16. Februar 2011

Plagiate: Wie "Dr. Googleberg" bei der Thesis schummelte

Seitenlange Passagen, die ohne Quellenangaben einfach übernommen wurden: Copy-and-paste in Reinkultur. Das muss sich Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg vorwerfen lassen. Seine Doktorarbeit an der Uni Bayreuth sei an mehreren Stellen "ein dreistes Plagiat" und "eine Täuschung", wettert der Jura-Professor Andreas Fischer-Lescano (Uni Bremen) in der Süddeutschen Zeitung. "Die Textduplikate ziehen sich durch die gesamte Arbeit und durch alle inhaltlichen Teile", sagt Fischer-Lescano in dem Bericht. Wie der Bremer Jurist dazu kam, erzählt er hier. Seine Rezension des Buches liest man in der Fachzeitschrift Kritische Justiz.

Auch Spiegel Online widmet sich dem Plagiat. Die FAZ ebenfalls, die feststellte, dass Guttenberg schon für die Einleitung einen FAZ-Artikel abgekupfert hat. Ebenso die NZZ, deren Chefredakteur vom Minister eine Entschuldigung verlangte. Derzeit jagen bundesweit Journalisten nach weiteren Plagiatsstellen. Und andere - es gibt sogar schon ein GuttenPlag Wiki - "eine kollaborative Dokumentation der Plagiate" des Ministers, bei der jedermann mitmachen darf. Einen "interaktiven Guttenberg-Report" mit grafischer Darstellung der Plagiate gibt es auch.

Das sagte Guttenberg dazu am 18. Februar 2011 in einer Erklärung (Wortlaut):


Wenig später war er den Doktorgrad los. Die Debatte ging und geht jedoch weiter – nicht nur in der Politik, auch in der Wissenschaft. Der Nachfolger von Guttenbergs Doktorvater an der Universität Bayreuth, Professor Oliver Lepsius, spricht Klartext: "Wir sind einem Betrüger aufgesessen." Er vergleicht den Fall mit Studenten und Doktoranden. Wer ihm mit Argumenten wie Guttenberg komme, den könne er nur auslachen:



Die rechts- und politikwissenschaftliche Doktorarbeit trägt den Titel "Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU". Das 475-Seiten-Werk, 2009 erschienen bei Duncker & Humblot, machte Guttenberg 2007 mit der Bestnote summa cum laude zum Dr. jur. Nun soll der Ombudsmann für wissenschaftliche Selbstkontrolle der Uni Bayreuth feststellen, ob an den Vorwürfen etwas dran ist -- und wie schwer der Fall wiegt. Im allerschlimmsten Fall wird dem Minister der Doktortitel aberkannt.

Die Süddeutsche dokumentiert allerdings ziemlich eindeutig, wie der Minister vorgegangen ist. In einer Online-Dokumentation werden Guttenberg-Text und seine Quellen nebeneinander gestellt.

Bei rund 1000 Fußnoten und 50 Seiten Bibliografie sollte man annehmen, dass alles korrekt belegt ist und Guttenberg nicht planmäßig Geistesraub betrieben hat. Der Bremer Professor allerdings fand - bei einer Routineprüfung, wie er sagt - allerdings Verstöße gegen die Spielregeln in drei Varianten:
  • Direkte Kopie ohne Fußnotenbeleg und ohne Nachweis im Literaturverzeichnis, also praktisch wortgleiche Übernahme mit nur geringfügigen Abwandlungen und Einfügungen ohne jede Quellenangabe;
  • Direkte Kopie ohne Fußnotenbeleg, aber mit Nachweis im Literaturverzeichnis; auch hier wurden Textpassagen übernommen und als eigener Text des Autors Guttenberg ausgegeben. Der allgemeine Beleg in der Bibliografie zeigt zwar, dass Guttenberg die Quelle verwendet hat, aber nicht wo und wie -- und das Zitat ist an der entscheidenden Stelle nicht kenntlich gemacht;
  • Direkte Kopie mit Fußnotenbeleg, der zwar darauf hinweist, dass die Information aus einer Quelle stammt; aber Guttenberg zitiert nicht in indirekter Rede oder mit Anführungszeichen, es gibt keine Kennzeichnung, dass dies nicht seine Zusammenfassung ist, sondern eine wortwörtliche Übernahme.
All das geht so natürlich nicht. Die Verstöße gegen die üblichen wissenschaftlichen Zitierregeln sind klar erkennbar. Dabei ist eigentlich egal, ob dahinter eine Täuschungsabsicht stand (eher nicht anzunehmen) oder ob Guttenberg einfach nur schlampig war.

Jeder, der eine umfangreiche Arbeit schreibt, ist in Gefahr, bei der Vielzahl verwendeter Textauszüge durcheinander zu kommen. Und im Textverarbeitungsprogramm passiert es auch schon einmal, dass beim Redigieren unbeabsichtigt eine Fußnote gelöscht wird. Das ist ärgerlich, aber ein nachvollziehbarer redaktioneller Fehler – ähnlich wie ein Zahlendreher oder ein fehlender Halbsatz.

Allerdings erklärt das nicht, warum ganze Passagen ohne Anführungszeichen in Guttenbergs Text stehen oder warum er nicht im Text Hinweise auf die Quelle einfügt.

Es ist unwahrscheinlich, dass man dem Minister daraus einen Strick dreht. Wahrscheinlich wird der Ombudsmann einige schwere und einige weniger schwere Fehler offiziell feststellen, seine Prüfer werden sagen, es sei trotz allem eine hervorragende Arbeit, vielleicht erhält er eine öffentliche, peinliche Rüge, der Minister wird die Fehler bedauern und sich in den Medien und demnächst in Bundestagsdebatten ein paar schadenfrohe Sprüche der Opposition gefallen lassen müssen. Wenn nicht noch etwas Skandalöses herauskommen sollte, etwa wenn Guttenberg die Thesis von einem Mitarbeiter oder bezahltem Ghostwriter hätte schreiben lassen, wird's das dann aber gewesen sein. Eine dumme Episode, die wieder einmal etwas den Lack vom Hochglanzimage des Politikers abplatzen lässt.

Studenten kommen in der Regel nicht so einfach davon. Selbst wenn die Prüfer einzelne fehlende Quellenangaben nicht als absichtsvolle Täuschung ansehen und die Arbeit sonst ordentlich ist, kann es zumindest zu Notenabzug kommen. Was eben noch als "sehr gut" bewertet worden wäre, wird auf "befriedigend" herabgestuft. Aber wenn solche Plagiate mehrfach auftauchen, ist auch ein "nicht ausreichend" drin - durchgefallen.

Um solche Fehler zu vermeiden, hilft nur Sorgfalt im Umgang mit Quellen von Anfang an. Außerdem der Einsatz eines Literaturverwaltungsprogramms.

Mehr über Plagiate, Plagiatjäger und Anti-Plagiat-Software sowie zum Umgang der Hochschulen mit Plagiaten:
Schmankerl:
Die Legal Tribune über "Juristische Prüfungsarbeiten - Von der hohen Kunst des kaltblütigen Plagiats" oder: "Wenn schon, dann bitte gekonnt. Eine Anleitung zur erfolgreichen Hochstapelei."

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