbeiten, mal länger, mal kürzer, dann auch mit Zusammenfassungen. Wörtliche Zitate sind vor allem dann geeignet, wenn der Befragte etwas sehr zugespitzt und plakativ ausdrückt, seine persönliche Einschätzung oder Meinung ausdrückt. Reine Faktenaussagen sollte man eher zusammenfassen.

Im Quellenverzeichnis sollte die Liste der Interviews in einer eigenen Rubrik erscheinen. Der Langbeleg enthält Informationen zum Namen des Befragten, zu seiner Position/Funktion, zu Ort, Zeitpunkt und Dauer des Interviews.

Auf diese Angabe bezieht sich dann auch der Quellenbeleg im Haupttext (z.B. als Kurzbeleg "Interview Schulze, 2012"). Handelt es sich nicht um formale Interviews, sondern eher Gesprächsnotizen, ein Telefonat oder eine Email, ist die Belegweise "Schulze, persönliche Kommunikation, 20. Juni 2012" inzwischen üblich.

Im Idealfall dokumentieren Sie das gesamte Interview im Anhang in Form eines Transkripts. Ein Transkript ist die wörtliche Niederschrift der Ton- (oder gar Video-) Aufzeichnung -- wenn Sie denn eine gemacht haben.

Es ist auch möglich, Interviews nur mit einem Notizbuch zu führen. Diese Art Aufzeichnung ist natürlich nicht so genau; und sie verlangt etwas Übung -- Sie können ja nicht nur schreiben, Sie müssen auch das Gespräch führen; und wer kein Steno kann, ist möglicherweise sehr langsam beim Notieren. Aber nicht jeder Interviewpartner erlaubt eine Bandaufzeichnung. Manchmal stört sie die Gesprächsatmosphäre.

Ein simples "Abtippen" ist Transkription nicht. Sie können ein Gespräch mit allem, was dazugehört, nicht 100-prozentig in Textform wiedergeben. Bei den nichtverbalen Aussagen und Reaktionen, beim Gesprächskontext usw. ist das klar. Aber selbst das Gesagte erscheint bei vielen Transkripten nicht ganz so, wie es tatsächlich gesagt wurde.

Bei manchen Transkripten ist es nur eine sinngemäße Zusammenfassung. Bei anderen ist das Gesprächsprotokoll zwar wörtlich, aber sprachlich "geglättet": Nur wenige Menschen sprechen druckreif. Die im mündlichen Verkehr üblichen Stummelsätze, grammatisch chaotischen Bandwurmsätze, Verhaspelungen und Versprecher, die im Gespräch gar nicht weiter auffallen, sind bei einer penibel wörtlichen Niederschrift hinterher ein Graus: nämlich schlicht unlesbar!

Manche Wissenschaftler haben an der genauen sprachlichen Ausdrucksweise ein großes Interesse, Sprachforscher, Psychologen und Soziologen etwa. Da zählen auch die "Ähs" und "Mmmhs" und das Gestammel. In einer verwaltungswissenschaftlichen Abschlussarbeit ist das wahrscheinlich nicht so, da geht es um andere "Inhalte".

Sie werden sich also bei der Transkription eher darum bemühen, die Sätze möglichst nah an der wörtlichen Aussage, aber dennoch lesbar ins Schriftliche zu übertragen. Aus unvollständigen werden vollständige Sätze, Versprecher werden beseitigt usw. Das ist dann aber alles schon Interpretation -- oder um es ganz krass auszudrücken, Sie sind dabei, die Wirklichkeit zu verfälschen, zumindest zu verändern, Sie greifen in die Aussagen direkt ein. Machen Sie sich also klar, welche Entscheidungen Sie bei einer Transkription fällen müssen, welchen Regeln Sie folgen. Wichtige Hinweise dazu gibt das kleine "Praxisbuch Transkription" von Dresing und Pehl.

Transkription ist enorm zeitaufwändig und mühsam, sie erfordert äußerste Konzentration und penibles Redigieren und ständiges Überprüfen. Inzwischen gibt es Software (siehe dazu ebenfalls das "Praxisbuch"), aber der Computer nimmt Ihnen die Arbeit nicht vollständig ab. Für ein einzelnes Interview, das eine Stunde dauert, kann der Transkriptionsaufwand - je nach Methode - schon eine oder mehrere Tage in Anspruch nehmen.

Braucht man ein vollständiges Transkript? Die Frage hat zwei Seiten:
  • erstens die nach der eigenen Auswertung des Gesprächs, 
  • zweitens die nach der Dokumentation in der Abschlussarbeit.
Bei der eigenen Auswertung mag es ausreichen, die Aufzeichnung mehrfach abzuhören und dann die wertvoll erscheinenden Auszüge (also das, was Sie wörtlich zitieren wollen) zu transkribieren. Den Rest fassen Sie zusammen (am besten mit Notieren des Zeitzählers). Merken Sie später, dass Sie noch einmal zurück zur Aufzeichnung müssen, ist das ja kein Problem.

Dies gilt für "normale" Interviewauswertung. Wenn Sie anderes vorhaben -- z.B. eine formale und quantitative Inhaltsanalyse --, werden Sie dagegen ein Voll-Transkript benötigen. Wenn Sie sehr viele Interviews führen, fällt es schwer, die Übersicht über die Inhalte zu behalten. Nutzen Sie in einem solchen Fall z.B. Citavi oder eine andere mit Literaturverwaltung gekoppelte Wissensmanagement-Software, in der Sie Ihre Notizen und Zusammenfassungen komfortabel speichern und im Volltext suchen können.

Bei der Dokumentation müssen Sie mit dem Betreuer sprechen. Bei einer Bachelor-Arbeit gibt es nur 8-12 Wochen Bearbeitungszeit. So sollten Sie den Betreuer fragen, ob er auf vollständigen Transkripten besteht, die im Anhang abgedruckt werden müssen.


Meine persönliche Auffassung ist: Das muss nicht unbedingt sein, und der Zeitaufwand geht klar zu Lasten aller anderen Aufgaben, die bei einer Thesis zu erledigen sind. Wenn wir Studenten bei einer kurzen BA-Thesis dazu ermutigen wollen, selbst zu forschen, dann geht das nur unter eingeschränkten Ansprüchen. Allein die Vorbereitung, Terminvereinbarung, Durchführung, inhaltliche Auswertung von Interviews, Autorisierung (s.u.) der Zitate und das "Einbauen" in den Text kostet viel Zeit. Wenn ein Student von 8 Wochen BA-Bearbeitungszeit eine Woche netto nur mit Transkribieren beschäftigt ist, ist das arbeitsökonomisch fragwürdig.

Bei einer Master-Arbeit mit längerer Bearbeitungszeit ist der höhere Aufwand eher gerechtfertigt. Ich hatte auch schon Master-Studenten, die unbedingt Volltranskripte erstellen wollten -- weil sie in ihrer Literatur selbst von Transkripten anderer als Quellen profitiert haben und nun ihrerseits einen Beitrag zur Fortentwicklung des Themengebiets leisten wollten. Ehrenhaft.

Als Letztes: In der Regel wollen Interviewpartner das Transkript lesen und autorisieren, manchmal auch nachkorrigieren. Zumindest die Passagen, mit denen sie  tatsächlich zitiert werden.

Ob Sie das anbieten oder darauf eingehen, ist Ihre Entscheidung. Sie müssen sich mit dem Gesprächspartner auf Spielregeln verständigen, und zwar vorher! Es kann zwar sein, dass der Gesprächspartner einige zugespitzte Aussagen wieder "kassiert". Dann müssen Sie möglicherweise verhandeln, "was geht", wenn Sie die Passage "retten" wollen. Andererseits hat der Interviewpartner aber auch ein legitimes Interesse daran, dass er nicht in seinem eigenen Umfeld Ärger bekommt, weil er mit Ihnen gesprochen hat. Zur Not ist die Anonymisierung der Aussagen eine Lösung -- manchmal geht es nicht anders, und manches Interview findet nur unter dem Mantel der Anonymität statt. Zudem ist es so, dass sich in Transkripte Fehler einschleichen. Manchmal versteht der Interviewende etwas falsch, oder der Interviewte hat spontan eine fehlerhafte Aussage gemacht. Das Gegenlesen ist dann die Chance zur Korrektur oder Präzisierung. Das ist also nicht nur als Einschränkung, sondern auch als Verbesserungsmöglichkeit zu sehen.

Und noch einmal zum Zeitmanagement aus der Forschungspraxis:
  • Wenn Sie eine halbe oder eine Stunde mit einem Interviewpartner sprechen, entsteht daraus ein seitenlanges Volltranskript. 
  • Wenn Sie dem Interviewpartner nun Ihre 5 oder 10 Seiten zum Gegenlesen schicken, mag es viele Wochen dauern, bis das "OK" kommt. Wenn es sich um vielbeschäftigte Leute handelt, können Sie noch so drängeln -- das Lesen und Prüfen und Korrigieren eines solchen Transkripts hat geringe Priorität, ist mühsam und wird eben gern immer wieder verschoben. Das Risiko des Zeitverzugs aber tragen Sie! Und es hilft Ihnen nichts, wenn Sie für Ihre BA-Thesis 10 Interviews führen, aber bei fünf davon liegen die Transkript-Autorisierungen erst Tage oder Wochen nach Ihrem Abgabetermin vor.
  • Die Chance einer schnellen Autorisierung steigt, wenn der Interviewpartner nur ein paar Absätze mit Einzelzitaten überfliegen muss. Das spricht also auch dafür, kein Volltranskript im Anhang der Arbeit zu dokumentieren, weil es dann eben auch einer Abnahme/Abstimmung desselben bedarf. 

Will Ihr Betreuer unbedingt Volltranskripte, aber Sie möchten das Zeitproblem bei der Autorisierung beherrschen, wäre noch ein Kompromiss möglich: Sie lassen nur die tatsächlich verwendeten Zitate autorisieren. Die Volltranskripte kommen in den Anhang, werden aber für das Bibliotheksexemplar Ihrer Thesis gesperrt ("Sperrvermerk"), sind also für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.

Siehe auch die Posts:
Literaturtipp zur Transkription:

Dresing, T. & Pehl, T. (2011). Praxisbuch Transkription. Regelsysteme, Software
und praktische Anleitungen für qualitative ForscherInnen.
3. Auflage. Marburg: Dr. Dresing und Pehl GmbH. Online auf http://www.audiotranskription.de/Praxisbuch-Transkription.pdf [28.06.2012].

Graue Literatur und interne Dokumente

In einer Abschlussarbeit selbst empirische Daten erheben und untersuchen -- das ist echtes Forschen und (leider) in vielen Fächern selten der Fall. Vor allem bei Bachelor-Arbeiten, denn eigentlich ist die Bearbeitungszeit viel zu kurz. Eine Studentin der Verwaltungswissenschaften will es aber wagen und hat in einem Landkreisamt gute,praktische Forschungsobjekte. Nun grübelt sie aber über diese Fragen:
  1. Wie geht man in der Bachelorarbeit genau mit selbst angelegten Onlineumfragen um (Belege etc.)? > Antwort "Selbst forschen: Umfragen, Interviews, Dokumente auswerten und belegen" (28.6.12)
  2. Wie geht man mit Materialien aus der Verwaltung um (Reden, die von Mitarbeitern gehalten wurden etc.; Ausdrucke, die nicht mehr wirklich zugeordnet werden können; Kopien etc.)?
  3. Wenn man jemanden interviewt, wie macht man dann genau den Beleg? > Antwort: "Qualitative Interviews -- Transkripte & Co." (29.6.12)
Der Antwort sei vorausgeschickt:
  • Es führt kein Weg daran vorbei, das mit dem Betreuer detailliert zu besprechen. Persönliche Vorstellungen und Vorlieben, wie empirische Daten und Methoden zu dokumentieren sind, variieren erheblich. 
  • Gerade bei BA-Arbeiten sind viele Betreuer willens, pragmatisch Ansprüche herunterzuschrauben und Kompromisse bei einigen Dokumentationsstandards einzugehen, um die Belastung bei der extrem kurzen Bearbeitungszeit zu senken. Siehe dazu auch den Blogbeitrag:  "Bachelor- und Masterarbeiten: der kleine, große Unterschied" (28.12.10)
  • Lesen Sie im Detail nach, was Handbücher und Ratgeber zum wissenschaftlichen Arbeiten und zur empirischen Sozialforschung dazu sagen.

Graue Literatur und interne Dokumente

Frage 2. Wie geht man mit Materialien aus der Verwaltung um (Reden, die von Mitarbeitern gehalten wurden etc.; Ausdrucke, die nicht mehr wirklich zugeordnet werden können; Kopien etc.)?

Wenn es sich um Veröffentlichungen handelt, ist das typische "Graue Literatur" -- grob gesagt Publikationen von Institutionen und Organisationen, die nicht in Bibliotheken und von Verlagen vorgehalten werden.
  • Dazu gehören bei einer Landkreisbehörde z.B. öffentliche Berichte, Broschüren, Merkblätter oder Formulare für Bürger, Pressemitteilungen oder auch veröffentlichte Reden des Landrats u.v.a. - online oder offline.  
  • Amtsblätter können Sie wie Zeitschriften belegen (es sind ja Periodika). 
  • Kreistagsvorlagen belegen Sie wie Parlamentaria und Rechtsquellen. 
  • Bei allen anderen veröffentlichten Materialien gibt es keine vollstandardisierte Belegweise: Versuchen Sie diese so genau wie möglich im Quellenverzeichnis zu beschreiben, also mit genauem Herausgeber/Autor, Erscheinungsdatum und -ort, Titel und Untertitel, ggf. Publikationsnummer (soweit angegeben), Art der Quelle (also z.B. Broschüre, Merkblatt...).
Bei wissenschaftlichen Quellenbelegen geht es ja immer darum, dem überprüfenden Leser zu ermöglichen, die Quelle selbst in Augenschein nehmen zu können, wenn er denn gewillt ist, eine Bibliothek zu nutzen. Davon ist bei Büchern und Periodika auszugehen, z.T. auch bei Internetveröffentlichungen (gleichwohl kann man fast das gesamte Internet als eine Art "Grauer Literatur" bezeichnen).

"Graue Literatur" ist für den Leser schwer zu beschaffen, manchmal gar nicht. Formal wäre es daher angezeigt, die verwendeten Veröffentlichungen im Anhang als Kopie/Faksimile zu dokumentieren. Nur so lassen sich die Quellen ja nachvollziehen.

Aber: Praktisch ist es eher sinnlos, damit einen gewaltigen Anhang zu füllen. Bezieht man sich aber auf bestimmte Passagen oder Seiten, oder ist der Kontext oder die Machart wichtig, ist eine Kopie eines Auszugs sinnvoll -- z.B. wenn man zeigen möchte, auf welche Art die Verwaltung mit dem Bürger über ein Thema kommuniziert.

Handelt es sich um nicht-veröffentlichte Materialien, sondern um Interna, dann gilt dies nicht als "Graue Literatur". Das sind "Dokumente". (Allerdings kann man auch bei veröffentlichten Papieren von Dokumenten sprechen, aber spalten wir hier keine Haare.)

Beispiele sind interne Berichte, Aktenvermerke, Protokolle, Briefe, Emails oder Intranetdokumente, Verträge, interne Statistiken, sonstige Gebrauchstexte, Dienstanweisungen, Vortragsmanuskripte, PowerPoint-Präsentationen, Urkunden, Organigramme, Geschäftsverteilungspläne, interne Geschäftsordnungen und Verfahrensregeln, Aktenpläne, Dienstvereinbarungen, Stellenpläne und -beschreibungen,  Jahres- und Tätigkeitsberichte, interne Untersuchungen, Haushaltsdokumente, Daten aus Benchmarking- und Kosten-Leistungs-Rechnung usw.

Diese Dokumente sind nun überhaupt nicht für einen Leser direkt zugänglich (es sei denn, sie sind bereits in einem öffentlichen Archiv). Wer also solche benutzt, hat eine besondere Verantwortung, Informationen über diese Quelle zu dokumentieren.
  • Was für eine Art Dokument ist es? 
  • Was sind die äußeren Merkmale, der Inhalt und die Aussagekraft? 
  • Was ist der Zweck, die Funktion? 
  • Ist es aktuell oder veraltet? 
  • Wie entstand das Dokument? Wann, wo? In welchem Kontext? 
  • Wie sind Sie an dieses Dokument gelangt?
Bevor Sie im Rahmen der Dokumentenanalyse (Überblick zur Methode: Uni Augsburg) zur großen inhaltlichen Interpretation starten, müssen Sie diese Fragen klären.

Vor allem gilt es zu prüfen, wie verlässlich die Quelle ist, ob sie vollständig ist, und wie man sie einordnen muss. Wenn Sie tatsächlich "Ausdrucke, die nicht mehr wirklich zugeordnet werden können", in irgendeiner Akte vorfinden, ist Vorsicht geboten.

Im besten Fall gelingt es Ihnen, die fehlenden Informationen zu rekonstruieren -- durch Suche nach ähnlichen Dokumenten, durch Nachfragen o.ä.. Ob sich die detektivische Kleinarbeit lohnt, müssen Sie entscheiden. Fehlen Quelleninfos, und nutzen Sie die Quelle trotzdem, dürfen Sie den Leser über die Defizite nicht im Unklaren lassen. Machen Sie auch im Text Ihre quellenkritische Haltung deutlich. Erläutern Sie, warum Sie diese Quelle wie interpretieren und warum das legitim ist.

Natürlich müssen Sie wiederum genau im Quellenverzeichnis (Dokumente von Literatur trennen) bezeichnen, was für eine Quelle es ist -- und erneut ist eine Kopie des Dokuments, zumindest bestimmter Passagen, im Anhang sinnvoll. Ist die Quelle ganz zentral, gehört die Kopie eher in den Hauptteil.

28. Juni 2012

Selbst forschen: Umfragen, Interviews, Dokumente auswerten und belegen

In einer Abschlussarbeit selbst empirische Daten erheben und untersuchen -- das ist echtes Forschen und (leider) in vielen Fächern selten der Fall. Vor allem bei Bachelor-Arbeiten, denn eigentlich ist die Bearbeitungszeit viel zu kurz. Eine Studentin der Verwaltungswissenschaften will es aber wagen und hat in einem Landkreisamt gute,praktische Forschungsobjekte. Nun grübelt sie aber über diese Fragen:
  1. Wie geht man in der Bachelorarbeit genau mit selbst angelegten Onlineumfragen um (Belege etc.)?
  2. Wie geht man mit Materialien aus der Verwaltung um (Reden, die von Mitarbeitern gehalten wurden etc.; Ausdrucke, die nicht mehr wirklich zugeordnet werden können; Kopien etc.)?
  3. Wenn man jemanden interviewt, wie macht man dann genau den Beleg?
Der Antwort sei vorausgeschickt:
  • Es führt kein Weg daran vorbei, das mit dem Betreuer detailliert zu besprechen. Persönliche Vorstellungen und Vorlieben, wie empirische Daten und Methoden zu dokumentieren sind, variieren erheblich. 
  • Gerade bei BA-Arbeiten sind viele Betreuer willens, pragmatisch Ansprüche herunterzuschrauben und Kompromisse bei einigen Dokumentationsstandards einzugehen, um die Belastung bei der extrem kurzen Bearbeitungszeit zu senken. Siehe dazu auch den Blogbeitrag:  "Bachelor- und Masterarbeiten: der kleine, große Unterschied" (28.12.10)
  • Lesen Sie im Detail nach, was Handbücher und Ratgeber zum wissenschaftlichen Arbeiten und zur empirischen Sozialforschung dazu sagen.

Onlineumfragen

Frage 1. Wie geht man in der Bachelorarbeit genau mit selbst angelegten Onlineumfragen um (Belege etc.)?

In jedem Fall muss klar erkennbar und nachvollziehbar sein, wie Sie zu den Daten gekommen sind. Der Leser soll Relevanz und Aussagekraft Ihrer Datenbasis beurteilen können. Das "Projektdesign" und Konzept der Umfrage ist im Text (Methodenteil) präzise zu erläutern. Dazu gehören die Entwicklung der Fragen, Auswahl und Rekrutierung der Befragten, Erhebungsmethode, Ablauf der Durchführung usw. Eher "technische" Angaben und ein Verlaufsprotokoll können z.T. in den Anhang ausgelagert werden.

Der Anhang ist auch eine gute Lösung, um die gesamten Rohdaten aus der Umfrage zu dokumentieren. Das sind ja oft große Tabellen, die man nicht unbedingt im Haupttext haben möchte. Im Anhang lassen sich die Daten aber in der Gesamtheit überblicken. Außerdem können Sie im Anhang z.B. Ihr Anschreiben an die Befragten dokumentieren

Im Hauptteil der Arbeit ist es meist sinnvoll, sich in der Darstellung und Diskussion jeweils einzelnen Ergebnissen zuzuwenden (Thema für Thema) und bei zusammenfassenden Übersichten mit Diagrammen zu arbeiten. Grafiken sind chic, aber nicht für alles benötigen Sie eine farbstrotzende Torte, Säulen, Stäbe oder Kurve: Übersichtliche Tabellen sind häufig eine gute Alternative und ebenso leicht zu erfassen. Wenn Sie dennoch ein Diagramm wählen, überprüfen Sie, welches Diagrammformat die Information am besten vermittelt.

Diagramme sollten eine hohe Informationsdichte haben. Unverzichtbar ist es bei Grafiken, nicht nur mit Prozentangaben, sondern auch mit absoluten Zahlen auszuzeichnen, Achsen und Skalen genau zu beschriften, eine Legende anzulegen, in der Diagrammbeschriftung die Grundgesamtheit (N) zu benennen, fehlende Daten oder "keine Antwort" anzugeben usw.

Wenn Sie eine Online-Umfrage durchführen, nutzen Sie wahrscheinlich ein Web-Tool. Solche Software hat meist eine Standardausgabefunktion für Tabellen und Grafiken. Schauen Sie sich diese genau an, und überprüfen Sie, ob und wie Sie diese verändern können. Manchmal ist es sinnvoll, die Daten in Excel zu importieren, weil Sie dort mehr Gestaltungsmöglichkeiten haben.


Schließlich gibt es in Befragungen auch Optionen freier Texteingabe. Daraus können Sie wörtliche Zitate entnehmen. Achten Sie in der Belegweise darauf, dass der Leser diese nicht mit Literaturzitaten verwechseln kann.

24. Juni 2012

Rubriken fürs Quellenverzeichnis: Warum die Rubrik "Internetquellen" Unsinn ist - Alternativen

Quellenverzeichnisse sind oft schlicht alphabetisch nach Autor geordnet - manchmal auch nach Datum (Vancouver Style). Nun sind Quellen aber nicht gleich Quellen. Zwischen einer wissenschaftlichen Monographie und einem Blog-Post liegen Welten. Daher empfehlen viele Ratgeberwerke, das Quellenverzeichnis in Rubriken zu ordnen. Dafür spricht viel.

In studentischen Seminararbeiten gibt es allerdings oft nur zwei: "Bücher" und "Internetquellen". Das ist dann meistens Unfug.

Was passiert ist: Der Student hat sich 2-3 Bücher aus der Bibliothek geholt und den Rest online recherchiert. Gedruckte Fachzeitschriften oder sonstiges Druckwerk hat er gar nicht erst angesehen. Alles, was "im Internet" zu finden war, kommt nun in die Kategorie "Internetquellen". Die Rubrik umfasst dann aber meistens so ziemlich alles, was es so gibt unter der Sonne. Die Quellentypen haben überhaupt nichts gemeinsam -- außer dass sie "im Internet" sind.

Alles im selben Topf: Wissenschaftliche Fachzeitschriften-Aufsätze, Buchexzerpte aus GoogleBooks, Berichte und Studien, Konferenz- und Symposienbeiträge, Amtliches und Halbamtliches, Gesetzestexte und Gerichtsurteile, Artikel aus journalistischer Presse und Rundfunk, Unternehmens- und Verbände-Publikationen, Lexika, Statistiken, Datensätze, Videos und diverse Social-Media-Beiträge, was auch immer.

Genauso gut hätte der Student als Rubrik "Diverse Quellen und Allerlei" drüber schreiben können. Was natürlich nicht der Sinn der Rubrizierung ist.

Vor langer, langer Zeit war alles einfacher. Ein Buch war ein Buch, eine Zeitschrift eine Zeitschrift usw. Das Gedruckte dominierte die akademische Welt, und wenn man "graue Literatur" (also alles, was nicht Buch, Fachzeitschrift oder Presse war) zitierte, war das schon gewagt. Dann auch noch "Internet" zu zitieren, war etwas funky. Aber in jedem Fall die Ausnahme. Und "Internet", das hieß im Wesentlichen: simple HTML-Websites.

Heute gibt es praktisch jeden Quellentyp "im Internet". Zumindest aber, wenn nicht im freien Oberflächen-Internet im "Deep Web" verfügbar, jedenfalls in digitaler Form, vom E-Book in der Unibibliothek bis zum Fachzeitschriften-Aufsatz in der Datenbank eines wissenschaftlichen Verlags. Alles online abrufbar.

Also ist es sinnvoll, die Quellen nicht danach zu sortieren, ob sie digital sind oder nicht, sondern nach dem eigentlichen Charakter und Zweck der Quelle. Im Regelfall ist die formale Trennung immer noch so (davon ausgehend, dass alle digital und "im Internet" abrufbar sein können):
  • Bücher, 
  • periodische Werke (Fachzeitschrift, Zeitschrift, Zeitung, Newsletter usw.), 
  • "graue Literatur" (z.B. einzelne Forschungsberichte von Instituten, Veröffentlichungen staatlicher Stellen, von Unternehmen, Verbänden, Berufsorganisationen, kommerzielle und nichtkommerzielle Organisationen verschiedener Art -- bis hin zu Broschüren, Handzetteln oder gar Plakaten),
  • Beiträge zu Konferenzen, Tagungen, Symposien
  • Rechtsmaterialien
  • Sonstige Quellen (z.B. einfache Texte auf Websites, Film/Video/TV-Beiträge, unveröffentlichte Manuskripte, Online-Communities usw.)
Literaturverwaltungsprogramme (ob die eingebaute bei MS Word oder eine Extra-Software wie z.B. Citavi) sind da schon mal eine Hilfe: Sie zwingen dazu (oder ermöglichen es), vorgegebene Quellen-Kategorien auszuwählen.

Was davon genau nach wissenschaftlichem Standard zitierfähig und zitierfähig ist, sei jetzt einmal dahingestellt. Sinnvoll kann es sein, in Rubriken wissenschaftliche Literatur von nichtwissenschaftlichen Quellen zu trennen. Oder auch Primär-, Sekundär- und Tertiärquellen.

Was sonst noch zu trennen ist, hängt davon ab, woraus mein Quellenuniversum besteht.

Beispiel: In einer Seminararbeit zur Energiepolitik benötige ich diverse Artikel aus praxisnahen Fachmagazinen, Regierungs- und Parlamentsdokumente sowie amtliche Statistiken, Materialien von Verbänden der Energiewirtschaft, Materialien von sonstigen "Experten" -- die kommen von einer Unternehmensberatung, von Umwelt- oder Verbraucherorganisationen; und in einigen Blogs finde ich auch noch etwas.

All das ist zweifellos nach Charakter und Zweck anders als wissenschaftliche Bücher und Aufsätze. Sie bilden nicht nur Grundlagenliteratur, sondern sind Forschungsgegenstand. Im Fließtext behandle ich diese Quellen klar anders als die Ergebnisse akademischer Forschung. Im Quellenverzeichnis kann es sinnvoll sein, diese unterschiedliche Wertung durch Rubriken sichtbar zu machen. Z.B. "Amtliche Veröffentlichungen und Veröffentlichungen politischer Institutionen", "Veröffentlichungen von Interessengruppen", "Nichtakademische Fachpresse" und dergleichen. Dreht sich meine Arbeit ums Marktgeschehen, will ich möglicherweise nach Marktteilnehmern (kommerziellen Organisationen) und Nichtmarktteilnehmern (nichtkommerzielle Organisationen, sonstige Experten) trennen.

Geht man so vor, wird klar, dass es keine "One-size-fits-all"-Rubrikenkennung geben kann, es ist vom Inhalt der Arbeit abhängig. Rubriken muss man sich also passend selbst schaffen, statt auf ein "Schema F" zu hoffen.

Aufwändig? Ja, klar. Das ist nicht nur eine intelligente Vorgehensweise, sie zeigt auch, dass der Autor sehr quellenkritisch ist und Informationskompetenz zeigt. Und das dürfte dem begutachtenden Dozenten bestimmt ein paar Bonuspunkte wert sein.

Statista - trau, schau, wem

Statista.com erfreut sich bei Studenten immer größerer Beliebtheit -- kostenlose, leicht zugängliche Daten und nützliche Infografiken, die sich in jeder Seminararbeit gut machen.

Aber halt! Oft gibt es Missverständnisse oder ungenügendes Verständnis von dem, was Statista ist, was es anbietet, und wie man das Portal am besten nutzt. Darum hier ein paar Tipps -- und kleine Warnungen.

Zunächst: Statista ist keine Statistikbehörde, sondern ein kommerzieller Dienstleister. Das Unternehmen verdient Geld damit, Daten anderer einzusammeln, aufzubereiten und zugänglich zu machen. Statista erhebt selbst keine Statistiken.
Statista ist erst einmal "nur" ein komfortables Recherche-Tool, ein Katalog. 

Und: Statista bietet viel, aber das Beste ist nicht kostenlos. Studenten können aber auch an die hochwertigen Inhalte gelangen.

Nicht nur durch Gratis-Angebote zappen - Uni-Zugang nutzen

Studenten klicken sich meist durchs öffentlich frei zugängliche Web-Angebot. Dies ist nur ein kleiner Teil der Datenbank.

Wichtig: Wer alle Infos zur veröffentlichten Statistik sehen will, (z.B. den Herkunftsnachweis) muss sich ein Basisdienst-Konto freischalten lassen. Das ist erst einmal gratis.

Viele Angebote findet man zwar, sie sind jedoch gesperrt. Man braucht ein Premium-Account. Das kann sich der Student natürlich nicht leisten. Muss er aber auch nicht: Viele Hochschulbibliotheken haben Statista per Campus-Lizenz abonniert, so dass über die Uni oft die vollen Datensätze mit allen Infos für Studenten erreichbar sind!

Also: In die digitale Uni-Bibliothek einloggen und von dort aus in der gesamten Statista-Datenbank recherchieren. 

Woher stammen die Daten überhaupt? 

Statista wirbt damit, dass es 10.000 verschiedene Quellen hat. Allein diese hohe Zahl sollte misstrauisch machen. 

Gute, verlässliche Daten erheben ist teuer und aufwändig. Abgesehen von staatlichen Statistikämtern und öffentlichen Institutionen, die vom Steuerzahler unterhalten werden, haben Auftraggeber teurer Studien in der Regel kein Interesse daran, "einfach so" zum Nutzen der Allgemeinheit aufwändig erlangte Daten unters Publikum zu streuen.

Auftraggeber haben allenfalls ein Interesse daran, bestimmte Daten in die Öffentlichkeit zu bringen (und andere vielleicht nicht). Die Absicht: Sie können auf einen Werbeeffekt hoffen. Oder sie möchten Image-PR machen, mit den Daten etwas ins gute (oder schlechte) Licht rücken, eine Debatte beeinflussen oder anderes mehr.

Daher ist es sehr wichtig, dass Statista-Nutzer die Ursprungsquelle kennen – und sich einen Reim darauf machen, was die Absicht ist. Statista sagt:
"Zu jeder Statistik veröffentlichen wir die verfügbaren Metadaten wie Quelle, Veröffentlichungsdatum, Anzahl der Befragten usw. und machen so alle Angaben auf Statista überprüfbar. Aufbereitungen von Datensätzen erfolgen nach wissenschaftlichen Kriterien."
Klingt gut, aber: Das heißt noch nicht, dass die Ursprungsdaten streng neutral und nach allen Regeln wissenschaftlicher Transparenz und Methodik erhoben wurden. Und über die Selektivität der veröffentlichten Daten wissen wir damit auch nichts. Mag sein, dass die Leute bei Statista sehr sorgfältig sind. Aber sie sind nur Zweitverwerter. Sie zitieren nur.

An anderer Stelle sagt Statista:
"Statista kann Ihnen nicht die Entscheidung abnehmen, welcher Quelle und welcher Erhebung Sie Ihr Vertrauenschenken – oder welcher Methodik."

Das ist eben der Grund, weshalb Statista Herkunfts- und Metadaten transparent macht. 

Tatsache ist, dass Statista unter den 10.000 Quellen z.B. auch Pressemitteilungen von Verbänden und Unternehmen nutzt. Wie genau werden diese überprüft? Wird die Methodik unter die Lupe genommen? Wohl kaum so, wie die höchste Qualität es erforderlich machen würde. Statista ist kein Statistik-TÜV. Statista lebt davon, möglichst viele Daten ins System zu bringen -- und haftet nicht für Unfug und Manipulation, die darin stecken.

Beispiel: Da verbreitet etwa eine Internet-Partnervermittlung über Statista die Ergebnisse einer User-Umfrage übers Online-Flirten -- schon an der Formulierung der Fragen erkennt man, dass da kein Wissenschaftler am Werk war, sondern clevere Marketingleute.

Jeder kennt diese lustigen Web-Umfragen und -Abstimmungstools. Mit seriöser, repräsentativer und methodisch sauberer Sozialforschung haben sie nicht unbedingt etwas zu tun. Also kritisch bleiben.

Damit soll nicht gesagt sein, dass Statista eine Deponie für Datenmüll ist. Nein, bei Statista finden sich ebenso hochseriöse Daten. Nur muss man sich selbst die Mühe machen, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Allgemein: Der größte Teil statistischer Daten, die kostenlos in die Öffentlichkeit gelangen und von diversen Medien (Zeitungen, Portalen, Blogs und eben auch Statista) verbreitet werden, wird im Bereich der Marktforschung produziert. Es gibt gute und schlechte Marktforschung, vor allem aber ist sie meist Auftragsforschung, und auf Märkten gibt es Käufer- und Verkäufer-Interessen.

Güte und Qualität der Erhebung sollte man abschätzen können. Repräsentativität ist so ein kritischer Punkt, aber auch zahlreiche andere Faktoren - von Auswahlkriterien über die Erhebungs- und Gewichtungsmethodik bis zur Frageformulierung. Selbst wenn keine Manipulationsabsicht besteht, können handwerkliche Fehler passieren, oder das Grundkonzept ist Mist.
Außerdem sollte man sich natürlich darüber klar sein, dass Statistik nicht gleich Statistik ist. Eine Meinungsumfrage ist etwas anderes als eine Güterzählung vom Zoll.

Im Zweifel zurück zum Original - keine Zitatzitate

Statista ist erst einmal ein komfortables Recherche-Tool, ein Katalog. Gerade in der wissenschaftlichen Arbeit sollte man aber nicht Statista als Quelle begutachten und zitieren, sondern zum Original gehen, wenn irgend möglich.

Viele Statista-Quellen sind nicht exklusiv bei Statista zu haben, sondern wurden anderswo bereits veröffentlicht -- oftmals eingebettet in größere Berichte oder angereichert um zusätzliche Daten und Präsentationen.

Verweist Statista unter einer hübschen Grafik etwa als Quelle auf den Branchenverband XYZ, wird man wahrscheinlich auf der Website von XYZ eine Publikation mit genau diesen Daten finden. Denn der Verband nutzt Statista als Veröffentlichungs-Plattform -- aber nicht als einzige. Möglicherweise sind beim Verband sogar noch hübschere Grafiken zu finden, vor allem aber wird der Kontext sichtbar. Und es gibt mehr zum Thema.

Ein anderes Beispiel: Wenn Statista etwas vom EU-Statistikamt Eurostat präsentiert, sollte man sich die Daten auch direkt bei Eurostat ziehen. Großer Vorteil: Dort lassen sich die Daten individuell zusammenstellen, außerdem ermöglichen Grafik-Tools diverse Darstellungsoptionen. Infografiken kann man sich also so bauen, wie sie für den Nutzer sinnvoll sind.

Studenten lernen im Studium, dass man Zitat-Zitate vermeiden soll. Wenn also Müller in einem Buch einen Aufsatz von Schmidt zitiert, und der Student möchte das Schmidt-Zitat in der Seminararbeit nutzen, sollte er den Schmidt-Aufsatz aufstöbern und daraus direkt zitieren -- statt sich darauf zu verlassen, dass Müller den Schmidt richtig zitiert hat.

So ist es auch bei Statistiken. Statista ist wie Müller, der Schmidt zitiert. Nutzen Sie Statista, um Schmidt zu finden, und dann schauen Sie sich Schmidt an -- und zitieren Sie Schmidt.

Weitere Posts zum Thema: