21. Februar 2011

Tipps von Master-Studenten: Wie man einen wissenschaftlichen Aufsatz liest

Aufsätze in wissenschaftlichen Fachzeitschriften sind anders als einführende Lehrbücher oder Zeitungsartikel. Für Studenten sind sie schwieriger zu lesen, denn sie werden von Experten für Experten geschrieben und präsentieren aktuelle, oft sehr spezialisierte Forschung in einer Fachdisziplin. Master-Studenten müssen sich damit auseinander setzen. Einige meiner Master-Studenten haben Vorschläge, wie man sich solche Texte erarbeiten kann (Zusammenfassung).


"Was wirklich hilft, ist, sich erst einmal eine grobe Übersicht über die Struktur des Artikels zu verschaffen. Als ersten Schritt überfliege ich die Überschriften und Zwischenüberschriften. Ich lese zuerst das Abstract und den Schluss. Dann habe ich so eine Grundidee, worum es geht. Spezielle Begriffe schlage ich z.B. mit Google nach. Dann lese ich Absatz für Absatz. Das Lesen und Verstehen kann viel Zeit kosten, da muss man sich Zeit fürs Noch-einmal-Lesen nehmen. Je mehr solche Texte man liest, desto besser versteht man die wissenschaftliche Schreibe -- ganz klar Übungssache!"

"1. Einführung und Fazit zuerst lesen. Dann weiß man, worum es geht. 2. Schlüsselbegriffe des Artikels markieren und im Hinterkopf behalten, immer darauf achten, wo und wie sie verwendet werden. 3. Den Hauptteil lesen, versuchen ihn zu strukturieren; Grundfragen klären - was, wer, warum? 4. Noch einmal das Fazit genau lesen, um den Inhalt des Hauptteils und seine Bedeutung zu resümieren."

"Darauf achten, welche Begriffe eingeführt werden. Es ist wichtig, alle unklaren Begriffe zu finden und sein eigenes Verständnis des Themas zu überprüfen. Der Hauptunterschied zwischen einem wissenschaftlichen Aufsatz zu Lehrbüchern und Zeitungen ist, dass ein Aufsatz Hintergrundwissen voraussetzt. Darum musst man sich zusätzlich Hintergrundinformationen verschaffen, auch wenn das ganz schön viel Zeit kosten kann."

"Ich lese den Aufsatz einmal ganz durch und unterstreiche unbekannte Wörter. Ich lese ihn dann noch einmal, übersetze zentrale Begriffe und streiche die interessanten Sätze mit einem Textmarker an. Bei einem fremdsprachlichen Text, vor allem bei komplexen Sätzen, ist es sinnvoll, sich ein (einsprachiges) Wörterbuch daneben zulegen. Vor der Diskussion im Seminar lese ich den Text noch einmal, um beim Inhalt sicher zu sein."


"Manchmal muss man einen Text mehrmals lesen, bevor man in der Lage ist, ihn richtig wiederzugeben. Nicht beim ersten Mal aufgeben."

"Nicht demotivieren lassen, nur weil diese Aufsätze sehr komplex und lang scheinen. Am besten nicht auf die langen Fußnoten und Literaturnachweise schauen. Nicht frustrieren lassen, wenn da mal ein Wort ist, das man nicht versteht. Man muss nicht jedes einzelne Wort verstehen. Nachschlagen, wenn es so wichtig ist, dass der Kontext ohne dieses Wort nicht verstanden werden kann."

"Die meisten Aufsätze haben ein Abstract. Das sollte man unbedingt zuerst lesen, weil darin die Kernideen und der Ansatz enthalten sind. Die Einführung sagt in der Regel einiges darüber aus, an welcher Diskussion sich der Autor beteiligen will, welche Methoden er verwendet, und die zentrale Aussage findet sich hier auch. Einführung und Schluss muss man als eine Einheit sehen. Versteht man das, versteht man meist auch den Rest. Die Literaturliste zeigt, in welchem akademischen Zusammenhang der Autor schreibt. Da kann man sich auch etwas Zusatzwissen holen. Es ist sinnvoll, sich die wichtigen Aspekte der wesentlichen Absätze herauszuschreiben, wie ein Protokoll."

"Ich habe da meine eigene Reihenfolge, wie ich vorgehe. Ich überfliege den Text, damit ich weiß, worum es geht. Dann forsche ich ein bißchen im Internet oder in Büchern nach, um Hintergrundwissen zu bekommen. Wenn ich den Text gelesen haben, überprüfe ich: Habe ich's verstanden? Ich versuche, den Inhalt so zusammenzufassen und zu erklären, dass ihn jemand anderes verstehen kann."

"Wenn der Artikel zu groß ist, um alles auf einmal zu verstehen und ich den roten Faden verliere, dann teile ich mir den Artikel in mehrere Teile auf und lese stückweise, mit kurzen Pausen. Die Seminardiskussion ist ganz gut, um den Gesamtzusammenhang zu verstehen und zu klären, was einem fehlt."

"Der Textmarker ist für mich wichtig. Man muss nur aufpassen, dass man nicht jede Textzeile farbig markiert. Man sollte vor dem Markieren also wissen, worum es geht und was das zentrale Argument ist, sich auch ein paar Notizen machen. Nicht nur anstreichen, sondern auch am Rand wichtige Aussagen oder Fragen notieren. Man kann auch ein paar eigene Zwischenüberschriften einfügen."

"Mit der Zeit, also wenn man ein paar von diesen Aufsätzen gelesen hat, kommt Erfahrung. Der erste große wissenschaftliche Artikel, den man liest, ist der schwierigste. Nach und nach gewöhnt man sich an Struktur und Sprache. Von den nächsten Aufsätzen, die man liest, hat man dann auch mehr."

"Wissenschaftliche Aufsätze werden über sehr spezifische Themen geschrieben. Darum muss man sich fragen: Was weiß ich schon über das Thema, was sind meine Vermutungen, habe ich schon mal was darüber in Vorlesungen oder in anderen Büchern gehört. Nach dem Lesen solte man sich selbst ein paar Fragen zu Text und Thema notieren."

"So einen Aufsatz in der Bahn oder in kurzen Pausen zwischen Vorlesungen zu lesen, macht wenig Sinn. Man muss sich schon ziemlich konzentrieren. Es kostet Zeit zu lesen UND zu verstehen."

"Ich lese grundsätzlich zweimal. Beim ersten Mal gehts mir um die Übersicht, beim zweiten Mal um die Details, da will ich der Logik des Autors voll folgen können. Ich will auch immer wissen: Was sind hier die Fakten? Ohne die kann ich den Artikel nicht richtig analysieren. Allerdings sind nicht alle Fakten nützlich, wenn man die Kernidee eines Aufsatzes auswickeln will. Wichtig sind auch die Aussagen über den Zusammenhang von Ursache und Wirkung - was bewirkt was? Darüber sollte man sich dann auch eine eigene Meinung bilden können."

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